Montag, 24. August 2020

Georg W. Alsheimer - "Eine Reise nach Vietnam"

Nicht, dass ich nun unsere Bibliothek streng nach dem Alphabet der Autoren durcharbeiten will, aber das zweite Buch, dass ich hier besprechen möchte, ist tatsächlich auch das zweite in dieser Ordnung. Auch hier gilt, dass ich von dem Autor vorher nie etwas gehört oder gelesen habe und mich genauso frage, wie es dieses Buch in unsere Bibliothek geschafft hat. Aber vor vielen Jahren habe ich mal ganze Bücherpakete von "Zweitausendeins" gekauft, vermutlich war es darunter.













Autor:

Georg W. Alsheimer ist das Pseudonym des deutschen Psychiaters und Professors Erich Adalbert Wulff. Er wurde im heutigen Estland 1926 geboren und verstarb 2010 in Paris. Als junger Mensch hat er noch die letzten Jahre des 2. Weltkrieges an der Ostfront erlebt und war einige Jahre in französischer Kriegsgefangenschaft. Nach seiner Entlassung und dem Studium von Medizin und Philosophie sowie einer Ausbildung zum Psychiater hat er im Rahmen eines Forschungsauftrages von 1961 bis 1967 zu Zeiten des Vietnamkrieges einen Lehrauftrag in Vietnam wahrgenommen. In dieser Zeit hat er sich mit der südvietnamesischen Opposition gegen die amerikanische Besatzung identifiziert. Zurück in Deutschland war er in der Friedensbewegung engagiert und hat u.a. am Vietnamkongress teilgenommen. Seine Erlebnisse aus dieser Zeit in Vietnam hat er in einem ersten Buch ("Vietnamesische Lehrjahre) geschildert.


Buch:

Das vorliegende Werk ist ein Reistagebuch über die Rückkehr nach Vietnam im Jahre 1979 und beschreibt das Wiedersehen viele Jahre nach Ende des Krieges in einem nunmehr kommunistischen Land. So sehr der Autor mit den sozialistischen/marxistischen Ideen sympathisiert, so beschreibt er doch sehr eindringlich und offen seine Eindrücke vom Wiedersehen alter Freunde, von politisch geprägten Veranstaltungen im Rahmen einer Reise zu einem Kongress der afro-asiatischen Organisation für Völkersolidarität.

Inhalt und Rezeption:

Nach all diesen Vorbemerkungen kostet es mich dann doch Überwindung, mit der Lektüre zu beginnen. Zunächst einmal schnappe ich mir den Brockhaus und lese etwas über vietnamesische Geschichte, vor allem zu Zeiten des Vietnamkrieges, eines klassischen Stellvertreterkrieges zwischen der Sowjetunion und China auf der einen und den USA auf der anderen Seite, symbolisiert auch durch die Teilung des Landes. 

Aber Alsheimer gelingt es dann doch, mein Interesse zu wecken. Ich war ja selbst früher auf Studienfahrten in sozialistischen Ländern wie der Tschechoslowakei, der Sowjetunion und natürlich der DDR, so dass ich zumindest in etwa nachfühlen kann, wie es auch in Vietnam Ende der 1970er Jahre zuging. Das bunte Leben von früher aus der indochinesischen Zeit mit starkem französischem Einfluss ist verschwunden, den kleinen Händler auf den Märkten wird ihr Geschäft weggenommen, Handel zählt nichts, alle sollen produzieren, am besten als Bauer Lebensmittel. 

Schwer macht es einem der Autor, sich all die Namen der Personen zu merken, seien es die seiner Freunde aus alter Zeit, seien es die von historischen Figuren oder die der heutigen Funktionäre. Irgendwann lese ich über die einfach hinweg und freue mich über die zunächst durchaus kurzweilige Beschreibungen der Treffen mit den alten Genossen und wie er oft versucht, die allgegenwärtigen Aufpasser loszuwerden und kurze Momente des vertraulichen Dialoges zu finden. 

Aus der Perspektive des Jahres 2020 und mit dem Wissen des Zusammenbruchs vieler sozialistischer Systeme ist die Verklärung dieser Jahre interessant zu lesen, damals nachvollziehbar nach den unendlichen Schrecken des Krieges, aber eben auch damals weit an den echten Bedürfnissen der Menschen nach Nahrung, Arbeit und Freiheit vorbei. Die frühe Motivation des Autors erkennt man sehr schön an der folgenden Textpassage:
"Damals hatte ich bei mir das Bedürfnis, die Menschen befreien zu helfen aus dem Elend (…), gerade erst zu der einzigen intellektuell befriedigenden Lösungsstrategie gefunden, dem Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft nach marxistischen Grundsätzen. Ich war fasziniert (…) von der Möglichkeit, dass es einen Weg gab, auf dem die Menschen sich selbst aus Elend und Unterdrückung befreien konnten: und dass dieser Weg wissenschaftlich vorausplanbar war."

Im Laufe des ohne einzelne Kapitel und fast ohne Absätze einfach durcherzählten Besuchsprotokoll macht sich bei mir dann aber doch schnell Langeweile breit. Die einzelnen Treffen behandeln wenig die Menschen als vielmehr die ständige Überprüfung, ob die sozialistische Gesinnung der Personen noch so ist wie zu Zeiten des Krieges. Und wie man es kennt aus solchen Ländern, überall gibt es Überwachung und Bespitzelung. Das dies Ende der 1970er Jahre mit all den Erfahrungen aus dem europäischen Ostblock einen hoch intelligenten Autor noch zu irritieren scheint, das wundert mich etwas. 

Irgendwann will ich dann aber nicht mehr wissen, wie es weitergeht und beende meine Lektüre. So kann man einen neutralen Leser nicht begeistern. Das Buch ist inzwischen auch einfach aus der Zeit gefallen und nicht mehr aktuell.

Lesespaßfaktor:

 ♥♡♡♡♡




 

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