Mittwoch, 26. April 2023

Tibor Fischer - Ich raube, also bin ich -Die Eddie Coffin Story-

 

Autor:

Tibor Fischer ist ein 1959 geborener britischer Schriftsteller mit ungarischen Eltern, die 1956 aus Ungarn geflohen sind. Bereits sein erster Roman wurde 1992 mehrfach ausgezeichnet. Bisher hat er 6 Romane und zwei Erzählbände veröffentlicht, allerdings sind nur die ersten drei Werke ins Deutsche übersetzt worden.


Buch:

Das Werk ist der zweite Roman Fischers, der 1994 veröffentlicht wurde und erst 3 Jahre später auf Deutsch erschienen ist. Als ich das Buch Ende der 1990er Jahre gelesen habe, war ich begeistert und habe oft laut lachen müssen. Ein verarmter Philosoph begeht eine Reihe von Banküberfällen, alle nach einer anderen philosophischen Grundausrichtung. Mal sehen, wie gut ich das Werk ein viertel Jahrhundert später finde!

Hauptfiguren:
  • Dr. Eddie Coffin, Philosophiedozent in Cambridge
  • Hubert, französischer Kleinganove
  • Jocelyne, Bankangestellte

Inhalt und Rezeption:

Eddie Coffin, Philosoph, mit Hang zum Geld, wacht nackt und verkatert in einer unbekannten Wohnung auf, die Polizei verhaftet ihn, muss ihn nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle aber mangels Beweisen wieder laufen lassen. Aus Angst vor weiteren polizeilichen Ermittlungen setzt Eddie sich nach Bordeaux ab. Auf der Weiterfahrt nach Montpellier hat er einen Unfall, als ein Reifen platzt. Seine Sachen inkl. Geld und Papiere verbrennen, aber Eddie wurde rechtzeitig aus dem Wagen geschleudert. Per Anhalter kommt er nach Montpellier. In einem schäbigen Hotel will der Kleinganove Hubert ihn ausrauben, aber als ihm klar wird, das bei Eddie nichts zu holen ist, erzählt er ihm seine triste Lebensgeschichte, die ihn für 10 Jahre ins Gefängnis brachte, aus dem er gerade erst wieder entlassen wurde. 

Da Eddie völlig pleite ist, Hubert eine Pistole hat, beschließt er, eine Bank auszurauben. Geplant, getan, am Schalter einer Bankfiliale, trifft er auf Jocelyne, die ihm bereitwillig Geld in eine Tasche packt und noch ihren Namen und ihre Telefonnummer dazulegt. Natürlich ruft Eddie sie an, trifft sich mit ihr zum Dinner und fängt eine Affäre an. Warum? Jocelyn ist des langweiligen Lebens überdrüssig und findet daher den Banküberfall erfrischend. 

Weil Eddie daheim einen großen Vorschuss für ein Buch bekommen hatte, das er nie geschrieben hat, sucht ihn die Verlegerin eines Tages auf und zwingt ihn per Entführung zunächst, das Buch endlich zu schreiben, um dann aber doch zu entscheiden, es einfach selbst zu schreiben. Das ist die Art Humor dieses Buches. Oder wie Hubert, nunmehr an Philosophie interessiert, in einem Buchladen die philosophische Abteilung vermisst und dann kurzerhand die albernen Abnehmratgeber per Maschinenpistole zerlegt und dem Buchhändler dringend empfiehlt, sein Sortiment zu ändern.

Im weiteren Verlauf werden immer mehr Rückgriffe auf Eddies Leben vor seiner Zeit als Bankräuber eingeflochten, die Stringenz geht in den Betrachtungen etwas verloren und die Vermischung von Bildungs- und Profansprache beginnt zu ermüden. Einige Passagen sind auch schlicht geschmacklos.

Bei einem weiteren Überfall in Bandol erbeuten Eddie und Hubert eine wirklich große Summe, zum Dank geben sie dem Direktor ein T-Shirt mit der Aufschrift "Ich raube, also bin ich".

In Toulon macht Eddie sich auf die Suche nach seinem alten Freund Gerard, den er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Es folgt ein längerer Rückblick, wie es Gerard in diesen Jahren ergangen ist, er hat nach dem Mörder seiner Geliebten gesucht. Und weitere Bekannte von früher werden erwähnt, ein Zak (mit dem Eddie in Afghanistan gedient hat) und ein Nick (der plötzlich Panik schiebt, weil er bis dahin immer nur Glück im Leben hatte und sich umbringt).

Zurück in Montpellier kündigen die beiden gleich 5 Banküberfälle an einem Tag an, die sie gut verkleidet auch durchziehen. Eddie möchte gernen seinen kürzlich verstorbenen Freund Gerard wiedersehen und sucht ein Medium auf. Als sie allerdings dort sind, entscheidet er sich, dass er den antiken griechischen Satiriker Hipponax treffen möchte, der dann auch via Medium lauter Schmähungen auf Eddie als Philosophen absondert. Geschmacklos.

Da die Banküberfälle zu leicht von der Hand gehen, beschließen Eddie und Hubert, einen letzten Coup zu landen und dabei die Bank und den Tag des Überfalls vorher bekanntzugeben. Bevor aber diese Geschichte weitergeht, erzählt Fischer etwas langatmig über einen ehemaligen Studenten von Eddie. auf Einzelheiten verzichte ich hier. Der Tag des letzten Überfalls nähert sich, als philosophische Methode wird die "Coffin" Methode gewählt, das bedeutet, "Laß jemand anderen die Arbeit machen." Dummerweise wird Hubert vorher entführt und Eddie macht sich auf die Suche nach ihm, findet und befreit ihn. Der letzte Überfall ist wieder der Bank, in der Jocelyn arbeitet, gewidmet. Allerdings findet der Raub unter den Augen der Polizei statt, indem eine Verbündete Geld vom Konto der Polizei auf das von Eddie und Hubert überweist, während die beiden einfach eine kleine Bank in der Nähe ausrauben. Ende der Geschichte!


Lesespaßfaktor:

Der Handlungsrahmen sind die Banküberfälle von Eddie und Hubert. Dazwischen gibt es zahlreiche Rückblicke auf das Leben von Eddie, seine Kindheit und vor allem seine Zeit als erfolgloser Philosoph in Cambridge. Die Handlungsentwicklung ist nicht immer stringent. Die Sprache ist meist sehr witzig mit vielen Fremdwörtern, aber auch mit zahlreichen erfundenen Wörtern ((Koffertilität, Kraftwagenkummer, Scheinehirtin). Hier mal zwei typische Sätze:

"Ich entdecke meine zollfreie Wodkaflasche und verstaue ein paar Gramm Alkohol in meinem Körper; aber ich habe bloß eine Flasche, und das reicht bei weitem nicht zur Resthirnverklappung."

..., aber selbst ein Weltkongreß von Schönheitschirurgen hätte dieses Etwas nicht entdesastern können, ..."

Fairerweise muss man aber auch konstatieren, dass einige sprachliche Geschmacksverirrungen dazugehören, die Mischung aus Bildungs- und Fäkalsprache finde ich nicht so witzig. 

Worüber der Leser lachen kann, das ist natürlich individuell sehr verschieden. Ich finde dieses Buch im ersten Drittel super witzig, Geistreiches wird in einer Comedy Geschichte versprüht, so etwas ist sehr selten. Das anfängliche Humorniveau hält sich aber nicht. Die Verwendung so ziemlich aller Wörter, die mit "Z" beginnen oder einfach erfunden sind, erklärt Fischer erst ganz am Ende, so richtig schlau werde ich daraus aber nicht. Dem Übersetzer gebührt ein großes Lob, so etwas in die deutsche Sprache zu bringen, das dürfte nicht einfach gewesen sein.

♡♡

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