Freitag, 18. Juni 2021

William Faulkner - Die Freistatt


Autor: 

William Cuthbert Faulkner wurde 1897 im US Bundesstaat Mississippi geboren. Sowohl sein Urgroßvater als auch sein Großvater waren bedeutenden Persönlichkeiten im Mississippi des 19. Jahrhunderts. Sein Vater hingegen war ein eher erfolgloser Geschäftsmann, dessen erster Sohn William war. Auf Anregung der Mutter las William schon früh große Werke der Weltliteratur, nach seinem Schulabbruch arbeitete er zunächst in der Bank des Großvaters, 1914 wollte in die Luftwaffe, wurde aber abgelehnt. Nach 1918 arbeitete er bis 1924 in der Bibliothek der University of Mississippi im kleinen Ort Oxford. Erste Texte erschienen in der Universitätszeitung. In den Folgejahren schrieb und veröffentlichte Faulkner viel, konnte davon aber kaum leben. Der erste kleinere Erfolg kam mit dem hier besprochene Buch, das in seiner ersten Version 1929 unter dem Titel 'The Sanctuary' veröffentlicht wurde. Erst 1950 erhielt Faulkner den Nobelpreis für Literatur, rückwirkend für das Vorjahr, als die Juroren die Verleihung ablehnten. Danach besserte sich die finanzielle Situation. Anfang der 1950er schrieb er noch eine Fortsetzung von 'Die Freistatt', 'Requiem für eine Nonne', das ebenfalls die Sittlichkeit des Menschen zum Thema hat. Faulkner starb 1962 in seinem Heimatbundesstaat nach einem Reitunfall an den Folgen eines hierdurch erlittenen Herzinfarktes. Er gilt als bedeutendster amerikanischer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.


Buch:

Ähnlich wie James Joyce arbeitete Faulkner mit der Technik des Bewusstseinsstromes, wechselnden Erzählperspektiven und nicht chronologischen Handlungsabläufen. Wie viele seiner Werke spielt auch dieses Buch in Mississippi. Dieses Buch beschreibt den moralischen Verfall, die Gewalt und Sexualität sowie das Verbrechen und die Heuchelei im Süden der Vereinigten Staaten der 1920er Jahre. Es wurde relativ schnell geschrieben, weil Faulkner Geld brauchte.

Hauptfiguren:

Temple Drake, 17, jährige Studentin
Gowan Stevens, ihr Freund, auch ein Verehrer von Narcissa
Popeye, illegaler Schnapsbrenner
Lee Goodwin, sein Kompagnon
Ruby Goodwin geb. Lamar, dessen Partnerin und Mutter des gemeinsamen Babys
Tommy, ebenfalls ein allerdings etwas stumpfsinniger Kompagnon
Horace Benbow, Rechtsanwalt
Narcissa, seine verwitwete Schwester
Miss Jenny, Großtante von Narcissas verstorbenem Ehemann
Belle, seine Exfrau mit Stieftochter Klein-Belle

Inhalt und Rezeption:

Horace ist auf dem Weg nach Jefferson und trifft an einer Wasserquelle auf Popeye, der ihn zunächst mit in sein heruntergekommenes, altes Franzosenhaus führt, wo er von Ruby verköstigt wird und dort auch Lee kennenlernt. Nachdem er von Popeye im Auto in die nächste Stadt gebracht wird, fährt er zu seiner Schwester und lernt dort Gowan kennen. 

Der wiederum ist an einem Samstag Abend zunächst mit Temple unterwegs, nachdem er sie abgesetzt hat, betrinkt er sich mit ein paar anderen jungen Männern, obwohl er am nächsten Tag pünktlich mit dem Zug zu einem Baseballspiel in die Nachbarstadt will. Da er den Zug wegen seines Katers verpasst, nimmt er das Auto, unterwegs nimmt er dann Temple mit, die aus dem Zug ausgestiegen war, weil Gowan nicht mitkam. Mit dem Auto verursacht Gowan einen Unfall, und das Paar landet ebenfalls im Haus von Popeye.

Dort herrscht eine sehr angespannte Stimmung. Ruby ist verängstigt, die Männer sind hormongesteuert. Gowan betrinkt sich erneut und wird nach einer Streiterei niedergeschlagen. Temple bekommt es angesichts der Männer zunehmend mit der Angst zu tun. Diese langsam aufkommende Angst beschreibt Faulkner sehr eindringlich.

Am nächsten Morgen bricht Gowan direkt auf, um ein Auto zu besorgen, er mietet es bei einem Nachbarn, instruiert diesen aber nur, wo Temple abzuholen ist und macht sich selbst aus Scham aus dem Staub. Im Laufe des Tages eskaliert die Situation. Der Leser erfährt zunächst nur, dass Tommy ermordet wurde und dass Temple von Popeye weggefahren wird. Lee wird dann festgenommen und als Täter angesehen. Ruby wird zunächst von Horace aufgenommen, der Lee verteidigen soll, dies aber nicht wirklich tut und sich statt dessen mehr um Ruby und das Kind sorgt. Popeye bringt Temple nach Memphis in ein Bordell, in dem sich Miss Reba, eine alte Bekannte von ihm und die Inhaberin des Etablissements, um sie und um ihre Verletzungen kümmert.

Dort degeneriert Temple zusehends, sie fängt an zu trinken, wird von Popeye im Zimmer festgehalten und schließlich bringt er einen Mann namens Red zu ihr, der es mit treibt und er schaut zu. Temple wiederum sehnt sich zusehends nach dem körperlichen Vergnügen. Als sie mit Popeye in einem Spielclub ist, wird Red ermordet, sehr wahrscheinlich von ihr, allerdings wird Popeye als Täter verdächtigt und am Ende gehängt. Im Gerichtsverfahren gegen Lee versucht Horace vergeblich, ihn zu verteidigen, denn Temple sagt dort aus, dass Lee sie vergewaltigt und Tommy ermordet hätte. Er wird danach vom Mob der Stadt gelyncht und verbrannt. 

Lesespaßfaktor:

In diesem relativ kurzen Roman findet ein ständiger Perspektivwechsel zwischen den einzelnen Personen statt, die Handlung wird teilweise indirekt in Gesprächen der Figuren untereinander erzählt, wo aber eigentlich belanglose Themen die Hauptsache sind, teilweise dann im Stil einer Reportage konkret nach vorne getrieben. Das Buch wirkt wie ein Filmdrehbuch, man hat den Film beim Lesen quasi schon vor Augen.

Die Stimmung in Mississippi in den 1920er Jahren wird sehr gut und lakonisch eingefangen. Zwei der Hauptfiguren werden am Ende für Taten zur Rechenschaft gezogen, de sie nicht begangen haben, beide hatten allerdings Schuld schon vorher auf sich geladen, wofür sie nicht verurteilt wurden. Interessant ist die Figur von Temple, die zunächst alles mit sich machen lässt und schließlich sogar noch Gefallen am Missbrauch zu finden scheint und ein seltsames Verhältnis zu ihrem Peiniger aufbaut, bevor sie dann aber den einen erschießt und die beiden anderen Männer verurteilen lässt für Taten, die sie nicht begangen haben.

Die Figuren werden häufig über ihre Augen metaphorisch beschrieben ("...dann glühten die Augen vor ihr plötzlich auf wie zwei winzige elektrische Birnen."). Mit dem Bewusstseinsstrom wie bei Joyce hat dieses Werk allerdings (Gott sei Dank) wenig zu tun. Der Leser kann der Geschichte gut folgen, das Buch ist relativ leicht und zügig zu lesen. 


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