Mittwoch, 10. März 2021

Gabriel Garcia Marquez - Die Liebe in den Zeiten der Cholera


Autor: 

Gabriel Garcia Marquez wurde 1924 in Kolumbien als ältestes Kind in eine Großfamilie mit 11 Geschwistern geboren, wuchs aber zunächst bei den Großeltern väterlicherseits auf. Auf Wunsch der Eltern studierte er zunächst Jura, gab das Studium aber aus Langeweile auf. Ab 1954 arbeitete er als Journalist, wobei er auch viel reiste. Für Fidel Castro schrieb er ein Buch über die Erfolge der Revolution und wurde ein enger Freund von ihm, was ihm viel Kritik einbrachte, politisch war er aber selbst immer Sozialist. Sein literarischer Durchbruch kam 1967 mit dem Roman 'Hundert Jahre Einsamkeit'. 1982 erhielt er den Nobelpreis für Literatur.


Buch:

Das Buch war Ende der 1980er Jahre ein Bestseller und steht schon länger ungelesen in unserem Bücherregal. Ich habe vor vielen Jahren mal zwei der anderen großen Werke von Marquez gelesen, nämlich 'Hundert Jahre Einsamkeit' sowie 'Chronik eines angekündigten Todes'. Dieses Buch erschient im Original 1985. Die Werke von Marquez gehören zum so genannten Magischen Realismus, wo besondere Elemente in realistische Situationen integriert werden. 


Inhalt und Rezeption:

Im ersten Kapitel muss der 81 jährige Arzt Dr. Juvenal Urbino an einem Pfingstsonntag so um 1930 früh am Morgen den Freitod seines Schachfreundes dokumentieren und verkraften. Er erinnert sich an ihre langjährige Freundschaft und besucht anschließend dessen jüngere Lebensgefährtin. Bevor er am Mittag zu einer aufwändigen Jubiläumsfeier eines befreundeten Arztes geht, kehrt er nach Hause zurück, um sich etwas auszuruhen. Sein sprechender Königspapagei ist auf einen Baum geflogen. Nach der Feier und nach der anschließenden Siesta sitzt der Papagei plötzlich wieder auf einem Baum in seinem Garten. Beim Versuch, ihn zu retten, fällt er von der Leiter und stirbt. Seine Frau Fermina Daza stürzt heraus, vernimmt aber nur noch die Abschiedsworte "Nur Gott weiß, wie sehr ich dich geliebt habe." Zur Beerdigung kommt auch Florentino Ariza und versichert Fermina nach 51 Jahren Trennung erneut seine Liebe, was diese aber rüde zurückweist.

Man kann sich gleich zu Beginn wunderbar in den alten Arzt hereinversetzen, das ist sprachlich einfach wunderbar gemacht und immer wieder voller Humor, etwa als über die Tochter Ofelia gesagt wird, sie habe das Klimakterium mit drei Töchtern und keinem einzigen Sohn erreicht.

Im zweiten Teil wird pathetisch die frühe, unerfüllte Liebe von Florentino Ariza zu Fermina Daza beschrieben, so wie es nur in der Literatur geht. Über zwei Jahre sehen sich die beiden nur, schreiben sich Briefe, ohne überhaupt mehr als einmal miteinander zu sprechen. Aber ihr Vater hat anderes mit ihr vor als sie einem kleinen Telegraphisten zu überlassen, er will unbedingt aus seiner Tochter eine große Dame machen und verbietet daher die Heirat, schickt sogar die vertraute Tante fort, der er konspirative Machenschaften bei der geplanten Hochzeit unterstellt und geht mit seiner Tochter auf eine lange Reise, damit sie ihre unerfüllt Liebe vergisst. Zwei Jahre später erst kehren sie zurück.

Im 3. Kapitel geht es dann um die sich langsam anbahnende Beziehung von Fermina mit Doktor Urbino. Sie lernen sich kennen, als sie mit Verdacht auf Cholera krank ist und der Vater den Doktor ruft. Nach einigen Irrungen und Wirrungen und mit Hilfe der Kusine und mit der Billigung des Vaters kommen sie schließlich zusammen, heiraten und gehen auf eine zweijährige Hochzeitsreise nach Europa. Das Eheleben ist nach der Geburt des Kindes zunehmend schwierig, sie leben sich auseinander, nur in der Öffentlichkeit erscheinen sie als glückliches Paar. Nach einer weiteren Reise nach Paris bessert sich aber mit dem Tod der Schwiegermutter ihre Situation.

Florentino dagegen will sich zu einer neue Anstellung als Telegraph tief in den Regenwald zurückziehen, ändert aber bei Ankunft seine Meinung und fährt prompt mit demselben Schiff zurück. Dann beginnt sein Lotterleben, in dem er in den nächsten 50 Jahren mehr als 600 kurze Liebschaften hatte. Parallel steigt er bei seinem Onkel ins Geschäft ein und macht dort langsam Karriere.

Die Geschichte macht immer mal große zeitliche Sprünge, dann wieder erzählt sie einzelne Episoden detailliert und sie wechselt immer wieder zwischen den beiden Protagonisten hin und her.

4. Kapitel: Die Jahre schreiten voran. Als Dr. Urbino bereits Ende 50 ist, verliebt er sich in eine Patientin und ist einige Wochen von dieser Frau besessen. Doch als Fermina, die an seinen Kleidern etwas gerochen hat,  ihn nur indirekt auf seine Veränderung anspricht, bricht er sofort voller Reue die Beziehung ab, kurze Zeit später beichtet er ihr aber alles, was sie wiederum aber gar nicht so genau wissen wollte. Auch hier ist die innere Zerrissenheit einfach wunderbar beschrieben. Fermina flieht zu ihrer Kusine aufs Land und bleibt dort fast 2 Jahre. Die Eheleute können zunächst ihren Stolz nicht überwinden, obwohl sie einander immer noch lieben, aber Juvenal holt sie dann doch eines Tages wieder zurück nach Hause.

Die Jahre schreiten weiter voran. Florentino hadert mit den Alterserscheinungen, den weniger werdenden Haaren, dem Zahnhausfall. Als sein Onkel sich hochbetagt aus der Firma zurückzieht und er der Nachfolger wird, reflektiert er die wichtigsten seiner Geliebten, aber eigentlich hat er Angst, zu sterben, bevor er doch noch mit Fermina zusammenkommen kann. Sogar eine vierzehnjährige entfernte Verwandte, die in seine Obhut gegeben wird, macht er zu seiner Geliebten, die sich viel Jahre später aus Liebeskummer um ihn umbringt. Dann stirbt Dr. Urbino und Kreis zum ersten Kapitel schließt sich.

5. Kapitel: Kommen Fermina und Florentino noch zusammen? Sie jedenfalls trauert über den Tod ihres Mannes und in Bezug auf ihre damalige Zurückweisung Florentinos hat sie eher Angst vor seinem Racheplan, ist wütend über seine Impertinenz, am Tage des Todes ihres Mannes, ihr seine Liebe erneut zu verkünden. Florentino beginnt ihr wieder zu schreiben, ein Jahr lang, ohne eine Antwort zu erhalten. Aber nachdem sie sich am Jahrestag des Todes ihres Mannes in der Kirche wiedergesehen haben, beginnt dann doch ein regelmäßiges wöchentliches Treffen der beiden. Nach einigem Auf und Ab und aus Wut über das Unverständnis ihrer Tochter, dass sich Fermina in ihrem fortgeschrittenen Alter noch mit einem alten Freund trifft, beschließen sie eine gemeinsame Flussreise, die Florentino seinerzeit nach den Bruch der Beziehung alleine gemacht hatte. Auf dieser Reise kommen sie dann doch noch zusammen und lernen sich lieben. Als vor der Rückfahrt andere Passagiere auf das Boot kommen, die Fermina kennen und eine solche Reise so kurz (mehr als 1 Jahr!) nach dem Tode ihres Mannes missbilligen würden, hat Florentino die Idee, eine Cholerafahne zu hossen, damit sie alleine zurückfahren können, was auch geschieht. Das Buch endet dann damit, dass das Schiff, um der Quarantäne zu entkommen, mit Fermina und Florentino an Bord einfach den Rest ihres Lebens weiter den Fluss auf und ab fahren sollte.


Die wichtigsten Figuren im Roman:

Doktor Juvenal Urbino, Arzt und respektierte Persönlichkeit in einer kolumbianischen Küstenstadt
Dona Blanca, seine Mutter
Fermina Daza, seine Frau
Marco Aurelio Urbino Daza, ihr Sohn
Ofelia, ihre Tochter
Florentino Ariza, ist seit mehr als 50 Jahre unsterblich in Fermina verliebt
Transito Ariza, seine Mutter
Don Pio Quinto Loayza, sein Vater (nicht verheiratet mit der Mutter)
Don Leon XII, sein Onkel
Hildebranda Sanchez, Kusine von Fermina
Leona Cassiani, von Florentino eingestellte Mitarbeiterin in der Karibischen Flussschifffahrtskompanie
Barbara Lynch, Geliebte von Dr. Urbino
America Vicuna, 14 jährige Geliebte von Florentino


Lesespaßfaktor:

Cholera ist eine gefährliche bakterielle Erkrankung des Dünndarms, die unbehandelt zum Tode führen kann. Sie wird hier gleichgesetzt mit den Symptomen der Liebe, der Seelenqual vergeblicher Liebe. Das Buch ist so lesenswert, weil es Marquez gelingt, dem Leser die Figuren sehr nahe zu bringen. Man fühlt mit ihnen in ihrem Liebeswerben, ihrer Liebe und ihrem Liebeskummer. Natürlich verhalten sich die Menschen heute nicht mehr so, aber vor einhundert Jahren waren die Geschlechterverhältnisse nicht nur in Kolumbien andere und es gab weniger Ablenkungen von den eigenen Gefühlen. Und es gibt so viele kleine sprachliche Perlen mit dezenter Ironie ("...noch junge Frau, ... nun auf kleiner Flamme im Kampferdunst ihres Witwenflors verdorrte." oder "Die beiden Schwestern waren trotz ihres natürlichen Charmes und ihrer Begabung zum Frohsinn nur noch Klosterfleisch."). Ganz nebenbei werden die gesellschaftlichen Verhältnisse um die Wende des 19. auf das 20. Jahrhundert im kolonialen Kolumbien dargestellt. Und das ganze Leben mit allen Höhen und Tiefen von zwei Menschen breitet sich wunder aus. Ein großer Roman über die Liebe, vielleicht der schönste, den ich dazu bisher gelesen habe. Das ist für mich zweifellos ganz große Literatur.

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