Samstag, 16. Januar 2021

Yukio Mishima - Der Goldene Pavillon

 

Autor: 

Yukio Mishima, geboren 1925 und gestorben 1970 in Tokio, war ein japanischer Schriftsteller, Schauspieler und Model, der neben Romanen auch Gedichte, Erzählungen, Bühnenstücke und ein Libretto schrieb. Er gilt als einer der wichtigsten Autoren des 20. Jahrhunderts. Er hat sich auch politisch engagiert und war ein erklärter Gegner des zunehmend westlichen Einflusses auf die japanische Kultur. Mit Mitglieder einer von ihm begründeten Miliz unternahm er 1970 einen Putschversuch, um die Monarchie wieder an die Macht zu bringen. Nach dem Scheitern dieses Putschversuches beging Mishima Selbstmord.1968 sollte Mishima den Nobelpreis für Literatur erhalten, der aber aus politischen Gründen zurückgezogen wurde. Seine politische Einstellung erklärt sich durch die Erziehung durch seine Großmutter, die im Kaiserhaus aufwuchs. Insbesondere sein Vater war strikt gegen seine Hinwendung zur Literatur, die ihm als zu wenig männlich galt.

Buch:

Stilistisch Angabe gemäß der Avantgarde zuzuordnen gehört dieser Roman zu den mittleren Werken des Autors, es erschien 1956, die hier besprochene neue Übersetzung erschien 2020. Avantgardistisch wirkt es aber auf mich nicht, es ist einfach eine sehr schön erzählte Novelle.

Inhalt und Rezeption:

Der Icherzähler Mizoguchi ist schwächlich, hässlich und er stottert. Daher wird er verspottet und entwickelt einen zwiespältigen Machtwillen mit Fantasien einerseits von Hinrichtungen seiner Lehrer und Mitschüler, andererseits aber auch von dem Wunsch, ein großer Künstler zu werden. Sein Vater ist Priester in einem entlegenen buddhistischen Tempel, daher wuchs er bei einem Onkel auf. 

Der Goldene Pavillon heißt Kinkaku (den es als eine Reliquienhalle seit 1398 wirklich in Kyoto gibt), Mizuguchi kennt ihn zunächst nur von den Erzählungen seines Vaters als das Schönste auf der Welt. Ein Mädchen in der Nachbarschaft namens Uiko hat es ihm angetan, eines Tages stoppt er es auf ihrem Weg zur Arbeit, weiß dann aber nichts zu sagen, schämt sich und ist später wütend, als er erfährt, dass Uoki ihn bei ihrem Vater verpetzt, der seinen Onkel informiert, woraufhin der ihn maßregelt; daraufhin wünscht er dem Mädchen den Tod und ist erfreut, als es von einem ebenfalls von ihr verratenen Deserteur des Krieges erschossen wird.

Als er mit seinem Vater eines Tages den Goldenen Pavillon besucht, ist er zunächst enttäuscht, erst später beginnt er ihn als das Schönste zu verklären. Der Abt des Tempels namens Dosen Tayama soll sich als Freund des Vaters nach dessen zu erwartenden baldigen Tode um den Jungen kümmern. Als der Vater tatsächlich kurz nach dem Besuch des Tempels verstirbt, wird Mizuguchi dort Novize (Jahr 1944).

Eine seltsame Episode folgt, in der ein betrunkener US Soldat, der mit einer japanischen Prostituierten zu einer frühmorgendlichen Führung in den Pavillon kam und ihn zwingt, der Prostituierten in den Bauch zu treten, die daraufhin eine Fehlgeburt erleidet und den Tempel auf Entschädigung verklagt. Dieses 'etwas Böses getan zu haben' fasziniert Mizoguchi aber durchaus. Dies ist wohl als Kritik an der Besatzungsmacht zu verstehen und als Bedauern über den Niedergang des japanischen Reiches.

Kurze Zeit später beginnt Mizuguchi an der Uni  sein Studium und freundet er sich dort mit einem klumpfüßigen Kommilitonen namens Kashiwaga an, der ihm lang und breit eine seltsame Geschichte seiner Entjungferung erzählt. 
- als sein erster wirklicher Freund Tsurukawa aus dem Kloster bei einem angeblichen Unfall stirbt, ist Mizoguchi sehr traurig. ("einzige Faden, der mich mit der hellen Welt des Tages verband"), er erkennt daraufhin seine Bestimmung zur Einsamkeit.

Bei seinen Streifzügen durch Kyoto traf er eines Nachmittags zufällig seinen Zenmeister (Roshi) mit einer Geisha im Vergnügungsviertel der Stadt, der daraufhin verärgert reagiert und ihm vorwirft, ihn zu verfolgen. Das scheint seine Chancen, einmal der Nachfolger zu werden, zu schwächen, zumal er ihn noch provoziert, in dem er ihm in die Tageszeitung eine Postkarte ebendieser Geisha steckt. Und genauso kommt es dann auch. Dieser Vorfall sowie seine bewusst schlechten Studienleistungen führen zu der Konsequenz, dass er verstoßen wird.

Mizoguchi nimmt dann Reißaus und reist mit geliehenem Geld per Zug in den Nordwesten von Kyoto. Auf seinen Wanderungen am Meer kommt ihm dann die Erkenntnis, er müsse den Goldenen Pavillon anzünden, frei nach dem Motto, der verletzliche Mensch strebt nach Unsterblichkeit, der vermeintlich unsterbliche Pavillon kann aber zerstört werden, ein paar Tage später kehrt er zurück in das Kloster.

Ausgerechnet Kashiwaga übergibt ihm 3 Jahre nach dem Tode Tsurukawas Briefe, die dieser an Kashiwaga geschrieben hat, Mizuguchi wusste gar nicht, dass die beiden auch befreundet waren, er ist eifersüchtig. Aus den Briefen ergibt sich, dass Tsurukawa Selbstmord wegen einer unglücklichen Liebe begangen hat, diese Begebenheit treibt ihn weiter in seine Verzweiflung.

Mizoguchi beschließt nun, den Pavillon anzuzünden, um sich zu befreien. Ein letztes Mal bewundert er in der Dunkelheit die Schönheit dieses Gebäudes, bevor er die Streichhölzer anzündet. Aber statt wie geplant in den Flammen umzukommen, rennt er im letzten Moment doch nach draußen und will plötzlich weiter leben. Ende der Geschichte.

Lesespaßfaktor:

Der Tempelbrand ist tatsächlich ein historisches Ereignis vom 2. Juli 1950, als ein Novize namens Yoken Haysashi dieses Feuer legte und er auch festgenommen wurde, da er vergeblich versucht hatte, sich zu töten. Bei ihm wurde leichte Schizophrenie diagnostiziert. Das ist das geschichtliche Fundament für diesen Roman.

Ehrlich gesagt ist die Beziehung im Sinne der zugemessenen Bedeutung zwischen Mizoguchi und dem Tempel für mich nicht wirklich nachzuvollziehen. Ein Tempel als Symbol der Ewigkeit versus der Versuch der Hauptfigur, ins Leben zu kommen, wobei ein Tempel das dann verhindert. Ernsthaft? 

Am Ende ist es doch so, dass hier von einem Einzelgänger erzählt wird, der sich gar nicht in die Gesellschaft, in das Leben einbringen will. Folgendes Zitat verdeutlicht das schön:
"Eine ewige Schönheit kann uns wahrhaftig den Zugang zum Leben versperren und es uns sogar vergiften. Und die Schönheit des Augenblicks, die das Leben vor uns aufblitzen lässt, hat diesem Gift nicht das Geringste entgegenzusetzen."
Die japanische Kultur und damit auch die Sprache ist mir trotz zweier kurzer Besuche in Tokio ziemlich fremd und auch in der deutschen Übersetzung finden sich ganz andere Bilder, Symbole und Metaphern als im westlichen Kulturkreis. Das ist einerseits reizvoll, weil es so anders ist, macht es andererseits aber auch schwer, die Gedanken wirklich nachvollziehen zu können.

Man kann es andererseits aber auch einfach so rezipieren, dass es die Geschichte einer schwierigen, unverstandenen Jugend ist, wo ein junger Mann ohne die richtige Anleitung durch die Eltern oder die Lehrer im Zen Kloster und der Universität auf Abwege gerät, die schließlich in dem Feuer kulminieren, dann ist es plötzlich gar nicht mehr so fremd.

Die Sprache (und damit auch die Übersetzung) ist jedenfalls sehr schön, beim Lesen habe ich immer einen reich bebilderten Arthouse Kinofilm vor Augen. 








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