Sonntag, 13. Juni 2021

Antonia Byatt - Besessen

 

Autor: 

Antonia Susan Byatt wurde 1936 in Sheffield geboren. Sie studierte an verschiedenen Universitäten und war seit 1950 Dozentin an verschiedenen Hochschulen in London, bevor sie sich Ende der 80er Jahre vollständig dem Schreiben widmete. Ihre erstes Werk erschienen 1964, das bisher letzte 2016. Die Themen ihrer Bücher drehen sich oft um die viktorianische Zeit und Beziehungsthemen. Für ihre Werke wurde Byatt vielfach ausgezeichnet.


Buch:

Der hier besprochene Roman erschien im Original 1990 unter dem Titel 'Possession. A Romance', die deutsche Übersetzung kam 3 Jahre später heraus. Das Buch hat den renommierten Booker Prize gewonnen und wurde auch verfilmt. Es ist ein unterhaltender Bildungsroman, der bei seinem Erscheinen in Deutschland erstklassige Kritiken erhielt. Es gibt dabei einmal eine aktuelle Erzählebene und zum anderen eine aus dem späten 19. Jahrhundert, die sich mehrschichtig verbinden. Stilistisch wird dieses Werk der Postmoderne zugeordnet.

Figuren:

Roland Michell, 29, promovierter Teilzeitassistent von Professor Blackadder
Val, seine Lebensgefährtin
Dr. Maud Bailey, Expertin für LaMotte an der Lincoln Universität
Mortimer P. Cropper, Professor und Leiter der Stant Collection an einer Universität in New Mexico
Blackadder, Professor und Leiter der Ash Factory
Fergus Wolff, Mitarbeiter von Blackadder an dessen Institut
Beatrice Nest; ehemalige Assistentin des Vorgängers von Blackadder am Institut 

Randolph Henry Ash, berühmter Dichter im 19. Jahrhundert
Christabel LaMotte, heute unbekannte Dichterin des Versepos 'Die schöne Melusine'


Inhalt und Rezeption:

Roland findet in der Bibliothek Briefentwürfe von Ash an eine unbekannte Frau, die er spontan mitgehen lässt, um selbst Nachforschungen anzustellen und seinen Chef Professor Blackadder sowie den Ash Forscher und Sammler Mortimer Cropper davon zunächst nichts wissen zu lassen. Schnell findet er heraus, dass die Adressatin ebenfalls eine Schriftstellerin namens Christabel LaMotte ist. Er sucht die Expertin Maud Bailey auf, die ihm zunächst Auszüge aus dem Tagebuch der Lebensgefährtin von LaMotte zeigt, die nahelegen, dass der Brief auch tatsächlich mal abgeschickt wurde. Maud ist eine entfernte Nachfahrin von LaMotte und fährt mit Roland zu dem Haus, in dem LaMotte gelebt hat. Dort findet sie versteckt in einer alten Puppe den gesamten Briefwechsel zwischen Ash und LaMotte, was die beiden in helle Aufregung versetzt. Aber die aktuellen Besitzer des Hauses wollen die Briefe zunächst nicht herausgeben.

Cropper weilt derzeit auch in England, um weitere Erinnerungsstücke von Ash für seine Sammlung zu erwerben. Als er Beatrice zum Lunch abholen will, trifft er auf Roland, der sich gerade bei ihr nach einem Hinweis in Unterlagen von Ashs Frau zu LaMotte erkundigt hat. Roland und Maud dürfen dann doch im Hause der Baileys die Briefe von Christabel lesen und quartieren sich zu diesem Zweck für einige Tage dort ein. Dann darf der Leser auch einige Briefe kennenlernen. Die beiden Dichter tauschen sich über allerlei Gedichte, ihre eigenen Werke und religiöse Themen aus, wobei sie eher den christlichen Glauben unterstützt, den er in Zweifel zieht. Allerdings wird dies dann doch sehr in der Breite beschrieben, es kommt Langeweile bei der Lektüre all dieser Briefe auf 72 Buchseiten auf. 

Nach der Lektüre all dieser Briefe beschließen Maud und Roland, zunächst alles für sich zu behalten und machen sich auf eine Reise, die auch ihre beiden literarischen Helden gemacht haben. Dabei kommen sie sich einander näher und dem Leser wird nun offenbart, dass Ash und LaMotte tatsächlich auf eben dieser Reise eine Liebesbeziehung hatten. Langsam kommen auch die wissenschaftlichen Mitstreiter von Roland, allen voran Fergus, den beiden auf die Spur und wittern etwas von deren Erkenntnissen. Daher beschließen die beiden, sich gemeinsam nach Frankreich abzusetzen, wohin LaMotte nach der Reise mit Ash zu ihrer Cousine gefahren ist, zur Zeit, als sich ihre Mitbewohnerin des Leben nahm. Aus dem Tagebuch dieser Cousine, das wieder viel zu lang beschrieben wird, lässt sich erkennen, dass La Motte offenbar (von Ash) schwanger war und dann, als sie einige Tage verschwand, das Kind geboren und weggegeben oder gar getötet hat.

Die weiteren Forschungen ergeben dann, dass kurz vor Ashs Tod LaMotte einen Brief an ihn geschrieben hat, den ihm seine Frau vorenthalten hat. Als Ash stirbt landet dieser Brief ungeöffnet in einer Kassette, die mit ihm begraben wird. Cropper will nun das Grab schänden und diese Kassette in Besitz nehmen, wobei ihm -schön bildgewaltig für eine düstere Filmszene- die übrigen Protagonisten auflauern. Gemeinsam öffnen sie dann diese Kassette und erfahren aus den letzten Briefen, dass LaMotte eine Tochter geboren hat, die als uneheliches Kind bei einer anderen Familie aufwuchs und selbst wiederum eine Tochter hatte, die die Urururgroßmutter von Maud war. Roland erhält zum Schluss einige Jobangebote im Ausland, weiß aber nicht genau, was er tun soll nach seiner Trennung von Val. Das Happy End ist dann, dass Maud und Roland schlussendlich noch zusammenkommen.

Lesespaßfaktor:

Byatt bindet eine Vielzahl von Gedichten und Briefe der beiden fiktiven Schriftsteller in ihre Geschichte ein, somit werden sukzessive die beiden zeitlichen Ebenen der viktorianischen Zeit und der Gegenwart verwoben. Auch ein längeres Märchen findet sich wieder. Die beiden fiktiven historischen Figuren von Ash und LaMotte werden geschickt verwoben mit realen historischen Figuren.

Es ist für mich ein typisch englischer Roman im Stile Forsters. Er ist schön geschrieben, sprachlich ansprechend, voller Bildungselemente, aber oft einfach zu lang und damit zunehmend etwas zäh, wenn etwa der ganze Briefwechsel dargelegt wird. Warum die literarische Schnitzeljagd zu zwei historischen Dichtern aus der Gegenwart eine solch existentielle Bedeutung für die Hauptfiguren haben kann, das erschließt sich mir persönlich nicht immer so ganz, aber vermutlich fehlt mir für ein solches Thema die Passion.


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