Donnerstag, 7. Dezember 2023

Matt Haig - Die Mitternachtsbibliothek

 

Autor:

Der Brite Haig wurde 1975 geboren und hat Englisch sowie Geschichte studiert. Bevor er ein Bestsellerautor wurde hat er auf Ibiza einen Club gemanaged, dort einen psychischen Zusammenbruch erlitten, der ihn anschließend verstärkt zum Schreiben veranlasst hat. Er schreibt neben fiktionalen Werken auch Sachbücher und arbeitet als Journalist. Viele seine Bücher, die Erwachsenen- und Jugendbücher umfassen, beschäftigen sich mit Phantastik. Seine ersten beiden Romane Anfang der 00 Jahre sind Neuerzählungen von Werken Shakespeares. Das bisher erfolgreichste Werk ' The Humans' erschien 2013


Buch:

Dieses Werk ist noch sehr jung, es erschien vorletztes Jahr und war in seiner deutschen Übersetzung viele Wochen auf den deutschen Bestsellerlisten, in England und den USA sogar noch erfolgreicher. Ich hätte es mir vermutlich nicht selbst gekauft, aber mal sehen, was dieses Geschenk zu bieten hat.


Hauptfiguren:
  • Nora Seed, eine lebensmüde Mittdreißigerin
  • Mrs. Elm, Bibliothekarin sowohl im richtigen Leben als auch in der Mitternachtsbibliothek

Inhalt und Rezeption:

Nora Seed, studierte Existenzphilosophin, ist einsam. Dann stirbt erst ihre Katze und am folgenden Tag verliert sie ihren Job in einem Musikgeschäft. Sie beschließt, ihrem Leben ein Ende zu bereiten. In den Stunden vor ihren Freitod blickt sie immer wieder auf Episoden ihres verkorksten Lebens zurück, abgebrochene Sportkarriere, abgebrochene musikalische Karriere, die zum Zerwürfnis mit ihrem Bruder geführt hat sowie eingeschlafene Freundschaften und eine kurz vor der Hochzeit abgesagte Ehe.

Nach ihrem Selbstmord landet Nora aber im zeitlichen Stillstand (um Mitternacht) in einer Bibliothek, angeblich ein Zwischenstadium zwischen Leben und Tod. Dort offeriert ihr jedes Buch eine andere zukünftige Version ihres Lebens. Ausgangspunkt ist das Buch des Bereuens, in dem alle ihre Reuegefühle aus ihrem bisherigen Leben chronologisch aufgelistet sind. 

Das erste "neue" oder besser alternative Leben unterstellt, sie hätte sich von ihrem Verlobten nicht getrennt und statt dessen mit ihm seinen Lebenstraum erfüllt, einen Pub auf dem Dorf zu führen. Aber schnell merkt sie, dass sich dieses Leben nicht besonders positiv entwickelt hätte und sie sich nicht wohl fühlt, so dass sie nach sehr kurzer Zeit wieder in die Mitternachtsbibliothek zurückkehrt, um das nächste alternative Leben auszuprobieren. 

Im nächsten Versuch landet sie in Australien, vermeintlich bei ihrer ehemals besten Freundin, um festzustellen, dass diese einige Wochen vorher tödlich verunglückt war. In alle alternativen Leben wird sie hineingeworfen, ohne aber die Situation, in der sie aufwacht oder die Menschen in dieser Lebenssituation zu kennen bzw. die Situation derjenigen Menschen zu verstehen, die sie vermeintlich kennt. So muss sie plötzlich mit ihrem eigentlich längst verstorbenen Vater sprechen, weil sie in einem Leben landet, in dem sie die Entscheidung, mit dem Schwimmen aufzuhören, revidiert hat. Das nimmt der Idee, andere Leben als das eigene zu leben, leider viel von ihrem Charme, denn Nora tapst durch die verschiedenen neue Leben, weil sie mit ihrer tatsächlichen Vergangenheit in neue Leben gebracht wird ohne die Vergangenheit ihres alternativen Ichs zu kennen. Daher fühlt sie sich in den Leben auch nicht daheim und kehrt immer wieder in die Bibliothek zurück. Und der Leser fühlt sich irgendwie immer peinlich berührt, wenn Nora wieder Gespräche führen muss, ohne irgendetwas über die Themen und Personen zu wissen.

Und natürlich erkennt sie, dass sie eigentlich doch gar nicht sterben will, vor allem in dem Leben als Gletscherforscherin. Dort trifft sie auch Hugo, der sie durchschaut, weil er selbst durch die verschiedenen Leben reist. und er erklärt auch die physikalischem Gründe für die Möglichkeit ihrer Situation. In der Quantenphysik gibt es nämlich unendlich viele Paralleluniversen. Jedes andere Leben erscheint auf jeden Fall viel aufregender zu sein, auch als Musikerin, plötzlich im Rampenlicht auf einer großen Bühne, wo sie etwas singen soll, was sie gar nicht kennt und Interviews geben muss, um über Themen zu sprechen, die sie gar nicht kennt. 

Die nächsten Leben fließen an ihr vorbei, zuletzt wird nur ein Satz darüber geschrieben. Zufrieden macht sie das nicht. Schließlich landet sie in einem Leben, wo sie selbst eine kleine Tochter hat. Und schon ist alles so toll! Sie selbst ist Dozentin für Philosophie in Cambridge, ihr Mann Ash, den sie von früher kennt, ist Chirurg, das Verhältnis zu ihrem Bruder Joe ist wieder gut. Das perfekte Leben. Erstmals überlegt Nora, dort zu bleiben. Und dann kommt plötzlich auch die Erinnerung an ihre Vergangenheit im neuen Leben, da wird der o.e. Konstruktionsfehler in der Geschichte überraschend behoben. Aber trotz ihrer Freude über dieses Leben muss sie wieder in die Mitternachtsbibliothek zurückkehren. Diese steht in Flammen, alle ihre möglichen Leben verbrennen gerade und sie droht nun endgültig zu sterben. Aber es gibt ein letztes Buch, das als einziges nicht brennt. Sie ergreift es, um festzustellen, dass dort nichts drinsteht, denn es ist ihr altes Leben und sie muss dieses nun mit Leben füllen, um weiterleben zu können, denn das will nun natürlich. Und so sei es! Nun will sie nur noch ein Mensch ein, der um sein eigenen Lebenssinn kreist.


Lesespaßfaktor:

Nun, was sagt mir dieses Buch? Es ist schon ein interessanter Plot, der den Leser einlädt, selbst darüber nachzudenken, was man bereut und welches alternative Leben man hätte leben können. Sprachlich ist es einfache Literatur mit meist sehr kurzen, einfachen Sätzen, eher im Stil eines Jugendbuches. Und es gibt manchmal ziemlich banale Sätze wie etwa: "Taschentücher sind mit dem Leben vergleichbar. Es gibt immer noch mehr davon." oder banale Lebensweisheiten wie etwa: "Man sollte die Bedeutung nebensächlicher Dinge nie unterschätzen." Aber auf der anderen Seite gibt es auch schöne Gedanken, wie etwa: "Andere Menschen, egal wie ehrlich man zu ihnen ist, sehen die Wahrheit nur dann, wenn sie nah genug an ihrer eigenen Realität liegt."

Ich habe das Buch sehr schnell gelesen, ein bisschen so, als wenn man einen Wohlfühl-Fernsehfilm schaut. Gute Unterhaltung, aber keine intellektuelle Herausforderung. Aber auch kein Buch, bei dem man sich der Lektüre schämen müsste.

♡♡

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