Mittwoch, 5. August 2020

Meine Geschichte des Musikhörens

Praktisch jeder Mensch hört irgendwann und irgendwo Musik, manchmal freiwillig, oft unfreiwillig wie z.B. in Geschäften und Restaurants. In meinem Musikblog soll es um das freiwillige Hören gehen, um die Lust an der gehörten Musik.

Ich bin zu meinem großen Bedauern so gar nicht gesegnet mit der Fähigkeit, selber Musik zu machen, ich kann kein einziges Instrument spielen und ich kann nicht singen. Ja ich weiß, es gibt Musiklehrer, die behaupten, jeder könnte singen oder ein Instrument lernen. Meine Theorie ist, dass sie das sagen, weil sie davon leben, Unbegabten das Spielen eines Instruments oder das Singen beizubringen und je unbegabter sich die Unbegabten anstellen, desto besser ist es für ihr Einkommen.

Bleibt mir der aktive passive Konsum, nämlich das bewusste Hören von von anderen gemachter Musik. 

Ich denke, es ist spannend, sich dabei selbst zu vergegenwärtigen, wie sich im Laufe der Zeit der Musikgeschmack entwickelt und dabei auch immer wieder verändert hat. Sozusagen die Sozialisation des Musikhörens. Und diese Veränderungen ziehen sich auch durch die technische Ausstattung, welche Anlage man hat, um Musik zu hören.

Wie fing es in der Kindheit an? Meine Erinnerungen sind ein einfacher Plattenspieler, der im Wohnzimmerschrank versteckt war, und der mehrere LPs nacheinander automatisch abspielen konnte. Die Lautsprecher waren auf dem Schrank versteckt. Meine Eltern besaßen nur sehr wenige Platten, fast ausschließlich Schlager und deutsche Volksmusik, ich erinnere mich an Platten von Tony Marshall, Heintje oder den Westfälischen Nachtigallen. Wenn sich die Familie am Wochenende bei meinem Onkel traf, dann wurde aber auch schon mal klassische Musik aufgelegt, meistens auf deutsch eingesungene italienische Belcanto Opern, gesungen von Rudolf Schock, Rene Kollo oder Anneliese Rothenberger. Immerhin hatte mein Onkel ein tolle Anlage von Revox, die in einer großen Truhe untergebracht war. 

In meiner Jugend kam dann das Radio dazu, die Hitparadensendungen im WDR hießen damals 'Mal Sondock's Hitparade' oder 'Schlagerrallye', so der erste Kontakt zu Pop- und Rockmusik. Meine erste Musikkassette war 'Nightflight to Venus' von Boney M. Dann hörte ich oft im britischen Militärsender BFBS die 'Monday Rockshow', wo vor allem Hard Rock gespielt wurde, Iron Maiden oder Whitesnake.
Als ich 1982 mit 16 Jahren zu Freunden meines Onkels in die USA reisen durfte, habe ich von dort 3 Alben mitgebracht, die auch heute noch sehr gerne höre. Dies waren: Foreigner: '4'; REO Speedwagon: 'Keep On Loving You' und Asia: 'Asia'.


Klassischer Mainstream Rock aus den USA, mit dem man sich aber in seinem Freundkreis ein klein Wenig abgesetzt hat vom europäischen Massengeschmack der Zeit. Dadurch ging etwa die Neue Deutsche Welle ziemlich emotionslos an mir vorbei. Aber natürlich habe ich damals auch jeden Dienstag die ersten Musikclips in der Sendung Formel Eins mit Ingolf Lück geschaut, meistens zusammen mit meiner Großmutter, die sich dann über das bunte Outfits der Musiker lustig gemacht macht. 

Mit dem Start in das Berufsleben 1988 hatte ich dann erstmals selbst verdientes Geld und da ich noch zu Hause wohnte, konnte ich es auch ausgeben. Und so habe ich mit die erste richtige HiFi Anlage gekauft, einen Verstärker von Luxman (L 410), ein Kassettendeck und einen Tuner von Kenwood und wenig später den ersten CD Spieler von Philips (CD 104). Die Lautsprecher waren eine No Name Marke, die mir der Händler empfohlen hatte. Zusammen mit einem hübschen, weißen Phonoschrank habe ich damals etwa 2.000 DM ausgegeben, eine stolze Summe. 

Und damit erweiterte sich auch der musikalische Horizont. Ein Freund kopierte mir die erste klassische Musik auf eine Kassette, auf der einen Seite die 9. Sinfonie von Antonin Dvorak 'Aus der Neuen Welt', auf der anderen Seite die 'Vier Jahreszeiten' von Antonio Vivaldi. Welche Einspielungen das waren, das habe ich leider vergessen. Aber ich begann mich verstärkt für Klassik zu interessieren, so dass ich kurz darauf meine erste Klassik CD gekauft habe, und das war die 'Nussknacker' Suite von Peter Tschaikowsky, in der Einspielung mit dem Orchester Academy of St. Martin in the Fields unter dem Dirigat von Sir Neville Marriner. Diese Interpretation habe ich noch heute, inzwischen auch digitalisiert auf einer Festplatte und ich mag sie immer noch sehr. Unglaublich, dass es damals erhebliche Zweifel daran gab, wie lange denn wohl eine CD halten würde, niemand hätte an mehr als 40 Jahre geglaubt.



Im Laufe der nächsten Jahre meiner Banklehre und des sich anschließenden betriebswirtschaftlichen Studiums habe ich begonnen, -oft um mich zu belohnen- CDs zu sammeln. Innerhalb der klassischen Musik hat sich meine Begeisterung zunächst auf Sinfonien konzentriert, aus der klassischen und romantischen Zeit, vor allem die Sinfonien von Beethoven und Tschaikowsky, dann Schumann, Schubert, Dvorak und viele andere wanderten in die Sammlung. Erste Instrumentalkonzerte kamen dazu, vorwiegend Klavierkonzerte, aber auch Violinkonzerte, auch wenn ich mich zunächst mit der Violine schwergetan habe. Da sowohl meine Mutter als auch meine Schwester in einem Chor gesungen haben, war der nächste Schritt meiner Repertoireerweiterung Vokalmusik. vor allem geistliche Musik. Ich konnte am besten lernen, wenn ich Messen und Requien hörte, von Haydn, Mozart oder Verdi. Zeitlich habe ich dabei langsam zurückbewegt, nach Romantik und Klassik fing langsam meine Begeisterung für Barockmusik an, ganz frühe barocke Werke von Monteverdi, aber natürlich auch von Bach oder Händel. Schließlich kamen Opern hinzu. Was sich mir aber immer noch nicht erschließen wollte, war die Kammermusik und alles, was nach Mahler und Bruckner kam.

Auf ein nicht so bekanntes Werk von Beethoven möchte ich gerne aufmerksam machen. Und zwar die Chorfantasie op. 80. Das Stück hatte ich zu Silvester mal im Fernsehen entdeckt. Es handelt sich um eine seltene Kombination von Orchester, Klavier, Solisten und Chor. Das Werk dauert nur knapp 20 Minuten und ist ein Gelegenheitswerk von Beethoven, aber es steckt voller Dynamik und Pathos. Die Einspielung mit Maurizio Pollini und Claudio Abbado war die, die ich auf eine Kassette überspielt hatte. Als ich 1992 meine Examensklausuren geschrieben habe, habe ich jedes Mal früh morgens vor den Klausuren dieses Stück in voller Lautstärke gehört und mich damit aufgeputscht, die letzten beiden Textzeilen des Chores lauten nämlich:

Wenn sich Lieb' und Kraft vermählen,
lohnt den Menschen Götter-Gunst.


Und das Wort 'Kraft' wird mehrfach wiederholt, das passte wunderbar zum Moment des Klausurschreibens.



Mit dem Eintritt ins Berufsleben und ersten etwas höheren Einkommen entwickelte sich auch der Wunsch, die Anlage aufzurüsten. Mitte der 1990er Jahre habe ich dann schrittweise neue Hardware angeschafft, hervorzuheben einen CD Spieler von der französischen Firma Micromega und kleine Regallautsprecher von der britischen Firma Ruark. An meinen musikalischen Präferenzen hat sich aber nicht so viel geändert, einzig fing ich langsam an, etwas mehr Jazz zu hören, allerdings bevorzugt vokaler Jazz. Ausschlaggebend dafür war eines der besten Konzerte, die ich hören durfte. Das war ein Auftritt der US amerikanischen Sängerin Cassandra Wilson, die seinerzeit ihr Album "New Moon Daughter" vorstellte. Aufgrund der vielen perkussiven Elemente in Kombination mit der tiefen, verrauchten Stimme von Cassandra Wilson in einem relativ kleinen Konzertsaal war der Auftritt so etwas wie der Auslöser, sich mehr mit vokaler Jassmusik zu beschäftigen.


Nach diversen Umzügen in größere Wohnräume habe ich dann schrittweise meine Anlage vergrößert und leider auch verteuert. Ca. 2005 folgten die nächste Käufe, ein neuer Verstärker von Symphonic Line, einer kleinen Manufaktur in Duisburg, sowie neue Lautsprecher von Avantgarde Acoustics (Modell 'Symbol') aus den USA landeten in unserem Wohnraum. Und ich habe nach mehrjähriger Unterbrechung wieder angefangen, Schallplatten zu hören, zu diesem Zweck kaufte ich einen relativ günstigen Plattenspieler von Pro Ject. Musikalisch begann ich danach, mein Repertoire auf Kammermusik auszuweiten, besonders die Streichquartette von Haydn oder Violinsonaten von Mozart und Beethoven waren die ersten Berührungspunkte. Und je audiophiler die Anlage wurde, desto mehr hörte ich Jazz, was das bestmögliche Live Erlebnis in die Wohnung brachte.

Was fortwährend weiter ging was das Kaufen von CDs, die Sammlung wurde immer größer, obwohl der Platz dafür nicht mitwuchs. Parallel dazu war mit der Klang meiner Anlage etwas zu leicht und etwas zu spitz in den Höhen, vor allem bei Sologesang. Einige gute Jahre bei meinem Arbeitgeber bescherten dann auch mal einen guten Bonus, so dass ich ein letztes Mal (versprochen!) nach neuen Schallwandlern Ausschau hielt. Fündig geworden sind wir nach längerer Suche erneut bei Symphonic Line, wo wir das dritte je gebaute Paar des Topmodells 'Belcanto MK 2' erworben haben. Dazu musste dann noch der Verstärker aufgerüstet werden, um ausreichend Kraft an die Lautsprecher zu schicken. Diese handgefertigten Schallwandler sind nun seit ein paar Jahren unser täglicher musikalischer Begleiter und sie werden es hoffentlich noch sehr lange bleiben. Irgendwann begannen schließlich auch unsere Überlegungen, ob man die CD Sammlung nicht digitalisieren sollte, um sie dann zu streamen. Es war eine Mammutaufgabe, alle CDs einzulesen, zu taggen und auf einer Festplatte abzuspeichern. Aber wir sind froh, das gemacht zu haben. Heute streamen wir von einem NAS Server, der DAC von PS Audio übersetzt alle Dateiformate ins Analoge und die Bedienung erfolgt bequem vom Tablet aus, erst letzte Woche wurde das Setup ergänzt um ein kleine Streaming Box von Pro Ject, um auch aus dem Internet verlustfreie Datenformate verarbeiten zu können.

Ich glaube nicht, dass ich mein Spektrum an Musik künftig noch nachhaltig verändern werde. Ich höre in der Klassik alles gerne vom Frühbarock bis hin zum frühen 20. Jahrhundert. In Live-Konzerten ist auch zeitgenössische Musik manchmal interessant, aber wenn ich zu Hause Musik höre, dann wähle ich die nicht aus. Bei Jazz geht es mir sehr ähnlich, viele Stilrichtungen gefallen mir sehr gut bis hin zum Hardbop, aber Free Jazz oder auch Jazzrock sind nicht meine Favoriten.

Für mich ist es entscheidend, dass ich Emotionen entwickeln kann, dass ich gepackt werde durch die Musik. Natürlich muss man sich oft in neue Stücke einhören und sollte nicht gleich nach den ersten Takten sagen, das man etwas nicht mag. Aber wenn es mir auch nach dem zweiten oder dritten Hören immer noch nicht gefällt, dann lasse ich es, selbst wenn der Kritiker im Feuilleton der wichtigen Zeitung das anders sieht. Das Leben ist zu kurz, um schlechte Musik zu hören. Und gute Musik definiert sich allein danach, was mir ganz persönlich gut gefällt. In dem einen oder anderen Blog will darüber in Zukunft ein paar Musikstücke kurz vorstellen, die mir besonders gut gefallen, die meine Emotionen geweckt haben. Vielleicht steckt das dann ja auch den einen oder anderen Leser an. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen