Mittwoch, 8. Mai 2024

Klaus Mann - Mephisto

 

Autor:

Klaus Mann ist der älteste Sohn des berühmten Nobelpreisträgers Thomas Mann. Geboren wurde er 1906. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten emigrierte er und wurde einer der bedeutendsten Schriftsteller der Exilliteratur. Sein erster Erfolg war 1925 ein Theaterstück (Anja und Esther), in der er seine Internatszeit verarbeitete und bei dessen Uraufführung er selbst, seine Schwester Erika und Gustav Gründgens (die zeitweise verheiratet waren) mitspielten. Auf einer Reise nach Marokko lernten Klaus und seine Schwester Drogen kennen, die ihn zeitlebens nicht mehr los ließen. Nach Hitlers Machtergreifung gehörte Klaus Manns erster Roman, der von einem Homosexuellen handelt, zu den entarteten Büchern und wurde verbrannt. Mann geht nach Paris ins Exil und später an verschiedene weitere Orte und schließlich 1938 in die USA, wo er sogar vom FBI überwacht wird wegen vermeintlich kommunistischer Gesinnung. Nach dem Krieg wird er mit Deutschland nicht mehr warm. Schließlich stirbt er 1949 an einer Überdosis Schlafmittel (Suizid?).

Buch:

Eben Gustav Gründgens und seine künstlerische Nähe zum Regime Hitlers wird als Vorbild für die Hauptfigur Hendrik Höfgen in diesem Roman aus dem Jahre 1936 gesehen. Mit dem Verbot der Wiederveröffentlichung des Romans im Jahre 1971, da die Persönlichkeitsrechte des verstorbenen Gründgens höher eingestuft wurde als die künstlerische Freiheit Manns, verursachte das Buch einen veritablen Skandal in der alten Bundesrepublik. Der Roman gilt als eines der wichtigsten Werke Klaus Manns.

Hauptfiguren:

  • Hendrik (Heinz) Höfgen, Staatstheaterintendant
  • Bella Höfgen, seine Mutter
  • Josy, seine Schwester
  • Juliette Martens (Prinzessin Tebab), seine halbafrikanische Freundin in Hamburg
  • Cäsar von Muck, Staatsrat und Präsident der Dichterakademie, Freund des Diktators (=Hitler)
  • Oskar H. Kroge, Direktor der Kammerspielbühne in Frankfurt a.M., dann in Hamburg am H.K.
  • Dora Martin, jüdische Schauspielerin aus Berlin
  • Otto Ulrichs, Schauspieler im H.K., Kommunist
  • Hans Miklas, Schauspieler im H.K., Nazi
  • Nicoletta von Niebuhr, Gastschauspielerin im H.K.
  • Barbara Bruckner, ihre Freundin und Tochter des Geheimrates Bruckner, eines Freundes ihres verstorbenen Vaters
  • Theophil Marder, Autor des Stückes "Knorke"
  • Lotte Lindenthal, Schauspielerin und Freundin des Ministerpräsidenten

Inhalt und Rezeption:

Vorspiel 1936:

Zu Ehren des theaterverliebten Ministerpräsidenten (=Göring) findet in der Berliner Oper ein großer Empfang statt. Mann beschreibt mit triefender Ironie dieses Fest sowie die anwesenden Prominente und Profiteure des neuen Deutschlands ("...die geschwätzige Dame, die den lebhaften deutschen Kriegsvorbereitungen ihr wundervolles Collier, ihre langen Ohrgehänge, die Pariser Toilette und all ihren Glanz verdankte."). Auf der Tombola gibt es etwa unter anderem ein Maschinengewehr aus Lübecker Marzipan zu gewinnen. Genüsslich zeichnet Mann ein Treffen des Propagandaministers (=Goebbels) mit dem verhassten Ministerpräsidenten nach und beschreibt die Eifersucht ihrer jeweiligen Ehefrauen aufeinander. Der Ministerpräsident nennt Höfgen auf dieser Veranstaltung 'Mephisto'.

H.K. (Hamburger Kammertheater) und Die Tanzstunde:

Rückblick in das Jahr 1926. Der Frankfurter Theaterintendant Kroge ist an das Hamburger H.K. gewechselt. Dort tritt auch Höfgen als Regisseur und als Schauspieler auf, der zu dieser Zeit mit dem Kommunismus sympathisiert, ebenso wie sein Schauspielkollege Ulrichs, ohne dies aber wie dieser zu exponiert zu vertreten. Ein junger Mann im Theater, Hans Miklas, ist Anhänger der zu dieser Zeit noch nicht so weit verbreiteten Nationalsozialisten. In diesem Kapitel und damit an einem einzelnen Tag im Theater geht es um die Reflektion der politischen Gegebenheiten im Lande, dargestellt an den verschiedenen Personen im Theater. Und um die damaligen Selbstzweifel Höfgens an seinem Genie. Am nächsten Morgen sind Proben angesetzt und Höfgen leitet diese in despotischer und arroganter Art, am Nachmittag muss er schnell gehen, um sich mit Juliette in seinem Zimmer zu treffen. Der Leser erfährt über die Vorgeschichte Juliettes, die Hendrik als Tänzerin in einer schmuddeligen Kneipe in St. Pauli kennengelernt hat und für Tanzstunden verpflichtet hat, die ihm als Schauspieler helfen sollen. Sie wird quasi als seine Domina beschrieben.

Knorke, Barbara und Der Ehemann:

Es wird ein neues Stück des Autors Marder geprobt, der Nicoletta als Hauptdarstellerin  an der Seite von Höfgen haben will. Auch deren Freundin Barbara kommt zur Premiere. Die wird ein grandioser Erfolg und im Anschluss lädt der selbstverliebte Autor Höfgen, Nicoletta und Barbara zum Dinner ein. Dabei lernt Höfgen Barbara näher kennen und interessiert sich für sie, mehr als für den plötzlich eitlen und reaktionären Marder. Während noch das Stück aufgeführt wird, lernen sich die beiden besser kennen und verloben sich schließlich, Höfgen blickt dabei auch auf den gesellschaftliche Einfluss ihres Vaters. Am Tage vor der Hochzeit lernt er ihn erst kennen und fühlt sich zunächst etwas unwohl und schämt sich seiner kleinbürgerlichen Familie. Trotz der gesellschaftlichen Unterschiede wird geheiratet. Auf der Hochzeitsreise an einen idyllischen See treffen sie (Hendrik, Barbara und Nicoletta) wieder auf Theophil, der hier ein Haus besitzt und zu Hendrik verwundert bemerkt, dass er doch eine überaus schwierige und langweilige Frau geheiratet habe. Hendrik kann seinen ehelichen Pflichten nicht nachkommen, er braucht anscheinend die dominante Art von Juliette. Zurück in Hamburg finden sie nicht in ein geregeltes Eheleben, im Gegenteil Hendrik geht gleich wieder zu Juliette und dort klagt er über seine Ehefrau. Diese freundet sich wiederum mit einigen Mitgliedern des Theaterensembles an und hat einige politische Diskussionen mit dem jungen Miklas. Ein Streit hierüber und mit Miklas direkt führt dazu, dass Höfgen ihn entlassen lässt.

Es ist doch nicht zu schildern...:

Ausgerechnet Marder verschafft Höfgen ein Gastspiel in Wien, wo er an der Seite der berühmten in Berlin erfolgreichen Dora Martin eine 'mittlere' Rolle in einem Boulevard Stück spielen soll. Obwohl das Gastspiel nicht sehr erfolgreich verläuft veranlasst ausgerechnet Dora Martin, die über ihn sagt. "Er ist ganz gewissenlos, ein ganz schlechter Mensch", dass er ein schlecht dotiertes Angebot in Berlin erhält, aber er ist so süchtig nach Ruhm in der Hauptstadt, dass er es annimmt. Und er hat Erfolg. Bereits in seinem zweiten Stück wird er gefeiert, als Inkarnation des Bösen, erstmalig quasi als Mephisto. Er dreht einen ersten Film und innerhalb von 2 Jahren ist er der umschwärmte Star  in der Berliner Gesellschaft. Auch Juliette kommt nach Berlin und nutzt ihn nun vollends aus. Von Barbara entfremdet er sich zusehends und sein Schwiegervater meidet Berlin aufgrund der drohenden politischen Umwälzungen. Von denen will Hendrik nichts wissen, er konzentriert sich allein auf seinen Bühnenerfolg und bewegt sich mühelos in linken, rechten und jüdischen Zirkeln. 1932/33 spielt Höfgen dann erstmals wirklich die Rolle des Mephistopheles in Goethes Faust. Es ist ein überwältigender Erfolg. Nach er Premiere kommt Dora Martin in seine Garderobe, gratuliert ihm, sagt ihm eine erfolgreiche Zukunft und und verabschiedet sich nach Amerika, da sie als Jüdin in Deutschland nichts mehr zu suchen hat. Hendrik versteht das alles nicht. 

Der Pakt mit dem Teufel:

Hitler ("jener Mann mit der bellenden Stimme") kommt an die Macht, Henrik befindet sich zu dieser Zeit zu Dreharbeiten in Madrid. Er ist entsetzt, aber vor seiner selbst willen, hat er es sich in der Vergangenheit doch mit einigen Sympathisanten der Nazis verdorben. Aus Berlin erfährt er, dass er ebenso wie sein Schwiegervater auf einer schwarzen Liste steht, daher fährt er zunächst besorgt nach Paris, wo er unruhig und gelangweilt überlegt, was er tun soll. Da erfährt er, das Lotte Lindenthal ein gutes Wort für ihn eingelegt hat, so dass er als Nicht-Jude nach Berlin zurückkehren kann. Kurz vor seiner Abfahrt sieht er aber rein zufällig ausgerechnet seine Frau Barbara, die er monatelang nicht mehr  gesehen hatte und einige der alten Hamburger Kollegen wieder. Aber aus Angst, selbst gesehen zu werden, geht er schnell weiter. Schnell passt er sich in Berlin an, verleugnet seine bisherigen künstlerischen Weggefährten und schmeichelt der schlechten Schauspielerin Lindenthal besonders, da er ohne ihre Protektion verloren wäre, denn seine künstlerischen Feinde (von Muck) haben wichtige Positionen ergattert. Genau diese Protektion nutzt er durch seine Anbiederung, um wieder die Rolle des 
Mephisto zu bekommen. Ausgerechnet der ihn aus Hamburger Zeit hassende Altnazi Hans Miklas soll auch eine kleine Nebenrolle übernehmen. Sein Spiel ist aber Triumph, schon in der Pause bittet ihn der begeisterte Ministerpräsident in sein Loge, Hendrik begeistert ihn auch mit seinen Anekdoten, aber er denkt auch. "Jetzt habe ich mich verkauft...Jetzt bin ich gezeichnet!"

Über Leichen:

Und nun gehört er zum inneren Zirkel der neuen Macht, ein zartes schlechtes Gewissen bleibt, aber eigentlich suhlt Hendrik sich in seinem Glück. "Sie sind ja gar nicht so schlimm,..." denkt er für sich. Mann kehrt dann in der Beschreibung all der zu Macht gekommenen Nazis zu seinem wunderbaren Zynismus vom Anfang zurück. Im Theaterwesen verbleiben nur Speichellecker und schauspielernde Nazis, aber die gleichgeschaltete Presse bejubelt alle. Immerhin ist Hendriks Beziehung zum Ministerpräsidenten inzwischen so gut, dass er seinen alten Weggefährten Otto aus dem Gefängnis holt. Er heult mit den Wölfen, vielleicht ein wenig zu laut. Nun muss er Juliette loswerden. Da sie aber zunächst Widerstand leistet, lässt Hendrik sie verhaften, erst nach einigen Wochen Haft kann sie nach Paris ausreisen. Hans Miklas ist dagegen so desillusioniert von den Nazis, dass er unvorsichtig wird und schließlich aufgrund seines losen Mundwerks erschossen wird. 

In vielen Städten

1934 lässt Höfgen sich von Barbara scheiden, diese ist in der Pariser Emigration in den Widerstand eingetreten; ihrem Vater wird unreines Blut vorgeworfen, er wird ausgebürgert, aber er konnte rechtzeitig nach Südfrankreich auswandern. Ganz in der Nähe wohnt der ebenfalls emigrierte Theophil Marder zusammen mit Nicoletta, ersterer ebenfalls persona non grata in Deutschland, sie kehrt später zurück und spielt wieder mit Höfgen in Hamburg Theater. Auch über all die anderen Weggefährten, die überall verstreut leben, wird kurz berichtet. Dann wird Hendrik Nachfolger des Intendanten von Muck, nach heftiger Auseinandersetzung zwischen dem Propagandaminister und dem Ministerpräsidenten. Er "genoß es, sich bitten zu lassen von der blutbefleckten Macht."

Die Drohung

So devot Höfgen sich dem neuen Establishment gegenüber verhielt, er war nicht Parteimitglied und hatte doch einige Zweifel, was passiert, wenn dieser Spuk doch mal vorbeigehen sollte. dafür bauchte er "Rückversicherungen". Und so hatte er einen halbjüdischen Assistenten, was ihm auch in oppositionellen Kreisen durchaus angerechnet wurde. Otto Ulrichs nimmt wieder Kontakt zu den Widerstandsgruppen im Untergrund auf, was ebenso nicht ungefährlich für Höfgens Position ist, wie die Gerüchte, die ausgerechnet von Muck verbreitet, nämlich über seine Rassenschande, die er mit Juliette getrieben haben soll. Zum Schutz heiratet er Nicolette. Und der Ministerpräsident schickt ihn gar zur Audienz zum "Messias aller Germanen" (Hitler), um alle Gerüchte zu zerstreuen. Da Höfgen den passenden, unterwürfigen Eindruck macht, darf er im Amt bleiben, wird gar mit weiteren Titeln überhäuft. Aber etwas später wird Ulrichs doch verhaftet und gleich ermordet. Höfgen hatte sich zwar noch einmal für ihn eingesetzt, dabei aber beinahe den Bogen der Geduld des Ministerpräsidenten überspannt. Immerhin spendet er anonym für den Sarg seines alten, verleugneten Weggefährten. Nach der Premiere seines Hamlet gewinnt er aber wieder die Bewunderung zurück, auch wenn er selbst mit seiner Darstellung hadert. Höfgen ist am Ende zerrissen, am Abend der Premiere erhält er noch Besuch eines Freundes von Otto Ulrichs, de ihm indirekt droht, auch nach der Zeit der Nazis werde man Rolle dieser Zeit nicht vergessen. Er heult sich bei seiner Mutter aus, versteht diese Drohung nicht. "Ich bin doch nur ein ganz gewöhnlicher Schauspieler."

Lesespaßfaktor:

Das Vorspiel ist einfach großartig, es trieft vor Sarkasmus und ist wunderbar geschrieben. Danach beginnt rückbetrachtend die Geschichte Hendrik Höfgens, Klaus Mann beschreibt immer wieder ausführlich seine Charakterzüge, eitel, aber voller Selbstzweifel, dann wieder arrogant und von seinen Fähigkeiten überzeugt, immer wahrnehmend, was andere von ihm halten. Sein 'aasiges' Lächeln symbolisiert seine Unaufrichtigkeit, andererseits lässt er über sagen: "Seine Falschheit ist seine Echtheit." Genauso widersprüchlich sein Äußeres, mal wird er als schöner Mann tituliert, dann wieder als fahler, verfetteter Mann.

Die innere Zerrissenheit Höfgens zwischen dem äußerlichen Erfolg auf der Bühne  und den Selbstzweifels jenseits der Bühne ziehen sich durch den ganzen Roman. Der schlechte Charakter von Höfgen wird zusehends im Roman deutlicher, ganz besonders, als er seine Frau nach der Machtergreifung der Nazis in Paris sieht, sie aber nicht einmal mehr anspricht, um nicht Gefahr zu laufen, seine Rückkehr auf die Bühnen nach Berlin zu gefährden. Er dreht sein Fähnchen immer nach dem Winde. Für seinen Erfolg lässt er sich auch mit dem Teufel ein, hier in Form des Ministerpräsidenten (=Hermann Göring).
Die subtile Beschreibung der Anfangszeit der nationalsozialistische Regierung gegen Ende des Romans ist ebenso unwiderstehlich wie das Vorspiel. Ein ganz großer Roman, auch heute noch brandaktuell.

Mittwoch, 20. März 2024

Colson Whitehead - Underground Railroad

 


Autor:

Whitehead ist ein afro-amerikanischer Schriftsteller, der 1969 geboren wurde. Nach seinem Studium in Harvard hat er an zahlreichen renommierten Bildungseinrichtungen in den USA doziert. Er hat bislang 6sechs Romane veröffentlicht, von denen zwei den Pulitzer Preis erhielten, was überhaupt erst drei Autoren gelungen ist. 

Buch:

Dieser Roman wurde 2016 veröffentlicht und erhielt zahlreiche Preise, darunter den Pulitzer Preis für Fiktion. Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch durch eine Empfehlungsliste in einer Tageszeitung.

Hauptfiguren:
  • Cora alias Bessie Carpenter, eine entflohene Sklavin
  • Ajarry, ihre Großmutter
  • Mabel, ihre Mutter
  • Lovey, eine Freundin in jungen Jahren
  • Caesar, alias Christian Markson, Feldarbeiter auf der Plantage und Initiator der Flucht
  • James und Terrance Randall, Söhne des Sklavenbesitzers
  • Arnold Ridgeway, Sklavenfänger
  • Mr. Fletcher, ein weißer Farmer und Abolitionist
  • Sam, Stationsvorsteher der Underground Railway in South Carolina
  • Martin, Stationsvorsteher der Underground Railway in North Carolina
  • Ethel, seine Frau
  • Royal, ein Freund und Retter Coras, Mitarbeiter bei der Railroad
Inhalt und Rezeption:

Die Geschichte beginnt mit der Verschleppung von Coras Großmutter als Sklavin nach Amerika, wo sie unter fürchterlichen Bedingungen auf verschiedenen Plantagen (Zucker, Tabak, Baumwolle) arbeiten muss. Von vier Männer bekam sie fünf Kinder, von denen nur Coras Mutter überlebte. Als Cora 11 Jahre alt ist, verschwindet die Mutter. Sie hat ein winziges Stück Land von ihrer Mutter geerbt, das man ihr aber sofort streitig macht. Als sie etwas älter ist, wird sie von anderen Sklaven vergewaltigt. Während einer Geburtstagsfeier des ältesten Sklaven wird Cora von Caesar angesprochen, der mit ihr zusammen abhauen will. Es wird dem Leser aber nicht deutlich, warum er sie dafür ausgewählt hat, denn sie hatten bis dahin keinen wirklichen Kontakt. Der einzige Hinweis ist, dass eben auch Coras Mutter verschwunden ist und nicht wieder aufgegriffen wurde. Zunächst sagt sie nein, aber nachdem sie dann schwer verprügelt wurde, weil sie auf der Feier einem Jungen, der ebenfalls den Unmut der Herren auf sich gezogen hatte, zur Hilfe eilte, ändert sie ihre Meinung.

Der Leser erfährt kurz etwas über das Schicksal von Caesar, der erst im Norden lebte, dort sogar lesen lernte und eigentlich aus der Sklaverei entlassen werden sollte, dann aber doch in den Süden verkauft wurde. Er lernt Mr. Fletcher kennen, einen Abolitionisten (Gegner der Sklaverei), der ihnen bei der Flucht helfen will und den Zugang zur Underground Railway (System zur Unterstützung entflohener Sklaven auf ihrer Flucht) verschaffen will. Der Tag der Flucht rückt näher. Überraschenderweise schließt sich Lovey den beiden an, sie wandern durch die Sümpfe in Richtung Norden zum Treffpunkt mit Mr. Fletcher. Unterwegs warten aber schon die Sklavenjäger, nur Caesar und Cora können sich behaupten -allerdings erschlägt Cora dabei einen erst 12-jährigen Jäger- und fliehen zusammen weiter. Schließlich erreichen sie Mr. Fletchers Farm, der sie per Auto weiterbringt zur Underground Railway, mit der sie dann nach South Carolina fahren.

Vorgestellt wird im nächsten Kapitel der Sklavenjäger Arnold Ridgeway, der von Coras und Caesars Eigentümer beauftragt wird, sie wieder einzufangen.

Cora und Caesar bekommen neue Identitäten und leben -als formell vom Staat gekaufte ehemalige Sklaven zunächst in einer größeren Stadt in South Carolina, Cora als Hausangestellte der Andersons, Caesar als Fabrikarbeiter. Nur ganz langsam können sie ihr furchtbares Leben auf der Plantage hinter sich lassen. Cora bekommt eine Anstellung im Museum der Naturwunder, als Darstellerin afrikanischer Bräuche -quasi ein lebendiges Ausstellungsstück! Von staatlich finanzierten Ärzten wird Cora untersucht, ihr wird eine Sterilisation ans Herz gelegt. Der amerikanische Staat versuchte damals, hierdurch die hohen Geburtenraten der schwarzen Bevölkerung in den Griff zu bekommen! Auch wieder das Motiv der Demütigung und der Illusion von Freiheit. Eines Tages ruft Sam sie zu sich, um von diesen und anderen medizinischen Experimenten an Schwarzen zu berichten und ein paar Tage später auch vom Sklavenjäger Ridgeway zu berichten, der nach ihnen suchen würde. Cora kann gerade noch in den unterirdischen Bahnhof unter Sams Haus fliehen, bevor dieses in Flammen aufgeht. Sie ist tagelang quasi eingesperrt, bevor endlich doch ein Zug kommt und sie mitnimmt. Caesar ist verschwunden.

Aussteigen kann sie an einem eigentlich still gelegten Bahnhof in North Carolina, wo der Stationsvorsteher Martin sie zunächst mit in sein Haus nimmt und dort auf dem Spitzboden versteckt hält. Aufgrund der schwierigen Verhältnisse in South Carolina und der Angst ihrer "Gastgeber" muss sie monatelang dort ausharren, nur mit der aller notdürftigsten Versorgung. Ist das wirklich besser als ein Leben als Sklavin? Schließlich wird sie bei einer der vielen Durchsuchungen des Hauses entdeckt, das Hausmädchen hatte Verdacht geschöpft und die Behörden informiert. Ridgeway ist auch schon da und nimmt sie mit. Ihre Helfer Martin und Ethel werden vom Mob gesteinigt. 

Auf der Fahrt in Richtung Georgia durchqueren sie das durch einen verheerenden Brand verwüstete Tennessee. Ridgeway erzählt Cora schließlich, dass auch Caesar es nicht geschafft hatte und schon vor längerer Zeit den Tod gefunden hatte. Dann erscheinen plötzlich drei bewaffnete Farbige -einer heißt Royal und ist schon länger in der Anti-Sklaverei Bewegung tätig und bei der Railroad aktiv-und befreien Cora aus Ridgeways Klauen. 

Schnitt: Cora ist auf der Valentin Farm in Indiana untergekommen. Hier ergeht es den Schwarzen viel besser, sie müssen/können zwar arbeiten, sind aber frei. Royal nimmt Cora eines Tages mit zu einer verlassenen Station der Underground Railroad, dabei erinnert sich Cora an ihre Rettung in Tennessee und wie sie nach Indiana gekommen war. Als aber auf der Farm eine große Versammlung abgehalten wird, überfallen Weiße, denen auch in Indiana eine erfolgreiche schwarze Farm unheimlich ist, die Versammelten und töten zahlreiche Bewohner, darunter auch Royal. Merke, auch wenn Schwarze vermeintlich frei leben dürfen, leben sie praktisch aber doch noch wie Sklaven. Zu den marodierenden Weißen gehört auch Ridgeway, der Cora also erneut einfangen kann, auch wenn ihr Sklavenhalter in Georgia längst verstorben ist.

Aufgeklärt wird auch noch das Schicksal von Coras Mutter. Tatsächlich ist sie eines Nachts entflohen, wollte aber nach wenigen Stunden wieder zurück zu ihrer Tochter, wurde dann aber von einer giftigen Schlange gebissen und starb daran, im Sumpf versinkend. Schließlich kann Cora Ridgeway erneut entkommen, bei dem Gerangel kommt er ums Leben. Durch den Tunnel der stillgelegten Underground Railway Station, die Royal ihr gezeigt hatte, flieht sie per Draisine und zu Fuß und trifft schließlich ein Schwarzen auf einem Kutschbock, der mitnimmt in Richtung Norden. Ende der wunderbaren Geschichte, die eigentlich nicht zu Ende ist und irgendwie auch immer so weiter gehen könnte.

Lesespaßfaktor:

Das brutale Leben in der Sklaverei wird hier aus Sicht der jungen Cora erzählt. Die Sklaven sind -keine neue Erkenntnis- immerwährender Demütigung und Gewalt ausgesetzt. Der Sklave ist ein Vermögenswert, atmendes Kapital, fleischgewordener Profit, wie Whitehead es ausdrückt. Was die Erzählung aber sehr lesenswert macht, sind die häufigen Wechsel der Zeiten. Ohne Vorwarnung wird dann etwa von der Flucht der Mutter Coras erzählt, eingebettet in die Geschichte von Cora selbst. Das erfordert volle Konzentration, bringt aber in der Summe auch gutes Verständnis für die Periode der Sklaverei, die mehrere Generationen umfasste. 

Die Underground Railroad ist eine Fiktion, die der Geschichte einen guten Rahmen gibt. Ein tolles Buch, das einen enormen Lese-Sog entfaltet und dessen herausragende Qualität ich hier als eine Sammlung von Zitaten vorstellen möchte.
"In ihrer Erschütterung entfärbte sich die Welt für sie zu grauen Eindrücken."

"Es gab eine Ordnung von Elend, ein in anderem Elend steckendes Elend, ..."

"Die Welt hatte einem nichts mehr zu bieten als die neuesten Varianten von Grausamkeit." 

"Der weiße Südstaatler entsprang den Lenden des Teufels, und welche Übeltat er als nächstes begehen würde, war nicht vorherzusagen. 

"Methodisten und ihre Albernheiten hatten am Busen von König Baumwolle nichts zu suchen." 

"Hier lag der wahre große Geist, der göttliche Strang, der alles menschliche Streben miteinander verband -wenn du es halten kannst, gehört es dir. Dein Eigentum, ob Sklave oder Kontinent. Der amerikanische Imperativ." 

"Geraubte Körper bearbeiten geraubtes Land." 

Im Tod wurde der Neger zu einem Menschen. Erst da war er dem Weißen gleichberechtigt." 

"Alle Menschen sind gleich, es sei denn, wir entscheiden, dass du kein Mensch bist."

"Manchmal ist eine nützliche Illusion besser als eine nutzlose Wahrheit." 

 

Samstag, 9. März 2024

Franz Kafka - Der Proceß

 

Autor:

Franz Kafka wurde 1883 in Prag als Sohn jüdischer Eltern geboren. In der Stadt blieb er fast sein ganzes Leben. Nach seiner Promotion als Jurist 1906 begann er ein Jahr später in der Prager Filiale einer italienischen Versicherungsgesellschaft zu arbeiten und wechselte wiederum ein Jahr später in die Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt, wo er bis zur vorzeitigen Pensionierung 1922 arbeitete. Er starb sehr jung an der Folgen einer Tuberkulose 1924. Viele seiner Werke wurden erst posthum durch seinen Freund Max Brod veröffentlicht, übrigens gegen seinen Willen. Daher sind auch viele Texte unvollendet. Seine Art der Schilderung von unergründlich bedrohlichen und absurden Situationen hat zur Bildung des auch im außerliterarischen Kontext verwendeten Adjektivs „kafkaesk“ geführt. Insbesondere seine schwierige Beziehung zum Vater hat Kafka in seinen Werken immer wieder thematisiert.

Buch:

Der Anlass für die Lektüre ist die gestrige Lesung des deutschen Schriftstellers Rüdiger Safranski, der eine neue Biografie über Kafka verfasst hat anlässlich seines 100. Todestages. Dieses Buch ist einer der drei unvollendeten Romane Kafkas und wurde 1914/15 geschrieben. Kurz vor Schreibbeginn war Kafkas Verlobung unter Anwesenheit der Familie seiner Verlobten aufgelöst worden, ein Ereignis, das er als Gerichtshof empfang. Und mit Attentat von Sarajevo begann der erste Weltkrieg. Das Buch wurde nicht in einer bestimmten Reihenfolge geschrieben und aufgrund einer Schreibblockade (nur bezogen auf dieses Werk) nicht vollendet.

Hauptfiguren:
  • Josef K., Prokurist in einer Bank
  • Elsa, seine Verlobte
  • Frau Grubach, seine Vermieterin
  • Fräulein Bürstner, seine Zimmernachbarin
  • Albert, sein Onkel
  • Leni, Pflegerin des Anwaltfreundes seines Onkels
  • Dr. Huld, Armenanwalt und Freund von Albert
  • Titorelli , Gerichtsmaler

Inhalt und Rezeption:

Für ihn völlig unvermittelt und grundlos wird Josef K. an seinem 30. Geburtstag in seinem Zimmer in der Wohnung von Frau Grubach durch zwei Beamte (Franz und Willem) verhaftet. Dabei muss er erst noch einige Zeit in seinem eigenen Zimmer warten, während die beiden Aufseher im Nebenzimmer warten, bis der Aufseher ihn rufen lässt. Konkretes erfährt er nicht, aber Andeutungen, seine Schuld wiege doch schwer. Irritierenderweise darf er danach in seine Bank zur Arbeit gehen, in Begleitung dreier junger Männer, die alle Beamte seiner Bank sind. Abends entschuldigt sich er (warum eigentlich?) sowohl bei Frau Grubach als bei Fräulein Bürstner. 

Für den Sonntag danach wird K. in eine Wohnung in einem Mietshaus zur Vernehmung bestellt, aber so wie man ihm nicht den Grund für die Verhaftung nannte, nennt man ihm weder den genauen Ort der Vernehmung noch die Uhrzeit, sondern nur die Adresse. Am Haus angekommen, irrt er umher und als er schließlich den Ort findet, heißt es lapidar, er sein zu spät. Und warum die Verhandlung dort öffentlich ist und viele Leute anwesend sind, das bleibt verborgen. Aber als der Untersuchungsrichter K. mit einem anderen Namen anspricht, meint man, dass K. hier wohl fälschlicherweise als Angeklagter steht. K. redet sich etwas um Kopf und Kragen und klagt die Obrigkeit im allgemeinen an.

Am nächsten Sonntag geht er wieder dort hin, ohne dass er aber einbestellt wurde. Er unterhält sich eine Weile mit der Frau des Gerichtsdieners, schließlich kommt dieser aber heim und geht mit K. eine Etage höher, wo sich ein seltsames Bürolabyrinth befindet, das die Kanzleien genannt wird. Hier fühlt er sich seltsam benommen, was aber wieder verschwindet, sobald er diesen seltsamen Ort verlassen hat. Alles ist seltsam beklemmend.

Einige Tage später hört K. in seiner Bank Seufzer aus einer Rumpelkammer dringen. Als er neugierig die Tür öffnet entdeckt er die beiden Diener Franz und Willem, die dort verprügelt werden sollen, weil er sich beim Untersuchungsrichter über sie beschwert habe. Er hat Mitleid und will das mittels Bestechung des Prüglers verhindern, was aber nicht funktioniert.

K.'s Onkel Albert kommt zu ihm in die Bank, da er von dem Proceß gehört hat und sich nun Sorgen um ihn macht (auch um den Ruf der Familie). Deshalb zerrt er K. zu einem alten Freund, der Armenanwalt ist. Dort hält sich auch noch ein Kanzleidirektor auf sowie die Pflegerin des Anwalts (Lena), die K. näher kennenlernen will und mit ihm anbändelt. Warum sie auch schon von dem Proceß weiß, bleibt unklar.  Jedenfalls rät sie K., künftig weniger unnachgiebig zu sein, um seine Aussichten in dem Proceß zu verbessern. Er solle einfach ein Geständnis ablegen, weil man sich gegen das Gericht nicht wehren könne. Sein Onkel ist entrüstet, dass K. einfach mit Lena für ein paar Stunden verschwunden ist, statt sich mit dem Anwalt zu unterhalten.

K. hat noch mehrere Besprechungen mit Dr. Huld, der in indirekter Rede in extensio (=langatmig) die positive Rolle eines Anwalts beschreibt. In der Bank besucht ihn ein Fabrikant (=Kunde), der ihm vom Gerichtsmaler Titorelli berichtet, der ihm vielleicht bei seinem Proceß helfen kann. K. sucht ihn in seinem schäbigen Atelier auf. Titorelli teilt ihm als Vertrauter des Gerichtes mit, dass das Gericht noch niemals einen Angeklagten als unschuldig angesehen hat, daher auch eine wirkliche Freisprechung unmöglich ist. Mit seiner Hilfe möglich sei allerdings die scheinbare (zeitweise) Freisprechung durch die untersten Richter oder die Verschleppung, d.h. das kontinuierliche Bearbeiten (Bestechung?) der untersten Richter, so dass der Proceß dauernd verschoben wird.

Da sein Proceß nicht vorangeht beschließt K. seinen Anwalt zu feuern. Er geht also wieder zu Dr. Huld, um ihm seine Entscheidung mitzuteilen. Dort trifft er auf den Kaufmann Block, von dem er einiges über dessen eigenen Proceß erfährt, vor allem, dass er schon sehr lange dauere, dass er weitere Winkeladvokaten engagiert habe, aber ohne irgendeinen Nutzen und dass man eigentlich nichts tun kann, um seinen Proceß zu beschleunigen. Huld versucht aber K. von seinem Nutzen zu überzeugen und holt Block zu dem Gespräch, der sich nach den vielen Jahren seines Processes sehr demütig verhält, was seine Abhängigkeit unterstreichen soll. Das Kapitel endet mitten in dem Gespräch.

Von seinen Vorgesetzten in der Bank ist K. beauftragt worden, einem italienischen Kunden den lokalen Dom zu zeigen. Im Vorgespräch beim Direktor der Bank wird ein Treffen für 10 Uhr im Dom vereinbart, K. kommt aber warum auch immer erst um 11 Uhr dort an, meint pünktlich zu sein, trifft aber den Kunden nicht an. Statt dessen trifft er dort auf einen Geistlichen, der gleichzeitig Gefängniskaplan ist und der behauptet, ihn in die Kirche bestellt zu haben. Er teilt K. mit, sein Proceß stünde schlecht und erzählt ihm ein Gleichnis über einen Mann vom Lande, der in das Gericht (=Himmel?) eingelassen werden will, aber von einem Türsteher daran gehindert wird. Der Geistliche und K. interpretieren die Geschichte anschließend sehr unterschiedlich.

Und schließlich wird K. von zu Hause abgeholt, in eine Kiesgrube geführt und dort brutal mit einem Fleischermesser erstochen. Seine letzten Gedanken: "Wo war der Richter den er nie gesehen hatte? Wo war das hohe Gericht bis zu dem er nie gekommen war?"

Das Werk blieb wie erwähnt unvollendet, die einzelnen Kapitel wurden separat geschrieben und dann erst zusammengesetzt. Es gibt noch einige Fragmente weiterer Kapitel, die ich hier aber nicht weiter zusammenfassen will, der Roman wäre im Idealfall noch etwas umfassender gewesen und vielleicht wären die harten Übergänge zwischen vielen Kapiteln durch die unvollendeten weiteren Kapitel etwas besser zu verstehen gewesen.

Lesespaßfaktor:

Der Leser wird sofort in die Geschichte hineingezogen und vermutet auch bald staatliche Willkür bei der Verhaftung des Protagonisten. Es stellt sich Unbehagen ein, weil man zum einen nicht so genau weiß, was K. eigentlich passiert und weil K. durch sein Verhalten alles nur schlimmer macht. Diese Gefühle des Unbehagens beim Leser zu erzeugen, das ist schon große literarische Kunst. 

Alle Figuren scheinen immer schon von der Anklage gegen K. zu wissen, Kafka lässt es aber im Unklaren, woher und warum. Aber was ist der Grund für diesen Proceß? Welche vermeintliche Schuld hat K. auf sich geladen? Ist das vielleicht religiös zu sehen? 

Die Sprache ist sachlich nüchtern, so gar nicht emotional. Im Mittelteil des Buches, bei den langen Beschreibungen der Funktion des Anwalts durch Huld wird es etwas langweilig. 

Zunehmend wird auch deutlich, wie mächtig das Justizwesen ist, sowohl auf der Anklageseite als auch auf Seiten der Verteidigung; K. wird quasi vollständig davon absorbiert. Und kurz vor der Ermordung K. bringt die Parabel 'Vor dem Gesetz', die der Geistliche erzählt, erneut religiösen Interpretationsspielraum.

Das Werk ist etwas wie frühere Schullektüre. Es bietet zahlreiche Auslegungsansätze und die Fragen im Deutschunterricht schweben einem vor Augen. Aber es entfaltet dennoch einen gewissen Lese-Sog und ich verstehe, warum die Werke Kafkas auch heute noch zur Weltliteratur zählen.

Donnerstag, 29. Februar 2024

Primo Levi - Das periodische System

 

Autor:

Primo Levi ist eine jüdisch-italienischer Schriftsteller und Chemiker mit entsprechendem Universitätsabschluss, der den Holocaust in Auschwitz überlebt hat. Geboren wurde er 1919, gestorben ist er 1987, jeweils in Turin. Kurz vor dem 2. Weltkrieg war er Teil einer antifaschistischen Partisanengruppe, er wurde in dieser Rolle 1943 verhaftet. Er wurde vor die Wahl gestellt, als Partisan sofort erschossen zu werden oder aber als Jude inhaftiert zu werden, für letzteres entschied er sich und wurde dann zunächst in ein KZ in Italien gebracht, bevor er nach Auschwitz deportiert wurde. Nach seiner Befreiung 1945 kehrte er im Oktober desselben Jahres nach Italien zurück und begann direkt, seine Erfahrungen aufzuschreiben. Das erste dieser beiden Werke erschien bereits 1947, das zweite folgte 1963. Beruflich war Levi als Chemiker tätig und hat nur nebenbei geschrieben. Er starb durch einen Sturz in den Treppenschacht des Hauses, in dem er wohnte, die Umstände sind nicht ganz geklärt (Selbstmord oder medikamentenbedingter Unfall).

Sonntag, 28. Januar 2024

Jakob Wassermann - Romantrilogie: Der Fall Maurizius: Geschichte eines Justizirrtums und Familienkonflikte + Etzel Andergast + Joseph Kerkhovens dritte Existenz

 


Autor:

Jakob Wassermann wurde 1873 im fränkischen Fürth in eine jüdische Familie geboren. Eine Lehre als Kaufmann im elterlichen Betrieb brach er früh ab, weil er schreiben wollte. Nach einigen Jahren des Umherwanderns traf er in München auf einen Verleger, der ihm eine Anstellung bei der Zeitschrift 'Simplicissimus' verschaffte. Dort veröffentlichte er auch 1896 seinen ersten Roman und danach zahlreiche weitere Werke. Zusätzlich schrieb er für das Feuilleton der F.A.Z. In München freundete er sich mit Thomas Mann und Rainer Maria Rilke an. Wie bei so vielen Autoren dauerte es aber lange, bis seine Werke Anerkennung fanden. Erst 1915 hatte ein Roman eine höhere Auflage. Er schrieb ähnlich wie Stefan Zweig Bücher mit stark psychologischen Komponenten, konnte aber bei weitem nicht an den Erfolg Zweigs heranreichen. Dennoch zählte er vor dem zweiten Weltkrieg zu den meist gelesenen deutschen Autoren. 1933 wurden die Werke Wassermanns verboten und verbrannt, er war finanziell ruiniert und starb bereits 1934 in Altaussee in Österreich, wo er zuletzt mit seiner zweiten Frau lebte. 


Mittwoch, 20. Dezember 2023

Jon Fosse - Melancholie

 

Autor:

Jon Olav Fosse wurde 1959 in einer kleinen norwegischen Küstenstadt in eine Quäkerfamilie hinein geboren. Nach Abitur und Studium der Literaturwissenschaften, Psychologie und Soziologie begann er zunächst nebenberuflich mit dem Schreiben. Stark beeinflusst war seine Berufswahl von einem Unfallerlebnis als Kind, wobei nach einer schweren Schnittverletzung ein Nahtoderlebnis hatte, das ihn stark geprägt hatte. Fosse hat bisher vor allem als Dramatiker Erfolg, viele seiner Stücke finden sich auf Theaterbühnen wieder. In seinen Texten spielt Glaube und Religion oft eine wichtige Rolle, er selbst war zunächst ebenfalls Quäker, bevor dann zum Katholizismus konvertierte. Stilistisch werden seine Werke dem Postmodernismus zugerechnet. In diesem Jahr erhielt Fosse den Literatur Nobelpreis.

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Matt Haig - Die Mitternachtsbibliothek

 

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Der Brite Haig wurde 1975 geboren und hat Englisch sowie Geschichte studiert. Bevor er ein Bestsellerautor wurde hat er auf Ibiza einen Club gemanaged, dort einen psychischen Zusammenbruch erlitten, der ihn anschließend verstärkt zum Schreiben veranlasst hat. Er schreibt neben fiktionalen Werken auch Sachbücher und arbeitet als Journalist. Viele seine Bücher, die Erwachsenen- und Jugendbücher umfassen, beschäftigen sich mit Phantastik. Seine ersten beiden Romane Anfang der 00 Jahre sind Neuerzählungen von Werken Shakespeares. Das bisher erfolgreichste Werk ' The Humans' erschien 2013