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Mittwoch, 20. März 2024

Colson Whitehead - Underground Railroad

 


Autor:

Whitehead ist ein afro-amerikanischer Schriftsteller, der 1969 geboren wurde. Nach seinem Studium in Harvard hat er an zahlreichen renommierten Bildungseinrichtungen in den USA doziert. Er hat bislang 6sechs Romane veröffentlicht, von denen zwei den Pulitzer Preis erhielten, was überhaupt erst drei Autoren gelungen ist. 

Buch:

Dieser Roman wurde 2016 veröffentlicht und erhielt zahlreiche Preise, darunter den Pulitzer Preis für Fiktion. Aufmerksam geworden bin ich auf das Buch durch eine Empfehlungsliste in einer Tageszeitung.

Hauptfiguren:
  • Cora alias Bessie Carpenter, eine entflohene Sklavin
  • Ajarry, ihre Großmutter
  • Mabel, ihre Mutter
  • Lovey, eine Freundin in jungen Jahren
  • Caesar, alias Christian Markson, Feldarbeiter auf der Plantage und Initiator der Flucht
  • James und Terrance Randall, Söhne des Sklavenbesitzers
  • Arnold Ridgeway, Sklavenfänger
  • Mr. Fletcher, ein weißer Farmer und Abolitionist
  • Sam, Stationsvorsteher der Underground Railway in South Carolina
  • Martin, Stationsvorsteher der Underground Railway in North Carolina
  • Ethel, seine Frau
  • Royal, ein Freund und Retter Coras, Mitarbeiter bei der Railroad
Inhalt und Rezeption:

Die Geschichte beginnt mit der Verschleppung von Coras Großmutter als Sklavin nach Amerika, wo sie unter fürchterlichen Bedingungen auf verschiedenen Plantagen (Zucker, Tabak, Baumwolle) arbeiten muss. Von vier Männer bekam sie fünf Kinder, von denen nur Coras Mutter überlebte. Als Cora 11 Jahre alt ist, verschwindet die Mutter. Sie hat ein winziges Stück Land von ihrer Mutter geerbt, das man ihr aber sofort streitig macht. Als sie etwas älter ist, wird sie von anderen Sklaven vergewaltigt. Während einer Geburtstagsfeier des ältesten Sklaven wird Cora von Caesar angesprochen, der mit ihr zusammen abhauen will. Es wird dem Leser aber nicht deutlich, warum er sie dafür ausgewählt hat, denn sie hatten bis dahin keinen wirklichen Kontakt. Der einzige Hinweis ist, dass eben auch Coras Mutter verschwunden ist und nicht wieder aufgegriffen wurde. Zunächst sagt sie nein, aber nachdem sie dann schwer verprügelt wurde, weil sie auf der Feier einem Jungen, der ebenfalls den Unmut der Herren auf sich gezogen hatte, zur Hilfe eilte, ändert sie ihre Meinung.

Der Leser erfährt kurz etwas über das Schicksal von Caesar, der erst im Norden lebte, dort sogar lesen lernte und eigentlich aus der Sklaverei entlassen werden sollte, dann aber doch in den Süden verkauft wurde. Er lernt Mr. Fletcher kennen, einen Abolitionisten (Gegner der Sklaverei), der ihnen bei der Flucht helfen will und den Zugang zur Underground Railway (System zur Unterstützung entflohener Sklaven auf ihrer Flucht) verschaffen will. Der Tag der Flucht rückt näher. Überraschenderweise schließt sich Lovey den beiden an, sie wandern durch die Sümpfe in Richtung Norden zum Treffpunkt mit Mr. Fletcher. Unterwegs warten aber schon die Sklavenjäger, nur Caesar und Cora können sich behaupten -allerdings erschlägt Cora dabei einen erst 12-jährigen Jäger- und fliehen zusammen weiter. Schließlich erreichen sie Mr. Fletchers Farm, der sie per Auto weiterbringt zur Underground Railway, mit der sie dann nach South Carolina fahren.

Vorgestellt wird im nächsten Kapitel der Sklavenjäger Arnold Ridgeway, der von Coras und Caesars Eigentümer beauftragt wird, sie wieder einzufangen.

Cora und Caesar bekommen neue Identitäten und leben -als formell vom Staat gekaufte ehemalige Sklaven zunächst in einer größeren Stadt in South Carolina, Cora als Hausangestellte der Andersons, Caesar als Fabrikarbeiter. Nur ganz langsam können sie ihr furchtbares Leben auf der Plantage hinter sich lassen. Cora bekommt eine Anstellung im Museum der Naturwunder, als Darstellerin afrikanischer Bräuche -quasi ein lebendiges Ausstellungsstück! Von staatlich finanzierten Ärzten wird Cora untersucht, ihr wird eine Sterilisation ans Herz gelegt. Der amerikanische Staat versuchte damals, hierdurch die hohen Geburtenraten der schwarzen Bevölkerung in den Griff zu bekommen! Auch wieder das Motiv der Demütigung und der Illusion von Freiheit. Eines Tages ruft Sam sie zu sich, um von diesen und anderen medizinischen Experimenten an Schwarzen zu berichten und ein paar Tage später auch vom Sklavenjäger Ridgeway zu berichten, der nach ihnen suchen würde. Cora kann gerade noch in den unterirdischen Bahnhof unter Sams Haus fliehen, bevor dieses in Flammen aufgeht. Sie ist tagelang quasi eingesperrt, bevor endlich doch ein Zug kommt und sie mitnimmt. Caesar ist verschwunden.

Aussteigen kann sie an einem eigentlich still gelegten Bahnhof in North Carolina, wo der Stationsvorsteher Martin sie zunächst mit in sein Haus nimmt und dort auf dem Spitzboden versteckt hält. Aufgrund der schwierigen Verhältnisse in South Carolina und der Angst ihrer "Gastgeber" muss sie monatelang dort ausharren, nur mit der aller notdürftigsten Versorgung. Ist das wirklich besser als ein Leben als Sklavin? Schließlich wird sie bei einer der vielen Durchsuchungen des Hauses entdeckt, das Hausmädchen hatte Verdacht geschöpft und die Behörden informiert. Ridgeway ist auch schon da und nimmt sie mit. Ihre Helfer Martin und Ethel werden vom Mob gesteinigt. 

Auf der Fahrt in Richtung Georgia durchqueren sie das durch einen verheerenden Brand verwüstete Tennessee. Ridgeway erzählt Cora schließlich, dass auch Caesar es nicht geschafft hatte und schon vor längerer Zeit den Tod gefunden hatte. Dann erscheinen plötzlich drei bewaffnete Farbige -einer heißt Royal und ist schon länger in der Anti-Sklaverei Bewegung tätig und bei der Railroad aktiv-und befreien Cora aus Ridgeways Klauen. 

Schnitt: Cora ist auf der Valentin Farm in Indiana untergekommen. Hier ergeht es den Schwarzen viel besser, sie müssen/können zwar arbeiten, sind aber frei. Royal nimmt Cora eines Tages mit zu einer verlassenen Station der Underground Railroad, dabei erinnert sich Cora an ihre Rettung in Tennessee und wie sie nach Indiana gekommen war. Als aber auf der Farm eine große Versammlung abgehalten wird, überfallen Weiße, denen auch in Indiana eine erfolgreiche schwarze Farm unheimlich ist, die Versammelten und töten zahlreiche Bewohner, darunter auch Royal. Merke, auch wenn Schwarze vermeintlich frei leben dürfen, leben sie praktisch aber doch noch wie Sklaven. Zu den marodierenden Weißen gehört auch Ridgeway, der Cora also erneut einfangen kann, auch wenn ihr Sklavenhalter in Georgia längst verstorben ist.

Aufgeklärt wird auch noch das Schicksal von Coras Mutter. Tatsächlich ist sie eines Nachts entflohen, wollte aber nach wenigen Stunden wieder zurück zu ihrer Tochter, wurde dann aber von einer giftigen Schlange gebissen und starb daran, im Sumpf versinkend. Schließlich kann Cora Ridgeway erneut entkommen, bei dem Gerangel kommt er ums Leben. Durch den Tunnel der stillgelegten Underground Railway Station, die Royal ihr gezeigt hatte, flieht sie per Draisine und zu Fuß und trifft schließlich ein Schwarzen auf einem Kutschbock, der mitnimmt in Richtung Norden. Ende der wunderbaren Geschichte, die eigentlich nicht zu Ende ist und irgendwie auch immer so weiter gehen könnte.

Lesespaßfaktor:

Das brutale Leben in der Sklaverei wird hier aus Sicht der jungen Cora erzählt. Die Sklaven sind -keine neue Erkenntnis- immerwährender Demütigung und Gewalt ausgesetzt. Der Sklave ist ein Vermögenswert, atmendes Kapital, fleischgewordener Profit, wie Whitehead es ausdrückt. Was die Erzählung aber sehr lesenswert macht, sind die häufigen Wechsel der Zeiten. Ohne Vorwarnung wird dann etwa von der Flucht der Mutter Coras erzählt, eingebettet in die Geschichte von Cora selbst. Das erfordert volle Konzentration, bringt aber in der Summe auch gutes Verständnis für die Periode der Sklaverei, die mehrere Generationen umfasste. 

Die Underground Railroad ist eine Fiktion, die der Geschichte einen guten Rahmen gibt. Ein tolles Buch, das einen enormen Lese-Sog entfaltet und dessen herausragende Qualität ich hier als eine Sammlung von Zitaten vorstellen möchte.
"In ihrer Erschütterung entfärbte sich die Welt für sie zu grauen Eindrücken."

"Es gab eine Ordnung von Elend, ein in anderem Elend steckendes Elend, ..."

"Die Welt hatte einem nichts mehr zu bieten als die neuesten Varianten von Grausamkeit." 

"Der weiße Südstaatler entsprang den Lenden des Teufels, und welche Übeltat er als nächstes begehen würde, war nicht vorherzusagen. 

"Methodisten und ihre Albernheiten hatten am Busen von König Baumwolle nichts zu suchen." 

"Hier lag der wahre große Geist, der göttliche Strang, der alles menschliche Streben miteinander verband -wenn du es halten kannst, gehört es dir. Dein Eigentum, ob Sklave oder Kontinent. Der amerikanische Imperativ." 

"Geraubte Körper bearbeiten geraubtes Land." 

Im Tod wurde der Neger zu einem Menschen. Erst da war er dem Weißen gleichberechtigt." 

"Alle Menschen sind gleich, es sei denn, wir entscheiden, dass du kein Mensch bist."

"Manchmal ist eine nützliche Illusion besser als eine nutzlose Wahrheit." 

 

Samstag, 9. März 2024

Franz Kafka - Der Proceß

 

Autor:

Franz Kafka wurde 1883 in Prag als Sohn jüdischer Eltern geboren. In der Stadt blieb er fast sein ganzes Leben. Nach seiner Promotion als Jurist 1906 begann er ein Jahr später in der Prager Filiale einer italienischen Versicherungsgesellschaft zu arbeiten und wechselte wiederum ein Jahr später in die Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt, wo er bis zur vorzeitigen Pensionierung 1922 arbeitete. Er starb sehr jung an der Folgen einer Tuberkulose 1924. Viele seiner Werke wurden erst posthum durch seinen Freund Max Brod veröffentlicht, übrigens gegen seinen Willen. Daher sind auch viele Texte unvollendet. Seine Art der Schilderung von unergründlich bedrohlichen und absurden Situationen hat zur Bildung des auch im außerliterarischen Kontext verwendeten Adjektivs „kafkaesk“ geführt. Insbesondere seine schwierige Beziehung zum Vater hat Kafka in seinen Werken immer wieder thematisiert.

Buch:

Der Anlass für die Lektüre ist die gestrige Lesung des deutschen Schriftstellers Rüdiger Safranski, der eine neue Biografie über Kafka verfasst hat anlässlich seines 100. Todestages. Dieses Buch ist einer der drei unvollendeten Romane Kafkas und wurde 1914/15 geschrieben. Kurz vor Schreibbeginn war Kafkas Verlobung unter Anwesenheit der Familie seiner Verlobten aufgelöst worden, ein Ereignis, das er als Gerichtshof empfang. Und mit Attentat von Sarajevo begann der erste Weltkrieg. Das Buch wurde nicht in einer bestimmten Reihenfolge geschrieben und aufgrund einer Schreibblockade (nur bezogen auf dieses Werk) nicht vollendet.

Hauptfiguren:
  • Josef K., Prokurist in einer Bank
  • Elsa, seine Verlobte
  • Frau Grubach, seine Vermieterin
  • Fräulein Bürstner, seine Zimmernachbarin
  • Albert, sein Onkel
  • Leni, Pflegerin des Anwaltfreundes seines Onkels
  • Dr. Huld, Armenanwalt und Freund von Albert
  • Titorelli , Gerichtsmaler

Inhalt und Rezeption:

Für ihn völlig unvermittelt und grundlos wird Josef K. an seinem 30. Geburtstag in seinem Zimmer in der Wohnung von Frau Grubach durch zwei Beamte (Franz und Willem) verhaftet. Dabei muss er erst noch einige Zeit in seinem eigenen Zimmer warten, während die beiden Aufseher im Nebenzimmer warten, bis der Aufseher ihn rufen lässt. Konkretes erfährt er nicht, aber Andeutungen, seine Schuld wiege doch schwer. Irritierenderweise darf er danach in seine Bank zur Arbeit gehen, in Begleitung dreier junger Männer, die alle Beamte seiner Bank sind. Abends entschuldigt sich er (warum eigentlich?) sowohl bei Frau Grubach als bei Fräulein Bürstner. 

Für den Sonntag danach wird K. in eine Wohnung in einem Mietshaus zur Vernehmung bestellt, aber so wie man ihm nicht den Grund für die Verhaftung nannte, nennt man ihm weder den genauen Ort der Vernehmung noch die Uhrzeit, sondern nur die Adresse. Am Haus angekommen, irrt er umher und als er schließlich den Ort findet, heißt es lapidar, er sein zu spät. Und warum die Verhandlung dort öffentlich ist und viele Leute anwesend sind, das bleibt verborgen. Aber als der Untersuchungsrichter K. mit einem anderen Namen anspricht, meint man, dass K. hier wohl fälschlicherweise als Angeklagter steht. K. redet sich etwas um Kopf und Kragen und klagt die Obrigkeit im allgemeinen an.

Am nächsten Sonntag geht er wieder dort hin, ohne dass er aber einbestellt wurde. Er unterhält sich eine Weile mit der Frau des Gerichtsdieners, schließlich kommt dieser aber heim und geht mit K. eine Etage höher, wo sich ein seltsames Bürolabyrinth befindet, das die Kanzleien genannt wird. Hier fühlt er sich seltsam benommen, was aber wieder verschwindet, sobald er diesen seltsamen Ort verlassen hat. Alles ist seltsam beklemmend.

Einige Tage später hört K. in seiner Bank Seufzer aus einer Rumpelkammer dringen. Als er neugierig die Tür öffnet entdeckt er die beiden Diener Franz und Willem, die dort verprügelt werden sollen, weil er sich beim Untersuchungsrichter über sie beschwert habe. Er hat Mitleid und will das mittels Bestechung des Prüglers verhindern, was aber nicht funktioniert.

K.'s Onkel Albert kommt zu ihm in die Bank, da er von dem Proceß gehört hat und sich nun Sorgen um ihn macht (auch um den Ruf der Familie). Deshalb zerrt er K. zu einem alten Freund, der Armenanwalt ist. Dort hält sich auch noch ein Kanzleidirektor auf sowie die Pflegerin des Anwalts (Lena), die K. näher kennenlernen will und mit ihm anbändelt. Warum sie auch schon von dem Proceß weiß, bleibt unklar.  Jedenfalls rät sie K., künftig weniger unnachgiebig zu sein, um seine Aussichten in dem Proceß zu verbessern. Er solle einfach ein Geständnis ablegen, weil man sich gegen das Gericht nicht wehren könne. Sein Onkel ist entrüstet, dass K. einfach mit Lena für ein paar Stunden verschwunden ist, statt sich mit dem Anwalt zu unterhalten.

K. hat noch mehrere Besprechungen mit Dr. Huld, der in indirekter Rede in extensio (=langatmig) die positive Rolle eines Anwalts beschreibt. In der Bank besucht ihn ein Fabrikant (=Kunde), der ihm vom Gerichtsmaler Titorelli berichtet, der ihm vielleicht bei seinem Proceß helfen kann. K. sucht ihn in seinem schäbigen Atelier auf. Titorelli teilt ihm als Vertrauter des Gerichtes mit, dass das Gericht noch niemals einen Angeklagten als unschuldig angesehen hat, daher auch eine wirkliche Freisprechung unmöglich ist. Mit seiner Hilfe möglich sei allerdings die scheinbare (zeitweise) Freisprechung durch die untersten Richter oder die Verschleppung, d.h. das kontinuierliche Bearbeiten (Bestechung?) der untersten Richter, so dass der Proceß dauernd verschoben wird.

Da sein Proceß nicht vorangeht beschließt K. seinen Anwalt zu feuern. Er geht also wieder zu Dr. Huld, um ihm seine Entscheidung mitzuteilen. Dort trifft er auf den Kaufmann Block, von dem er einiges über dessen eigenen Proceß erfährt, vor allem, dass er schon sehr lange dauere, dass er weitere Winkeladvokaten engagiert habe, aber ohne irgendeinen Nutzen und dass man eigentlich nichts tun kann, um seinen Proceß zu beschleunigen. Huld versucht aber K. von seinem Nutzen zu überzeugen und holt Block zu dem Gespräch, der sich nach den vielen Jahren seines Processes sehr demütig verhält, was seine Abhängigkeit unterstreichen soll. Das Kapitel endet mitten in dem Gespräch.

Von seinen Vorgesetzten in der Bank ist K. beauftragt worden, einem italienischen Kunden den lokalen Dom zu zeigen. Im Vorgespräch beim Direktor der Bank wird ein Treffen für 10 Uhr im Dom vereinbart, K. kommt aber warum auch immer erst um 11 Uhr dort an, meint pünktlich zu sein, trifft aber den Kunden nicht an. Statt dessen trifft er dort auf einen Geistlichen, der gleichzeitig Gefängniskaplan ist und der behauptet, ihn in die Kirche bestellt zu haben. Er teilt K. mit, sein Proceß stünde schlecht und erzählt ihm ein Gleichnis über einen Mann vom Lande, der in das Gericht (=Himmel?) eingelassen werden will, aber von einem Türsteher daran gehindert wird. Der Geistliche und K. interpretieren die Geschichte anschließend sehr unterschiedlich.

Und schließlich wird K. von zu Hause abgeholt, in eine Kiesgrube geführt und dort brutal mit einem Fleischermesser erstochen. Seine letzten Gedanken: "Wo war der Richter den er nie gesehen hatte? Wo war das hohe Gericht bis zu dem er nie gekommen war?"

Das Werk blieb wie erwähnt unvollendet, die einzelnen Kapitel wurden separat geschrieben und dann erst zusammengesetzt. Es gibt noch einige Fragmente weiterer Kapitel, die ich hier aber nicht weiter zusammenfassen will, der Roman wäre im Idealfall noch etwas umfassender gewesen und vielleicht wären die harten Übergänge zwischen vielen Kapiteln durch die unvollendeten weiteren Kapitel etwas besser zu verstehen gewesen.

Lesespaßfaktor:

Der Leser wird sofort in die Geschichte hineingezogen und vermutet auch bald staatliche Willkür bei der Verhaftung des Protagonisten. Es stellt sich Unbehagen ein, weil man zum einen nicht so genau weiß, was K. eigentlich passiert und weil K. durch sein Verhalten alles nur schlimmer macht. Diese Gefühle des Unbehagens beim Leser zu erzeugen, das ist schon große literarische Kunst. 

Alle Figuren scheinen immer schon von der Anklage gegen K. zu wissen, Kafka lässt es aber im Unklaren, woher und warum. Aber was ist der Grund für diesen Proceß? Welche vermeintliche Schuld hat K. auf sich geladen? Ist das vielleicht religiös zu sehen? 

Die Sprache ist sachlich nüchtern, so gar nicht emotional. Im Mittelteil des Buches, bei den langen Beschreibungen der Funktion des Anwalts durch Huld wird es etwas langweilig. 

Zunehmend wird auch deutlich, wie mächtig das Justizwesen ist, sowohl auf der Anklageseite als auch auf Seiten der Verteidigung; K. wird quasi vollständig davon absorbiert. Und kurz vor der Ermordung K. bringt die Parabel 'Vor dem Gesetz', die der Geistliche erzählt, erneut religiösen Interpretationsspielraum.

Das Werk ist etwas wie frühere Schullektüre. Es bietet zahlreiche Auslegungsansätze und die Fragen im Deutschunterricht schweben einem vor Augen. Aber es entfaltet dennoch einen gewissen Lese-Sog und ich verstehe, warum die Werke Kafkas auch heute noch zur Weltliteratur zählen.

Donnerstag, 29. Februar 2024

Primo Levi - Das periodische System

 

Autor:

Primo Levi ist eine jüdisch-italienischer Schriftsteller und Chemiker mit entsprechendem Universitätsabschluss, der den Holocaust in Auschwitz überlebt hat. Geboren wurde er 1919, gestorben ist er 1987, jeweils in Turin. Kurz vor dem 2. Weltkrieg war er Teil einer antifaschistischen Partisanengruppe, er wurde in dieser Rolle 1943 verhaftet. Er wurde vor die Wahl gestellt, als Partisan sofort erschossen zu werden oder aber als Jude inhaftiert zu werden, für letzteres entschied er sich und wurde dann zunächst in ein KZ in Italien gebracht, bevor er nach Auschwitz deportiert wurde. Nach seiner Befreiung 1945 kehrte er im Oktober desselben Jahres nach Italien zurück und begann direkt, seine Erfahrungen aufzuschreiben. Das erste dieser beiden Werke erschien bereits 1947, das zweite folgte 1963. Beruflich war Levi als Chemiker tätig und hat nur nebenbei geschrieben. Er starb durch einen Sturz in den Treppenschacht des Hauses, in dem er wohnte, die Umstände sind nicht ganz geklärt (Selbstmord oder medikamentenbedingter Unfall).

Sonntag, 28. Januar 2024

Jakob Wassermann - Romantrilogie: Der Fall Maurizius: Geschichte eines Justizirrtums und Familienkonflikte + Etzel Andergast + Joseph Kerkhovens dritte Existenz

 


Autor:

Jakob Wassermann wurde 1873 im fränkischen Fürth in eine jüdische Familie geboren. Eine Lehre als Kaufmann im elterlichen Betrieb brach er früh ab, weil er schreiben wollte. Nach einigen Jahren des Umherwanderns traf er in München auf einen Verleger, der ihm eine Anstellung bei der Zeitschrift 'Simplicissimus' verschaffte. Dort veröffentlichte er auch 1896 seinen ersten Roman und danach zahlreiche weitere Werke. Zusätzlich schrieb er für das Feuilleton der F.A.Z. In München freundete er sich mit Thomas Mann und Rainer Maria Rilke an. Wie bei so vielen Autoren dauerte es aber lange, bis seine Werke Anerkennung fanden. Erst 1915 hatte ein Roman eine höhere Auflage. Er schrieb ähnlich wie Stefan Zweig Bücher mit stark psychologischen Komponenten, konnte aber bei weitem nicht an den Erfolg Zweigs heranreichen. Dennoch zählte er vor dem zweiten Weltkrieg zu den meist gelesenen deutschen Autoren. 1933 wurden die Werke Wassermanns verboten und verbrannt, er war finanziell ruiniert und starb bereits 1934 in Altaussee in Österreich, wo er zuletzt mit seiner zweiten Frau lebte. 


Mittwoch, 20. Dezember 2023

Jon Fosse - Melancholie

 

Autor:

Jon Olav Fosse wurde 1959 in einer kleinen norwegischen Küstenstadt in eine Quäkerfamilie hinein geboren. Nach Abitur und Studium der Literaturwissenschaften, Psychologie und Soziologie begann er zunächst nebenberuflich mit dem Schreiben. Stark beeinflusst war seine Berufswahl von einem Unfallerlebnis als Kind, wobei nach einer schweren Schnittverletzung ein Nahtoderlebnis hatte, das ihn stark geprägt hatte. Fosse hat bisher vor allem als Dramatiker Erfolg, viele seiner Stücke finden sich auf Theaterbühnen wieder. In seinen Texten spielt Glaube und Religion oft eine wichtige Rolle, er selbst war zunächst ebenfalls Quäker, bevor dann zum Katholizismus konvertierte. Stilistisch werden seine Werke dem Postmodernismus zugerechnet. In diesem Jahr erhielt Fosse den Literatur Nobelpreis.

Donnerstag, 7. Dezember 2023

Matt Haig - Die Mitternachtsbibliothek

 

Autor:

Der Brite Haig wurde 1975 geboren und hat Englisch sowie Geschichte studiert. Bevor er ein Bestsellerautor wurde hat er auf Ibiza einen Club gemanaged, dort einen psychischen Zusammenbruch erlitten, der ihn anschließend verstärkt zum Schreiben veranlasst hat. Er schreibt neben fiktionalen Werken auch Sachbücher und arbeitet als Journalist. Viele seine Bücher, die Erwachsenen- und Jugendbücher umfassen, beschäftigen sich mit Phantastik. Seine ersten beiden Romane Anfang der 00 Jahre sind Neuerzählungen von Werken Shakespeares. Das bisher erfolgreichste Werk ' The Humans' erschien 2013

Montag, 4. Dezember 2023

Thomas Pynchon - Die Versteigerung von No. 49

 


Autor:

Pynchon, geb. 1937 auf Long Island in eine alte neuenglische Familie, ist ein Vertreter der literarischen Postmoderne und hat während seines Literaturstudiums u.a. bei Nabokov studiert. Nach Beginn seiner literarischen Karriere 1963, als sein prämierter Debütroman 'V.' erschien, lebte Pynchon an verschiedenen Orten der USA sehr zurückgezogen. Bisher sind 8 Romane sowie einige Kurzgeschichten erschienen. Als sein bedeutendstes Werk gilt der Roman 'Die Enden der Parabel aus dem Jahr 1973. Typisch für seinen Schreibstil sind Wechsel literarischer Gattungen innerhalb eines Werkes sowie eine komplexe Themenvielfalt. 

Buch:

Dieses Buch ist Pynchon zweiter Roman aus dem Jahr 1966 und da er als am zugänglichsten gilt, habe ich ihn mir zur Lektüre ausgewählt. Er gilt als ein Hauptwerk der Postmoderne. Gelesen habe ich die deutsche Übersetzung aus dem Jahre 1967 von der österreichischen Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek.

Hauptfiguren:
  • Oedipa Maas
  • Wendell (Mucho) Maas, ihr Mann, Diskjockey
  • Pierce Inverarity, ihr ehemaliger Geliebter (verstorben)
  • Dr. Hilarius, ihr Seelenklempner
  • Roseman, ihr Anwalt
  • Metzger, beigeordneter Testamentsvollstrcker
  • Manfred 'Manny' DiPresso, ein anderer Anwalt

Inhalt und Rezeption:

Oedipa Maas kommt angetrunken nach Hause und findet einen Brief vor, der sie als Testamentsvollstreckerin für einen gewissen Pierce Inverarity einsetzt, mit dem sie vor ihrer Hochzeit mit Wendell, einem Diskjockey im Radio, liiert war. Sie kann sich aber nicht erklären, warum er sie in diese Funktion eingesetzt hat, da sie sich ihm nicht mehr verbunden fühlt und fachlich sich ungeeignet fühlt. Dennoch fährt sie nach San Narciso, Pierces, Wohnort, um sich der Aufgabe zu stellen. Sie steigt in einem Motel ab, wo Metzger sie aufsucht und mit ihr einem Film schaut, in der er selber als Kind mitgespielt hat (sic!). Außerdem beginnen sie eine Affäre.

Oedipa beginnt mit der Sichtung des Nachlasses, etwa einer Briefmarkensammlung. Immer wieder blickt sie dabei zurück auf ihr Leben, etwa die Seitensprünge ihres Mannes mit minderjährigen Mädchen. Sie scheint sich dabei irgendwie selbst entdecken oder besser verstehen zu wollen. Man macht einen Ausflug, dort stiehlt die Gruppe ein Boot. Hier beginnt die Handlung in den Hintergrund zu treten. Zwar gibt es eine vermeintliche Geschichte, die aber wirkt eher kubistisch, zusammengesetzt aus lauter Einzelteilen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. allerlei windige Geschäfte, etwa Knochenhandel, werden aufgedeckt. Sie entdeckt ein Symbol, das für ein bestimmtes privates Postsystem (W:A:S:T:E:) stehen soll und worin irgendwie eine der Firmen verwickelt ist, die zum Nachlass zählen. 

Ziemlich langweilig ist dann die seitenlange Deskription eines Theaterstückes des fiktiven Autors Wharfingers, in dem erstmals das Postmonopol der Familie Thurn und Taxis erwähnt wird sowie das Wort 'Trystero' in einem Gedicht innerhalb des Stückes auftaucht, aber auch Oedipas Gespräch mit dem Regisseur sorgt nicht für irgendeine Aufklärung. Ausgerechnet beim Briefmarkenexperten taucht das o.e. Symbol wieder auf. Irgendwie geht es wieder um einen privaten Postdienst wie den von Thurn und Taxis im europäischen 14. bis 19. Jahrhundert im Wettbewerb zur öffentlichen Post. Oedipa sucht den Erfinder der Maschine und es folgen wirre Gedanken rund um den den Doppelbegriff 'Entropie', der sowohl eine physikalische als einen informationstechnologische Bedeutung hat. spätestens jetzt verliert der Autor mich! Die Protagonostin ist hinter dem wirren Zeichen her, versucht etwas zu entschlüsseln, verirrt sich von A nach B und findet am Ende doch keine Lösung. Das kann man natürlich alles mit einer furchtbar symbolischen Bedeutung aufblasen und an verschiedenen Stellen historischen Anspielungen finden, die die Belesenheit des Autor unterstreichen, man kann sich als Leser aber auch einfach furchtbar langweilen in den wirren Gedankengängen. So geht es mir. Nach der Hälfte des Buches höre ich auf zu lesen.


Lesespaßfaktor:

Pynchon ergeht sich oft in langen, mäandernden Sätzen, innerhalb derer sich  Gedanken von einem zum anderen entwickeln. Es gibt viele Anspielungen auf den amerikanischen Bürgerkrieg und andere historische Begebenheiten. Ein fiktives Theaterstück wird erfunden sowie bestimmte physikalische Maschinen ('Nefastis' Maschine), hier merkt man, das Pynchon zunächst Physik studiert hat. Das Ganze erinnert mich ein bisschen an den Joyce'schen Bewußtseinsstrom, mit dem ich auch gar nichts anfangen konnte.


Donnerstag, 30. November 2023

Richard Ford - Kanada

 

Autor:

Ford, Jahrgang 1944, ist über Umwege zur Schriftstellerei gekommen. Vergebliche oder abgebrochene Versuche, Hotelmanager (sein Großvater leitete ein Hotel) oder Sportreporter zu werden führten trotz seiner Leseschwäche am Ende zu einem Studium der Literatur in Kalifornien. Seinen ersten Roman veröffentlichte Ford 1976, er wurde gleich für einen nach Hemingway benannten Preis für die beste Erstveröffentlichung nominiert. In punkto Verkaufszahlen waren seine ersten Werke trotz guter Kritiken nicht sehr erfolgreich. Nachdem Ford 1981 für 1 Jahr tatsächlich Sportreporter war, nach dem Einstellen des Blattes aber keine weitere Beschäftigung in dieser Profession fand, schrieb er Romane über den Sportreporter Bascombes und erzielt hiermit seinen Durchbruch. ('The Sportswriter', 'Independence Day' und weitere). Er gewann als bisher einziger Schriftsteller 1995 für 'Independence Day' sowohl den bedeutenden Pulitzer Preis als auch den PEN/Faulkner Award. 

Buch:

Das hier besprochene Buch erschien 2012 und wurde ebenfalls mehrfach ausgezeichnet. Seit 1989 machte sich Ford bei seinen Aufenthalten in Montana, wo diese Geschichte auch spielt, hierzu Notizen. Ein Ich-Erzähler blickt auf seine Jugendzeit zurück. Ich hatte kürzlich irgendwo eine hymnische Empfehlung gelesen. 

Hauptfiguren:

  • Dell, Icherzähler
  • Berner, seine Zwillingsschwester
  • Beverly ('Bev') Parson, sein Vater
  • Geneva ('Neeva') Kamper, seine jüdisch-polnische Mutter
  • Mildred Remlinger, eine Freundin der Mutter
  • Arthur Remlinger, ihr Bruder, lebt in Kanada
  • Florence La Blanc, seine Freundin
  • Charley Quarters, dessen Mitarbeiter auf der Ranch in Kanada

Inhalt und Rezeption:

Der Beginn der Rückblende ist sehr viel versprechend. "Zuerst will ich von dem Raubüberfall erzählen, den meine Eltern begangen haben." Und schon will der Leser wissen, wie es denn dazu wohl kommen konnte. Sein Vater war beim Militär und nach seiner Rückkehr aus dem 2. Weltkrieg wuchsen er und seine Schwester auf verschiedenen Luftwaffenstützpunkten aus. Wir lernen die Eltern kennen, die  keine gute Ehe hatten, auch weil sie sehr unterschiedlich waren. 1960 befindet sich die Familie in Great Falls, Montana. Bev hat seine Job bei der Armee verloren und hält sich mit diversen Jobs über Wasser, die er aber nie lange hat und daher schließlich illegalen Geschäften nachgeht, Neeva will sich eigentlich scheiden lassen und mit den Kindern weggehen, tut es aber nicht. Und da Bev existentielle Probleme in seinem illegalen Fleischhandel mit den örtlichen Indianers bekam, reifte der Entschluss, eine Bank zu überfallen. Der Weg dahin steht im Mittelpunkt der ersten Kapitel des Romans, die ohne allzu viel Handlung auskommt, dafür aber Betrachtungen über die Ursachen anstellt. Dann ein wirklich schönes Zitat:
"Das Getane; das Nie-Getane; das Geträumte. Irgendwann nach langer Zeit fließen sie ineinander."
Der Bankraub mit seiner Mutter als Helferin war dilettantisch vorbereitet und durchgeführt, so dass seine Eltern schnell gefasst wurden, vor den Augen der beiden Kinder. Die kurze Zwischenzeit wir aber etwas langatmig erzählt. Beiläufig erfährt der Leser, dass sich die Mutter einige Zeit später im Gefängnis das Leben nahm. Für die Zwillinge ändert sich das Leben damit abrupt. In den ersten Tagen sind sie noch alleine zu Hause und aus Dells schildert die Unsicherheit vor der Zukunft deutlich, ohne dass es schon eine ausgewachsene Angst ist. Die Zwillinge besuchen die Eltern im Gefängnis, aber viel zu sagen haben si sich in diesem Moment nicht, sie wissen es noch nicht, aber sie sehen ihre beiden Eltern nie mehr wieder. Es wirkt etwas seltsam, dass sie nicht mehr darüber sprechen, was au den beiden 15-Jährigen werden soll. 

Berner verschwindet kurz danach (vermutlich mit ihrem Freund Rudy), während Dell von Frau Remlinger nach Kanada gebracht wird, um ihn dem Zugriff des Jugendamtes zu entziehen. Das hatte seine Mutter bereits geplant, Dell soll dort bei ihrem Bruder leben. Seine ersten Eindrücke dort sind furchterregend. Er soll in dem zwielichtigen Hotel von Arthur, der wohl selbst eine kriminelle Vergangenheit hat und sich in in der kanadischen Provinz Saskatchewan quasi versteckt mitarbeiten und wird von dem zwielichtigen Charley herumkommandiert und muss auch dort wohnen, fernab der Zivilisation in einer heruntergekommenen Geistersiedlung. Das entsprechende Kapitel beginnt und endet mit einem schönen Satz:
"Ereignisse, die das ganze Leben verändern, sehen manchmal nicht danach aus."
Dell bleibt nichts anderes übrig, als sich an das neue Leben zu gewöhnen. Ford beschreibt mit großer Erzählkunst und detailreich die abgrundtiefe Tristesse des Ortes. Nach ein paar Wochen zieht er in das Hotel in eine Abstellkammer und wird von Arthur und seiner Freundin fast wie ein eigenes Kind anerkannt. Aber Dell beginnt eine unspezifische Vorahnung zu bekommen, dass irgendetwas Schlimmes passieren könne. Und er erfährt von Charley über Arthurs Vergangenheit, er hatte als Harvard Student einen Bombenanschlag mit Todesfolge auf ein Gewerkschaftsgebäude verübt. Nun kommen zwei Amerikaner (Privatdetektive?) in das Hotel, offenbar, um Arthur zu befragen und die Tat von damals aufzuklären. Es kommt zum Showdown, Arthur nimmt Dell mit zu dem Treffen, um ihn als seinen Sohn auszugeben, quasi als Schutzschild. Am Ende ermordet Arthur die beiden und Dell muss helfen, die Leichen zu begraben. Interessanter als die reine Handlung sind die inneren Monologe, die Dell führt, um das Geschehen zu verstehen und zu verarbeiten.

Um die Geschichte abzurunden sei der Rest kurz zusammengefasst. Dell wird von Florence zu ihrem Bruder nach Winnipeg geschickt, wo er zur Schule gehen konnte. Der Rest wird aus heutiger Perspektive erzählt, 51 Jahre später. Dell ist Lehrer, hat die kanadische Staatsangehörigkeit angenommen und seine Schwester nur noch dreimal gesehen, ein letztes Mal kurz vor ihrem krebsbedingten Tod. Ein überaus melancholisches Treffen am Ende ihrer gemeinsamen 'Reise' und am Ende des tollen Buches.

Lesespaßfaktor:

Die Sprache ist süffig, leicht zu lesen. Die Erzählung schreitet langsam voran, sie speist sich aus Tagebuchaufzeichnungen der Mutter sowie alten Zeitungsartikel und natürlich dem Gedächtnis des Ich-Erzählers. Ford zieht den Leser in seinen Bann, man will weiterlesen. Vor allem ist es eine schöne Beschreibung des Lebens in den Weiten Montana und Saskatchewans in den 1960er Jahren. Auf die kleinen Unterschiede bzw. auf die gegenseitigen Vorurteile der beiden Ländern geht Ford immer mal wieder ein. Und es gibt viele schöne Sprachbilder, die gut übersetzt sind, etwa: "Die unvermeidliche Nordwärtsdrift von allem.", was auf die amerikanischen Einflüsse auf Kanada zielt. Für mich 4 Sterne mit einer Tendenz nach oben.

Montag, 6. November 2023

Salman Rushdie - Die Satanischen Verse

 

Autor:

Salman Rushdie wurde 1947 in Bombay als Sohn muslimischer Eltern geboren. Als Jugendlicher schickte ihn der Vater nach England zur Schule, wo er dann auch studierte.
Rushdie erlangte sehr fragwürdige Berühmtheit, als 1998 nach Veröffentlichung eben dieses hier zu besprechenden Buches der damalige iranische Diktator Chomenei eine Fatwa (Todesurteil) verhängte, da angeblich in dem Buch der Prophet Mohammed verunglimpft wird. Seitdem lebte er lange im Untergrund unter polizeilicher Bewachung und erst dieses Jahr gab es einen Mordversuch in den USA, wo er heute hauptsächlich lebt, der ihm ein Augenlicht kostete.
Seinen literarischen Durchbruch hatte Rushdie aber bereits 1981 mit dem Roman 'Mitternachtskinder', heute gilt er seit Jahren als ein Kandidat für den Nobelpreis und einige Kommentatoren werfen der schwedischen Akademie vor, aus Angst vor islamistischer Rache auf die Vergabe zu verzichten. Insgesamt 15 Romane wurden bisher veröffentlicht.
Anlässlich des eines Terroranschlages in Paris (Charlie Hebdo) sagte er: „Religion, eine mittelalterliche Form der Unvernunft, wird, wenn sie mit modernen Waffen kombiniert wird, zu einer echten Gefahr unserer Freiheiten. Derartiger religiöser Totalitarismus hat zu einer tödlichen Mutation im Herzen des Islams geführt und wir sehen heute die tragischen Folgen in Paris.“
Rushdie erhielt zahlreiche Auszeichnungen, ganz aktuell den bedeutenden Friedenspreis des deutschen Buchhandels. 

Samstag, 26. August 2023

Mark Twain - Heitere Geschichten






Autor:

Samuel Langhorne Clemens alias Mark Twain wurde 1835 in Florida/Misssouri geboren. Er ist sehr viel gereist und war in Sachen Literatur ein Selfmade Schriftsteller. Noch als Kind zog die Familie nach Hannibal//Missouri am Ufer des Mississippi River, Kulisse der weltberühmten Abenteuer des Huckleberry Finn. Bereits in der Jugend zog er als wandernder Schriftsetzer durch Amerika und veröffentlichte erste Reiseberichte in der kleinen Zeitung seines Bruders. Später war einige Jahre Flussschiffer auf dem Mississippi, in den 1860er floh er vor den Sezessionskriegen nach Westen. Ab 1863 nutzte er das Pseudonym Mark Twain, dass aus der Schiffersprache stammt (2 Faden tief). Sein bekanntestes Werk, die Abenteuer des Huckleberry Finn erschien 1884, ein paar Jahre zuvor die Abenteuer des Tom Sawyer. Twain war Gegner der Sklaverei, hat in seinen Werken sehr kritisch die Zustände in Amerika beleuchtet. Er starb 1910 und gilt seither als einer der ganz großen amerikanischen Schriftsteller.

Buch:

Dieses Bändchen beinhaltet drei humoristische Kurzgeschichten
 

Inhalt und Rezeption:

1. Kapitel: Amerika zur guten alten Zeit

Der Icherzähler in der ersten der Geschichten unter dem rubr. Titel  wird Mitherausgeber einer Zeitung in einem kleinen Kaff im amerikanischen Süden. Seinen ersten Artikel zerreißt der Chefredakteur in der Luft. Ein Oberst erscheint und duelliert sich mit dem Chefredakteur. Der Oberst stirbt, lässt die Adresse seines Bestattungsinstituts da und trollt sich. Und so sinn- und belanglos geht es weiter, auf das Nacherzählen kann ich hier verzichten. Die Moral von der Geschichte? Vielleicht, dass sich in Amerika auch damals schon vieles um Gewaltfantasien und Waffen drehte? Heiter? Eher nicht!

Eine andere Geschichte erzählt von einem in einem Schneesturm stecken gebliebenen Zug, nach sieben Tagen beginnen die Fahrgäste in einem komplizierten Verfahren, diejenigen auszuwählen, die verspeist werden sollen. Der Erzähler berichtet vom Geschmack der einzelnen verspeisten Fahrgäste. Heiter? Eher nicht!

2. Kapitel: Mark Twain auf Reisen

Hier geht es etwa um eine Bergbesteigung in den Schweizer Alpen. Die Expedition benötigt allein 7 Tage bis zum Fuße des zu besteigenden Berges, eine Strecke, die der Baedeker mit 90 Minuten angibt. Zurück will man mit dem Gletscher wandern, bis man feststellt, dieser wandere nur 2,5 cm pro Tag. Na ja!

Weitere Geschichten spielen auf der Rigi, wo man statt einem Sonnenaufgang einem Sonnenuntergang beiwohnt oder in Heilbronn, wo der Erzähler im Hotelzimmer eine Maus sucht und dabei schrittweise à la Mr. Bean die EInrichtung zerstört.

Wirklich heiter und amüsant finde ich aber die Geschichte um eine 1 Million Pfund Banknote, die reiche Herren dem Erzähler geben und eine Wette abschließen, dass er nach einem Monat verhungert sei. Tatsächlich gibt ihm die Banknote aber überall grenzenlosen Kredit und er kann in allem Wohlstand leben, obwohl niemand die Banknote akzeptiert, da keiner sie wechseln kann. Und so wird er allein aufgrund des Besitzes der Banknote selber reich, wirklich herrlich zu lesen, wie Geld immer wieder zu Geld kommt.

3. Kapitel: Das Lächeln des Weisen

Mit der ersten Geschichte über eine Expedition verschiedener Tiere und deren Entdeckungen kann ich nicht viel anfangen. Es ist eine Persiflage auf die Wissenschaft, ohne Zweifel voller Fantasie, aber mich erreicht sie nicht.

Es folgt Adams Tagebuch, auf das ich aber verzichte.

Lesespaßfaktor:

Es sind skurrile Geschichten, durchaus, aber sind sie noch zeitgemäß? Der Humor mag damals gepasst haben, heute finde ich diese Geschichten nicht so heiter, geschweige denn lustig. Aber besonders beim Humor spalten sich bekanntlich die Geister. Sprachlich sind sie immerhin schön geschrieben, von mir gelesen in der deutschen Übersetzung. 


Javier Marias - Mein Herz so weiss

 


Autor:

Marias wurde 1952 in Madrid geboren, wo er auch im letzten Jahr verstarb. Mit seinen Eltern lebte Marias bis 1959 einige Zeit in den USA, wohin  sein Vater als Kritiker des Franco Regimes floh und an bedeutenden Universitäten Philosophie unterrichtete. Ab 1968 studierte Marias wieder in Madrid Literaturwissenschaften und Philosophie und engagierte sich während dieser Zeit im linksradikalen Milieu. Gearbeitet hat er dann zunächst als Übersetzer, in einem Verlag, bevor er selbst Dozent wurde, in Oxford, Boston und Madrid. Geschrieben hat Marias ab dem Alter von 11 Jahren, seine erste Kurzgeschichte sowie sein zweiter Roman wurden Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre veröffentlicht. Ein erster großer Erfolg war 1986 der preisgekrönte Roman "Der Gefühlsmensch", sein größter Erfolg aber war der hier besprochene Roman von 1992, der weltweite Verbreitung fand.

Mittwoch, 26. April 2023

Tibor Fischer - Ich raube, also bin ich -Die Eddie Coffin Story-

 

Autor:

Tibor Fischer ist ein 1959 geborener britischer Schriftsteller mit ungarischen Eltern, die 1956 aus Ungarn geflohen sind. Bereits sein erster Roman wurde 1992 mehrfach ausgezeichnet. Bisher hat er 6 Romane und zwei Erzählbände veröffentlicht, allerdings sind nur die ersten drei Werke ins Deutsche übersetzt worden.

Samstag, 11. März 2023

Knut Hamsun - Segen der Erde

 


Autor:

Knut Hamsun ist ein norwegischer Schriftsteller, der von 1859 bis 1952 gelebt hat. Er wuchs auf dem Lande auf einem kleinen Bauernhof auf und wurde in seiner streng konservativen Haltung hierdurch stark geprägt. In jungen Jahren schlug er sich mit einfachen Arbeiten durch. Erste literarische Veröffentlichungen fanden ab 1878 nur wenige Leser. In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts war er zweimal in den USA, konnte dort aber auch nicht richtig Fuß fassen. 1890 hatte er dann ersten Erfolg mit dem Roman 'Hunger'. Danach erschienen zahlreiche Werke, er heiratete zweimal und hatte mehrere Kinder. Als Gegner des britischen Imperialismus sowie des Kommunismus war Hamsun im hohen Alter ein Anhänger Deutschlands und damit auch des Nationalsozialismus, was der Rezeption seines Werkes nach dem zweiten Weltkrieg erheblichen Schaden zufügte. Vorher war er allerdings eine Quelle der Inspiration für viele deutschsprachige Schriftsteller. Er galt als der beste Erzähler des 20. Jahrhunderts.

Mittwoch, 1. Februar 2023

William Boyd - Eines Menschen Herz

 


Autor:

William Boyd stammt aus Schottland, ist aber 1952 in Ghana geboren und wuchs in den ersten Jahren in Afrika auf, bevor er in Schottland zur Schule ging. Studiert hat er Französisch, Englisch und Philosophie, danach als Dozent in Oxford gearbeitet. 1981 erschien sein erster Roman. Seither hat er zahlreiche Romane, Erzählungen und Drehbücher verfasst, 2013 gar einen offiziellen James Bond Roman. Die Themen seiner früheren Werke haben oft mit Afrika oder dem Schulwesen zu tun, die späteren Werke drehen sich um die Identität in der modernen Welt. Der erste internationale Bestseller stammt aus dem Jahr 2006 ("Restless").

Freitag, 13. Januar 2023

Johann Wolfgang von Goethe - Wilhelm Meisters Wanderjahre oder Die Entsagenden

 


Autor:

Goethe kennt wohl jeder. Geboren 1749 in Frankfurt am Main, gestorben 1832 in seinem Haus in Weimar. Er ist der bedeutendste Dichter deutscher Sprache und war nebenbei auch noch Naturforscher. Seine Eltern stammen aus einer angesehenen bürgerlichen Familie, zusammen mit seiner Schwester erhielt er früh eine umfassende Bildung. Er studierte Jura und arbeitete anschließend auch als Anwalt. Literarisch erzielte Goethe 1773 und 1774 seine ersten Erfolge mit dem Drama 'Götz von Berlichingen'  sowie dem Briefroman 'Die Leiden des jungen Werther'. 1775 wurde er an den Hof von Weimar geladen und nahm dort administrative Aufgaben wahr, was seine Kreativität belastete. Er befreite sich daraus erst 1786 durch eine zweijährige Reise nach Italien. Ab 1791 leitete er in Weimar als Freund des Herzogs viele Jahre das Hoftheater. Sein Drama 'Faust' von 1808 gilt als das bedeutendste Werk der deutschen Literatur überhaupt. Der hier zu besprechende Altersroman 'Wilhelm Meisters Wanderjahre' gehört wie sein Vorgänger zu den Künstler- und Bildungsromanen.
 

Montag, 19. Dezember 2022

L.P. Hartley - The Go-Between

 

Autor:

Leslie Poles Hartley war ein britischer Schriftsteller, der von 1895 bis 1972 gelebt hat. Seine Eltern sind um 1900 reich geworden und kauften ein Schloss. Hartley ging in ein Privatinternat, in dem aufgrund der Religion seiner Eltern (Methodisten) ein Aussenseiter war. Dazu gehörte auch seine Homosexualität, die das Gefühl des Nicht Dazugehörens verstärkte. Er ist viel gereist und arbeitete seit 1924 als Schriftsteller, hauptberuflich war er jedoch Literaturkritiker für diverse Zeitungen. Insgesamt veröffentlichte er 17 Novellen sowie zahlreiche Kurzgeschichten. Sein Werk handelt primär von den britischen Sozialverhältnissen, Moral und Familie. 

Buch:

'The Go-Between' (aktueller deutsche Übersetzung: 'Ein Sommer in Brandham Hall') gilt als eines der Hauptwerke Hartleys. Das Werk erschien 1953. Die erste Verfilmung von 1971 unter der Regie von Harold Pinter gewann die Goldene Palme bei den Filmfestspielen in Cannes. 
 

Hauptfiguren:

Leo (Lionel) Colston, Ich-Erzähler, um die 60 Jahre alt, 12 Jahre alt während der Zeit, in der diese Geschichte hauptsächlich spielt
Marcus Maudsley, sein damaliger Schulfreund
Marian, dessen ältere Schwester
Viscount Trimingham, adeliger Freund der Familie Maudsley
Ted Burgess, Farmer in der Nachbarschaft der Maudsleys


Inhalt und Rezeption:

Leo entdeckt auf dem Speicher in einer alten Kiste u.a. sein altes Tagebuch von 1900 und erinnert sich an seine Kindheit und Schulzeit. Zu dieser Zeit ging er im Alter von 12 Jahren auf ein Internat, in dem er es zunächst schwer hatte. Seine Mitschüler stehlen sein Tagebuch und machen sich über einen Eintrag lustig und verprügeln ihn regelmäßig. Er erhält sein Tagebuch zurück, macht den kritischen Eintrag unkenntlich und schreibt statt dessen einige Verwünschungen und Flüche hinein, die dann wiederum von den Mitschülern gelesen werden. Als daraufhin zwei seiner Peiniger vom Dach fallen und sich schwer verletzen, gilt Leo plötzlich als Magier und erwirbt sich den Respekt seiner Mitschüler.


In den Sommerferien darf er zu seinem Freund Marcus: Aufgrund seiner Herkunft fühlt er sich in dem schlossähnliche Haus seines Freundes zunächst etwas unwohl. Er hat keine Sommerkleidung dabei, die er auch daheim gar nicht besitzt, und wird ob seiner Hitzewallungen geneckt. Marian bietet an, für Leo neue Kleidung zu laufen. Leo ist fasziniert von Marian. Dann kommt der Viscount Trimingham zu Besuch, designierter Ehemann von Marian, die aber wenig von ihm wissen will. Bei einem Badeausflug lernt Leo erstmals den Farmer Ted Burgess kennen, in den Marian eigentlich verliebt ist. Als Leo später bei einer kleinen Wanderung auf dem Hof von Ted landet, gibt dieser ihm einen Brief für Marian mit und verpflichtet ihn, allen anderen gegenüber Stillschweigen darüber zu wahren. 

Das ist der Startpunkt für Leo's Karriere als Postbote oder Vermittler (Go-Between). Von nun an wird er fast täglich gebeten, Briefe hin und her zu bringen. Einmal ist ein Brief nicht verschlossen und er kann einen kleinen Teil des Briefes lesen, u.a. das Wort 'Darling'. Aber mit seinen 12 Jahren erfasst er die Welt der Erwachsenen noch nicht richtig, obwohl er so gerne schon dazugehören würde. Eine der vielen Aktivitäten seines Sommerurlaubs ist ein Cricket Spiel, bei dem er als Ersatzmann noch zum Einsatz kommt und einen eigentlich unfangbaren Ball dennoch fängt. Am Abend dieses Tages auf einer Feier nach dem Spiel wird gesungen und als Mitspieler muss Leo ebenfalls ein Lied zum Besten geben, was ihm gut gelingt. Nun fühlt er sich dazu gehörig und erwachsen und merkt nicht, dass die Erwachsenen sich auch immer wieder etwas lustig über ihn machen. 

Die Heimlichtuerei der Liebe zwischen Marian und Ted belastet Leo zunehmend, vor allem, weil der sich zu Lord Trimingham hingezogen fühlt, der ihn besonders gut behandelt. Aber trotz seines Versuches, den Botendienst einzustellen, wird er von Marian und Ted unter Druck gesetzt, weiter zu machen. Eines Tages beschließt er, wieder einen Fluch auszusprechen in der Hoffnung, dass dann Marian wie geplant den Lord heiraten wird. Das geht dann aber gehörig schief, weil Marians Mutter schon etwas ahnt, bei Leo einen Brief entdeckt und dann eines Abends -ausgerechnet an Leos 13. Geburtstag- ihre Tochter in flagranti mit Ted erwischt. Daraufhin erschießt sich Ted. Leo hat ein so schlechtes Gewissen ob seiner Verfluchung, dass er zusammenbricht und für viele Jahre alles verdrängt. Hier ist die Geschichte zunächst beendet. Im Epilog reist der erwachsenen Leo noch einmal nach Brandham Hall und trifft auf die inzwischen sehr alte Marian, die ihm in Kürze über das weitere Schicksal der Protagonisten von damals berichtet.


Lesespaßfaktor:

Dieses Buch ist eine Coming of Age Geschichte in der Tradition von Robert Musil ('Die Verwirrungen des Zögling Törleß') geschrieben und zeichnet sich durch sehr tiefe psychologische Betrachtungen des überaus sensiblen Leo aus, die er in den Jahren seiner Pubertät vor allem während seines sommerlichen Besuches bei seinem Freund Marcus auf Brandham Hall erlebt.

Die eigentliche Geschichte ist zunächst ziemlich simpel. allzuviel passiert gar nicht. Aber die intensiven Reflektionen des 12 jährigen Leo sind wunderbar tiefgründig geschrieben. Allerdings ist es noch nicht die Lebenserfahrung des jungen Leo, sondern die des erwachsenen Mannes 50 Jahre später, die die Tiefe der Betrachtungen über das Leben ausmachen. Wichtige Themen sind die Standesunterschiede um 1900, ausgedrückt in der vergeblichen Liebe zwischen Marian und Ted, aber auch in der Rolle Leos während seines Besuches auf Brandham Hall. Und Hartley schafft einen tollen Spannungsaufbau, weil man als Leser spürt, das die vermeintliche Sommeridylle nicht halten wird, so wie der lang anhaltende Sommer durch ein heftiges Gewitter endet.

Es ist in toto ein wirklich tolles Buch, gelesen im englischen Original.


Freitag, 2. Dezember 2022

Miguel de Cervantes Saavedra - Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha

 

Autor: 

Cervantes wurde vermutlich 1547 in Spanien geboren. Er hat Theologie in Salamanca und Madrid studiert und dann ein ziemlich abenteuerliches Leben gelebt. Nach einigen Jahren in Italien trat er notgedrungen in die Armee ein, wurde in einer Seeschlacht verletzt und auf dem Weg zurück nach Spanien als Sklave gefangen genommen. Erst 5 Jahre später wurde freigekauft und kehrte schließlich 1580 in die Heimat zurück. Die Erfahrungen aus der Gefangenschaft erarbeitete er in einem ersten, erfolglosen Theaterstück. Auch aufgrund seiner Armut kam er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt und war einige Zeit im Gefängnis. Dort begann er mit der Arbeit am Don Quijote, dessen erster Teil 1605 veröffentlicht wurde. Der zweite Teil erschien 10 Jahre später, kurz bevor Cervantes völlig verarmt 1616 in Madrid starb. 

Samstag, 15. Oktober 2022

Paul Auster - Stadt aus Glas


Autor:

Paul Auster wurde 1947 in Newark (USA) als Sohn jüdischer Immigranten geboren. Bereits in jungem Jahren hat er sich sehr für Literatur interessiert und früh entschieden, selbst Schriftsteller zu werden. Aber zunächst studierte er Anglistik und Literaturwissenschaft und jobbte einige Zeit in Paris. Mitte der 70er Jahre kehrte er in die USA zurück und wurde Dozent an der Columbia Universität. Literarisch schrieb er zu dieser Zeit eher Drehbücher und kurze Theaterstücke sowie unter Pseudonym einen Krimi. Mitte der 80er Jahre feierte er dann mit der New York Trilogie seinen Durchbruch als Romancier. Der bisher letzte Roman erschien 2017. Auster gilt heute als einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller und wird auch in Deutschland sehr viel gelesen. 

Montag, 27. Juni 2022

Stendhal - Rot und Schwarz

 


Autor:

Stendhal ist das Pseudonym des französischen Schriftstellers Marie-Henri Beyle, der 1783 in Grenoble geboren wurde. Zu Lebzeiten eher Journalist und Kritiker, gilt er heute als herausragender Vertreter des literarischen Realismus. Da seine Mutter früh verstarb und er kein gutes Verhältnis zu seinem Vater hatte, der seine Tante geehelicht hatte, wurde er stark von seinem Großvater und seiner Großtante mütterlicherseits gefördert. Als junger Mann ging er nach Paris, lebte dort bei einem Cousin, dessen Familie Napoleon Bonaparte nahestand. Entsprechend nahm Stendhal an einigen Feldzügen nach Italien, Deutschland und Russland teil. Nach den Kriegen lebt er zeitweise in Italien, aufgrund seiner Beschreibungen einer Reizüberflutung in Florenz wurde nach ihm das Stendhal Syndrom benannt. Tragisch verliebt war Stendhal in eine verheiratete italienische  Dame aus reicher Bankiersfamilie. Er schrieb zahlreiche Reiseschilderungen, einige Novellen, einen Roman und hatte 1829 die Idee zu seinem zweiten Roman, eben den hier zu besprechenden 'Rot und Schwarz', der auch sein literarisches Meisterwerk wurde. Stendhal verstarb 1842 an einem zweiten Schlaganfall.


Donnerstag, 2. Juni 2022

Max Frisch - Stiller

 

Autor: 

Max Frisch wurde 1911 in Zürich geboren und verstarb ebendort knapp 80 Jahre später. Er waren neben seiner Autorentätigkeit auch als Architekt tätig. Bekannt wurde er durch Theaterstücke sowie drei bedeutende Romane, zu denen der hier zu besprechende zählt. Erst nach seinen ersten literarischen Erfolgen widmete er sich ganz dem Schreiben, verliess dafür sogar seine Familie. Kernpunkt vieler seiner Werke ist die Suche nach der eigene Identität sowie der Bilder, die andere von einem haben.