Freitag, 2. Dezember 2022

Miguel de Cervantes Saavedra - Der sinnreiche Junker Don Quijote von der Mancha

 

Autor: 

Cervantes wurde vermutlich 1547 in Spanien geboren. Er hat Theologie in Salamanca und Madrid studiert und dann ein ziemlich abenteuerliches Leben gelebt. Nach einigen Jahren in Italien trat er notgedrungen in die Armee ein, wurde in einer Seeschlacht verletzt und auf dem Weg zurück nach Spanien als Sklave gefangen genommen. Erst 5 Jahre später wurde freigekauft und kehrte schließlich 1580 in die Heimat zurück. Die Erfahrungen aus der Gefangenschaft erarbeitete er in einem ersten, erfolglosen Theaterstück. Auch aufgrund seiner Armut kam er immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt und war einige Zeit im Gefängnis. Dort begann er mit der Arbeit am Don Quijote, dessen erster Teil 1605 veröffentlicht wurde. Der zweite Teil erschien 10 Jahre später, kurz bevor Cervantes völlig verarmt 1616 in Madrid starb. 


Buch:

Don Quijote ist zweifellos eines der bedeutendsten Werke der Weltliteratur. Vermutlich ursprünglich geplant als kurze Parodie auf die populären Ritterromane des 16. Jahrhunderts, ist daraus ein umfassender Roman über die Frage nach Realität und Ideal (Traum) geworden. Die hier besprochene Version basiert auf der Übersetzung von Braunfels, erschienen 1956. 2002 haben haben 100 bedeutende Schriftsteller auf Einladung des Nobel-Instituts den Roman zum besten Buch der Welt gewählt! Das Werk wurde außerdem im Laufe der Jahrhunderte immer wieder zitiert sowie in zahlreichen Opern und Filmen verarbeitet. 

Hauptfiguren:

- Don Quijote (DQ) von der Mancha (alias Quijano), Junker (Edelmann), ca. 50 Jahre
- Sancho Pansa, sein Schildknappe, eigentlich ein Bauer mit Frau und Kind
- Dulcinea von Toboso (alias Aldonza Lorenzo), ein Bauernmädchen, Gebieterin seines Herzens
- Dorotea, schönes Dorfmädchen, unglücklich in Don Fernando verliebt
- Cardenio, Ehemann von Luscinda, die aber von Don Fernando entführt wird
- Pfarrer und Barbier, beide aus dem Heimatdorf von DQ

Inhalt und Rezeption:

Die Selbstironie in der Vorrede, als der Autor daran verzweifelt, eben dieses Vorwort zu verfassen und von einem Freund Tipps entgegennimmt, ist schon einmal sehr amüsant. Auch wird deutlich, dass es sich bei dem Buch um eine Persiflage auf die seinerzeitigen Ritterromane handeln soll.

Don Quijote liest so gerne Ritterromane, dass er darüber seine eigentliche Aufgabe der Jagd und seiner Vermögensverwaltung vernachlässigt. Vom vielen Lesen wird er dann so verrückt, dass er selber als fahrender Rittersmann die gelesenen Abenteuer nachempfinden will. Er sucht sich eine Rüstung, ein Pferd, erwählt sich Dulcinea als Gebieterin seines Herzens, die in Wahrheit eine einfache Frau ist, die DQ zwar gesehen, aber niemals gesprochen hat, und zieht los, um den Hilfsbedürftigen beizustehen. 

Am Abend des ersten Tages erreicht er eine Schenke, die er ganz gemäß der Ritterromane als eine bedeutende Burg ansieht. Vor dem Eingang sind zwei Dirnen, die er als anmutige Edelfrauen ansieht. Hier wird bereits deutlich, dass er die Realität durch die Szenerie seiner Ritterromane ersetzt. Herrlich lächerlich dann das erste Abenteuer, als DQ ohne Helm und Rüstung abzulegen essen und trinken will sowie wie er sich von dem Wirt anschließend zum Ritter schlagen lässt. In weiteren Abenteuern erhält DQ ordentlich Prügel, schließlich wird er von einem Bauern aus seinem Ort nach Hause zurückgebracht. 

Amüsant ist auch die anschließende Bücherverbrennung, die Haushälterin, der Barbier und der Arzt von DQ verbrennen alle Ritterromane, weil sie für den Irrsinn DQs verantwortlich sein sollen. Die Gedichtbände wollen sie aber größtenteils behalten, eine kleine Selbstironie ist in der langen Aufzählung der einzelnen zu verbrennenden Bücher versteckt, eines ist nämlich von Cervantes selbst.

Nach einigen Tagen zu Hause sucht DQ einen dummen Bauern auf, verspricht ihm allerlei Wohlstand, so dass dieses Bauer, Sancho Pansa, ihn als Knappe auf seiner zweiten Ausfahrt begleitet. 

Gleich zu Beginn folgt die berühmte Windmühlenszene. Im Wahn, Riesen anzugreifen, stürmt DQ auf die Windmühlen los und wird dabei von den Flügeln übel verletzt. Dann beschwert er sich, dass derjenige, der auch seine Ritterromane hat verschwinden lassen, die Riesen in Windmühlen verwandelt hätte. Sic! Diese berühmte Szene umfasst nur eine Seite von den insgesamt 1.103 des Romans.

Im nächsten Abenteuer wendet Cervantes einen interessanten Kniff an. Mitten in der Geschichte unterbricht er sie und über mehrere Seiten wird geschildert, wie der Erzähler zunächst eine arabische Übersetzung der Geschichte kauft und übersetzen lässt, bevor der geneigte Leser das Ende der Auseinandersetzung von DQ mit einem Biskayer erfährt. 

Und hier mal ein Beispiel für die wirklich herrlich verschrobenen Texte. Es geht um ein Heilmittel gegen etwaige Verletzungen:
"Wenn ich ihn (Anm.: den Balsam) also bereite und ihn dir übergebe, so hast du nichts weiter zu tun, als daß du, wenn du mich bei irgendeinem Kampfe mitten auseinandergehauen siehst, wie das gar zu oft zu geschehen pflegt, mir die eine Hälfte des Körpers, die zu Boden gefallen ist, sachte und mit großer Fürsicht, ehe das Blut gerinnt, an die andre Hälfte, die im Sattel geblieben is, ansetztest, wobei du achthaben mußt, sie genau und richtig aneinanderzufügen; unverzüglich gibst du mir zwei Schluck und nicht mehr von besagtem Balsam zu trinken, und du wirst sehen, gleich bin ich so gesund wie ein Fisch."
Aber auch hehre Moralvorstellungen werden eingewoben, etwa die Verteidigungsrede der schönen Hirtin, Marcela, der vorgeworfen wird, durch ihre Ablehnung an eine Beziehung einen Freier in den Tod getrieben zu haben.

Die zahlreichen weitere Episoden sollen nicht einzeln nacherzählt werden. Hier aber ein paar der Themen:

- Schaf- und Hammelherden werden als feindliche Heere angesehen
- Die Barbier- oder Bartschüssels eines Barbiers wird als Turnierhelm angesehen
- Galeerensklaven werden befreit, die sich dann undankbar zeigen

Das Prinzip ist immer gleich, DQ verwechselt die echte Welt mit der des Rittertums, Sancho macht ihn darauf zwar aufmerksam, dringt aber nicht zu ihm durch und die meisten Abenteuer enden aufgrund eben dieser Missverständnisse mit Prügel und Schmach. Und für den Leser nützen sich die einzelnen Geschichten dann doch etwas ab. Langatmig sind des öfteren die Unterhaltungen zwischen DQ und Sancho und die Themen (Rittertum, Liebe zu Dulcinella) wiederholen sich zunehmends.

Im Verlauf des Buches werden dann einzelne Figuren aus den Episoden miteinander verbunden, so instrumentalisieren der Barbier und der Pfarrer Dorotea und Cardenio, um DQ nach Hause bringen zu können. 

Und es werden ganze Novellen eingebaut, die als selbstständige Geschichten funktionieren. Die erste davon ist die Novelle vom törichten Vorwitz (50 Seiten), in der ein Ehemann die Treue seiner Ehefrau durch seinen besten Freund testen will und dadurch ein furchtbares Chaos auslöst.

Nach allerlei Begegnungen und Abenteuern kehren DQ und Sancho zurück in ihr Heimatdorf, wo man DQ vergeblich von seinem Wahnsinn heilen will. Hier endet dann der erste Teil. Aufgrund des großen Erfolges des Buches hatte Cervantes einen zweiten Teil verfasst und so ziehen DQ und Sancho eines Tages wieder aus zu ihrer dritten Reise.

Die Abenteuer beginnen wieder und wiederholen sich dann doch irgendwie, es wird vermeintlich gegen einen Löwen gekämpft oder DQ trifft auf einen anderen fahrenden Ritter, hinter dessen Fassade sich aber ein Bewohner aus seinem eigenen Dorf verbirgt, der DQ wieder nach Hause führen soll. 

Da der zweite Teil 10 Jahre später veröffentlicht wurde, unterstellt Cervantes, dass viele der Figuren, die DQ begegnen, ihn schon aus dem ersten Teil kennen und sich somit seiner Verrücktheit bewusst sind, so dass die Abenteuer etwas glimpflicher ausgehen. Zäh sind vor allem die langen Unterhaltungen zwischen DQ und Sancho, die sich immer wieder um dieselben Themen drehen, das Rittertum, die fiktive Gebieterin Dulcinea und Sanchos Wunsch nach einer stattlichen Belohnung für seine Dienste (die Insul).

Als die beiden für längere Zeit bei einem Herzog und seiner Frau unterkommen, haben diese soviel Spass an den Verrücktheiten von DQ und Sancho, dass sie mehrere Abenteuer inszenieren und sich dann an den Reaktionen laben. So bekommt Sancho endlich seine Insul und darf sich temporär als Statthalter ausprobieren.


Lesespaßfaktor:

Auch wenn ich mich für alle Art von Rittergeschichten nie interessiert habe, so ist diese Persiflage auf die Rittergeschichten schon wunderbar zu lesen. Die Figuren waren in Romanen aus dem 16. Jahrhundert nicht nicht so psychologisch und individuell entwickelt, aber die Geschichten um DQ und Sancho sowie die eingestreuten Novellen und lyrischen Texte sind kunstvoll verwoben und voller Humor. Es geht immer wieder um die Frage, was ist denn eigentlich die Realität und was ist ein Hirngespinst. DQ als Vertreter des verarmen Adels, Sancho als Vertreter des einfachen Volkes entwickeln im Laufe ihrer Reisen ihre Freundschaft trotz aller Gegensätze und trotz der Ritter/Knappe Beziehung.  Gleichzeitig sind sie ein bisschen auch wie das Komikerduo Dick und Doof. Mir hätten einige hundert Seiten weniger aber auch gereicht, dennoch kann ich gut nachvollziehen, warum dieses Buch zur Weltliteratur gezählt wird. 



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