Donnerstag, 29. Februar 2024

Primo Levi - Das periodische System

 

Autor:

Primo Levi ist eine jüdisch-italienischer Schriftsteller und Chemiker mit entsprechendem Universitätsabschluss, der den Holocaust in Auschwitz überlebt hat. Geboren wurde er 1919, gestorben ist er 1987, jeweils in Turin. Kurz vor dem 2. Weltkrieg war er Teil einer antifaschistischen Partisanengruppe, er wurde in dieser Rolle 1943 verhaftet. Er wurde vor die Wahl gestellt, als Partisan sofort erschossen zu werden oder aber als Jude inhaftiert zu werden, für letzteres entschied er sich und wurde dann zunächst in ein KZ in Italien gebracht, bevor er nach Auschwitz deportiert wurde. Nach seiner Befreiung 1945 kehrte er im Oktober desselben Jahres nach Italien zurück und begann direkt, seine Erfahrungen aufzuschreiben. Das erste dieser beiden Werke erschien bereits 1947, das zweite folgte 1963. Beruflich war Levi als Chemiker tätig und hat nur nebenbei geschrieben. Er starb durch einen Sturz in den Treppenschacht des Hauses, in dem er wohnte, die Umstände sind nicht ganz geklärt (Selbstmord oder medikamentenbedingter Unfall).


Buch:

Dieses Buch schildert Episoden aus seinem Leben, mit dem wissenschaftlichen Blick des Chemikers. Es erschien 1975 und wurde 2006 in London bei einer Publikumsabstimmung als bestes populäres  wissenschaftliches Buch aller Zeiten gewählt. Es ist benannt nach dem chemischen Periodensystem und entsprechend ist jedes Kapitel nach einem chemischen Element benannt. Alle folgen autobiografisch seinem Lebensweg. Stilistisch wird das Werk dem italienischen Neorealismus zugerechnet. 

Hauptfiguren:
  • Enrico, Levis Freund als Sechzehnjähriger
  • Sandro Delmastro, ein Kommilitone an der Universität
  • Giulia Vineis, Kommilitonin und spätere Kollegin
Inhalt und Rezeption:

Argon
ist ein träges (Edel)Gas, in der Übersetzung das Untätige. Levi vergleicht seine jüdischen Vorfahren mit eben diesem trägen Edelgas. Die Familie ist anscheinend aus Spanien im 15. Jahrhundert nach Piemont eingewandert und führte dort ein Minderheitendasein. Viel wird über den gesprochenen Dialekt referiert. Einige der Verwandten werden kurz skizziert.

Wasserstoff
Levi und sein Freund Enrico betreiben als Sechzehnjährige verbotene chemische Experimente im Labor des Bruders des Freundes. Sie wollen beide unbedingt später Chemiker werden. 

Zink
Levi ist im ersten Jahr seines Studiums, es geht um einen Versuch mit Zinksulfat. In den Laboren knüpft er die ersten zarten Bande der Liebe zu Rita und erste Anspielungen auf den aufkommenden Faschismus in Italien gibt es.

Eisen
Im zweiten Studienjahr. findet Levi in Sandro einen verwandten Geist und Freund, mit dem er in den Bergen wandern geht. So stählen sie sich körperlich, aber auch intellektuell für den Kampf gegen den herrschenden Faschismus, Eisen wird so zum Symbol für ihre Abhärtung.

Kalium
Wegen seiner jüdischen Herkunft und der im faschistischen Italien geltenden Rassengesetze nimmt ihn keiner der Chemieprofessoren als Doktorand an. Er promoviert daher im physikalischen Institut, wo er bei einem Versuch mit Kalium einen kleinen Brand auslöst.

Nickel
Nach seiner Promotion 1941 findet der Jude Levi zunächst keine Arbeit.  Aber dann erhält er das Angebot, in einem Erzbergwerk in den Bergen Versuche an dem Abraum vorzunehmen, um teures Nickel daraus zu gewinnen, was aber nicht gewinnbringend möglich ist. Außerdem gibt es ein paar Anekdoten über die Bergbewohner.


Blei
Eine erste eingeschobene, von Levi geschriebene Geschichte über einen Herrn Rodmund, der wie seine Vorfahren in einem unbekannten Land Bleivorkommen sucht. Sie ist wenig inspirierend.

Quecksilber
Die zweite eingeschobene Geschichte spielt kurz nach dem Tod Napoleons (auf der Insel St. Helena) auf einer entlegenen Insel im Südatlantik, ein Korporal Abrahams, der zunächst Napoleon bis zu seinem Tod bewacht hatte, lebt dort allein mit seiner Frau als Schweinezüchter und wird nur einmal im Jahr von einem Walfänger besucht. Eines Tages bringt dieser zwei Holländer mit, denen in ihrer Heimat die Todesstrafe droht; wenig später rettet Abrahams zwei Italiener von einer Nachbarinsel. Die Konstellation von fünf Männern und nur einer Frau ist sehr angespannt, so dass sie beim nächsten Besuch des Walfängers vier Frauen „bestellen“, die mit Quecksilber bezahlt werden, das nach einem Vulkanausbruch in einer Höhle gefunden wird. Dies eine kleine nette, aber auch im Zusammenhang des Buches belanglose Abenteuergeschichte.

Phosphor
Levi wird auf Empfehlung von Giulia von einem Schweizer Unternehmer aus der Mine abgeworben, um in Mailand ein orales, auf Phosphor basierendes Mittel gegen Diabetes zu entwickeln. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Freundschaft, die das ganze Leben hält, aber Levi hätte gerne mehr daraus werden lassen, aber Giulia war bereits verlobt.

Gold
In Mailand lebt Levi trotz der bedrückenden Umstände zunächst relativ unbeschwert in einem akademischen Freundeskreis, schließt sich aber antifaschistischen Partisanen an und wird im Dezember 1943 gefangen genommen. Seine Motivation, Partisan zu werden, wird leider nicht wirklich deutlich. Ein Mitgefangener  erzählt ihm von einer Schwemmstelle für Gold erzählt, die seit vielen Generationen von seiner Familie genutzt wird und für ein genügsames Leben reicht.

Cer
Um den Hunger im KZ (Auschwitz?) zu überleben, stiehlt Levi im Labor, in dem er arbeitet, Auermetall, eine Legierung aus Cer und Eisen, das als Feuerstein genutzt werden kann. Dieses Cereisen können er und sein Mitgefangener Alberto gegen Brot tauschen.

Chrom
Einige Zeit nach dem Krieg sitzen Freunde von Levi beisammen und erzählen sich Geschichten, etwa über die Leinölherstellung. Einer dieser Freunde hat eine Zeit lang in einer Fabrik gearbeitet, in der Levi direkt nach dem Krieg auch gearbeitet hat, woran Levi sich gerne erinnert. In diesem Kapitel erzählt er auch, wie er seine spätere Frau kennenlernt.

Schwefel
Es wird erzählt, wie ein einsamer Arbeiter nachts in einem Produktionskessel eine schwefelhaltige Zubereitung herstellt. Warum? Fragezeichen.

Titan
Unverständlich ohne Zusammenhang zum Leben Levis.

Arsen
In Levis kleinem Chemielabor erscheint ein Mann, um eine Tüte Zucker analysieren zu lassen. Levi findet Arsen und erfährt von seinem Auftraggeber, dass dieser den Zucker von einem Konkurrenten geschenkt bekommen habe. Kaum erstaunt aber auch nicht erbost nimmt der Mann den Zucker und geht. Was soll diese Geschichte?

Stickstoff
Ein Lippenstifthersteller möchte wissen, warum seine Ware schlechter sei als die der Konkurrenz und lässt ihn beide untersuchen. Zur Verbesserung seiner Lippenstifte möchte er Alloxan verwenden, eine stickstoffreiche Verbindung und beauftragt Levi, ihm welches zu besorgen.

Zinn
Bei einem chemischen Versuch wird Levi klar, dass das Labor wirtschaftlich nicht mehr tragfähig ist. 

Uran
Als Außendienstmitarbeiter besucht Levi einen Kunden, der ihm eine lange, verworrene Geschichte erzählt, die ihm angeblich passiert sei und dass er von einem fliehenden deutschen Soldaten ein Stück Uran geschenkt bekommen habe. Er schickt Levi eine Probe, damit er sich davon überzeugen könne. Er stellt aber fest, dass das es sich beim vermeintlichen Uran um Cadmium handelt.

Silber
Levi wird eingeladen, zum 25-jährigen Jubiläum des Studienabschlusses an einem Abendessen teilzunehmen. Er trifft einen Kollegen, dem er eine Geschichte aus seinem Leben abfordert. Er erzählt, wie bei der Herstellung der silberhaltigen Emulsionen für Röntgenfilme Probleme auftauchen und er durch detektivische Kleinarbeit die unwahrscheinliche Lösung herausbekommt.

Vanadium
Bei der Produktion eines Lackes gibt es Probleme, und Levi reklamiert bei der deutschen Herstellerfirma, dass ein Rohstoff fehlerhaft sein müsse. Zuerst wird abgewiegelt, doch dann schreibt ein Dr. Müller, dass durch Zugabe kleiner Mengen einer Vanadium-Verbindung der Mangel zu beheben sei. Dieser Dr. Müller erinnert Levi an seinen Aufenthalt in Auschwitz, wo er in einem Labor auch einen Dr. Müller kennenlernte. Es stellt sich heraus, dass er es tatsächlich ist ein Treffen vorschlägt, dem er zögerlich zustimmt. Kurz vor dem Treffen verstirbt Dr. Müller aber. In diesem Kapitel wird klar, dass Levi, diese Zeit noch nicht verarbeitet hatte.

Kohlenstoff
Die Geschichte eines Kohlenstoffatoms im Verlauf der Erdgeschichte, als Metapher für die Ewigkeit und die Vergänglichkeit. Ein Kohlenstoffatom ist Jahrmillionen in Kalkstein gebunden und wird 1840 freigesetzt. Anschließend wird es mehrfach durch Photosynthese in organischen Moleküle gebunden und durch andere Organismen wieder freigesetzt. Die Pointe besteht darin, dass es am Ende der Geschichte gerade im Hirn des Autors ankommt, als dieser den letzten Punkt der Geschichte setzt.


Lesespaßfaktor:

Das Buch ist eher in einem wissenschaftlicher Stil geschrieben, zu Beginn auch mal gespickt mit kleinen jüdisch-ironischen Formulierungen ("Wenn der Mensch Handwerker ist, so waren wir keine Menschen: das wußten wir und litten darunter." oder aber: "Ich will keine Leichenfeier, weder tot noch lebendig."). Es ist aus der Ich-Perspektive erzählt, aber ich werde mit dem Protagonisten überhaupt nicht warm, weil der Mensch hinter den aneinandergereihten chemischen Geschichtchen gar nicht deutlich wird. Gleiches gilt für alle anderen Figuren, die quasi nur namentlich auftauchen, nicht aber als Mensch. Die Beziehung zu den vielen chemischen Elementen ist oft etwas an den Haaren herbeigezogen und die lange Beschreibung der chemischen oder physikalischen Sachverhalte sind für den nicht an Naturwissenschaften Interessierten langatmig. Fazit: Für mich ein langweiliges Buch, auch wenn die Struktur eigentlich gut gemacht ist, nämlich anhand dessen, was Levi beruflich macht und was ihn interessiert, seine Lebensgeschichte zu erzählen.

♡♡

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