Montag, 5. April 2021

James Joyce - Ulysses

 

Autor: 

Joyce wurde 1882 in Dublin geboren und war einer der wichtigsten Schriftsteller der Moderne. Ab 1898 studierte er moderne Sprachen und im Jahr 1900 verfasste er seine ersten Texte. Am 16. Juni 1904 traf er seine spätere Lebensgefährtin zum ersten Mal. Für 10 Jahre lebten beide in Triest und er unterrichtete dort Englisch. Dort traf er  auch den Schriftsteller Italo Svevo, mit dem ihm eine lange Freundschaft verband und der als eine Inspiration für die Hauptfigur im Ulysses gilt. Einige Jahre später traf der in Zürich auf die Verlegerin Harriet Weaver, die ihn jahrelang auch finanzielle unterstützte. Er starb 1941 in Zürich an den Folgen eines Darmgeschwürs, wohl auch Ausdruck eines lebenslangen Alkoholmissbrauchs. 


Buch:

Dieses Buch gehört ohne Zweifel zu den großen Klassikern der frühen Moderne, sicherlich ist es auch eines der am häufigsten nicht oder nicht zu Ende gelesenen Büchern in den privaten Bibliotheken. Es handelt in Anlehnung an die Irrfahrten von Homer's Odysseus von den Erlebnissen des Orlando Bloom am 16. Juni 1904 in Dublin. Die oft bruchstückhafte Sprache (Bewusstseinsstrom) symbolisiert die Gedankenfetzen der Protagonisten. Das Buch erschien 1922, die erste deutsche Übersetzung 5 Jahre später. Die hier besprochene Übersetzung ist aus dem Jahr 1975 von Hans Wollschläger. Ein schönes Zitat von Joyce zu diesem Roman lautet: "Ich habe so viele Rätsel und Geheimnisse hineingesteckt, dass es die Professoren Jahrhunderte lang in Streit darüber halten wird, was ich wohl gemeint habe, und nur so sichert man sich seine Unsterblichkeit." 

Inhalt und Rezeption:

Stephen, dessen Mutter vor kurzem gestorben ist, wohnt mit seinem Freund Buck in einem Turm, in auch noch der Brite Haines übernachtet. Stephen beklagt sich bei Buck, dass er ihn beleidigt habe, als er despektierlich auf eine Frage seiner eigenen Mutter sagte 'Och, das ist bloß Dedalus, dessen Mutter dreckig verreckt ist.' Nach einem Frühstück brechen die drei auf, Buck geht erst noch schwimmen, Stephen macht sich auf zur Bibliothek. Das erste Kapitel zeigt auch Religionskritik und weist Stephen als Atheisten aus, der sich -wie Joyce- weigert, für seine sterbende Mutter zu beten.

Stephen ist in der Schule und unterrichtet Geschichte, nach der Stunde wird er von seinem Chef Mr. Deasy zu sich gerufen, der ihn bittet, einen Brief über die seiner Ansicht nach heilbaren Maul- und Klauenseuche zur Veröffentlichung an eine Zeitung weiterzuleiten. Dabei verdeutlicht er seine Abneigung gegenüber den Juden, die er als Untergang für England sieht und macht seine konservativ katholische Sichtweise deutlich.

Das dritte Kapitel beginnt sehr schwer verständlich. Es geht um die Modalität des Sicht- und Hörbaren, um Durchsichtiges und Undurchsichtiges, wirre Gedankengänge, die Stephen auf seinem Spaziergang am Sandymount Strand zunächst hat. Unzählige Anspielungen aus der griechischen Mythologie (Omphalos) oder der jüdischen Kabbala (Adam Kadmon) wabern dahin. Es geht irgendwie um die Geburt und den Ursprung des Lebens. Auch pseudointellektuelle erfundene Wörter kommen vor ('Kontransmangnificundjudenpengtantialität'). Gedankenströme, besser -sprünge, die Sätze sind oft fragmentiert. Das ist kaum zu lesen, geschweige denn zu verstehen. Kurz vor dem herbeigesehnten Ende dieses Kapitels gibt es dann doch einen treffenden Satz: "Wer wird denn wohl je irgendwo die geschriebenen Worte hier lesen?" Genau!

Zu Beginn des zweiten Teils im 4. Kapitel tritt Leopold Bloom erstmals auf. Hier wird nun wieder seriell erzählt. Leopold bereitet Frühstück für sich und seinen Frau Molly, zwischendrin geht er noch zum Metzger, um Nierchen zu kaufen, die er anschließend anbrennen lässt. Seine Frau bekommt einen Brief (vom Liebhaber), den sie vor Leopold versteckt. Er selbst bekommt einen Brief von seiner 15 jährigen Tochter, die schon nicht mehr bei den Eltern wohnt. 

Im 5. Kapitel beginnt Leopold seinen Streifzug durch Dublin. Zunächst geht er zum Postamt, erhält dort einen Brief, der offensichtlich an sein Pseudonym Henry Flower adressiert ist und von einer Dame namens Martha stammt, die wissen will, welches Parfum seine Frau benutzt, warum, wer sie ist und warum sie das wissen will, das wird nicht direkt deutlich. Dann geht er in eine Kirche, wo er die Heilige Kommunion verfolgt und sich dazu seine Gedanken macht. Danach geht zur Drogerie (Sweny), um sich dort ein Schönheitswasser zu kaufen, wofür er aber das Rezept vergessen hat; stattdessen nimmt er noch eine Zitronenseife. Er sinniert über Heilkräuter. Dann geht es weiter zu einer Badeanstalt.

Zu Beginn des 6. Kapitels besteigt Leopold eine Kutsche, um zu Beerdigung von Paddy Dignam zu fahren. In ihr sitz der Vater von Stephen Dedalus, seinen Sohn passieren sie während der Fahrt. Der Vater regt sich über den Umgang seines Sohnes mit Buck Mulligan auf, den er für einen Nichtsnutz hält. In der Kutsche wird viel über den Tod gesprochen, Selbstmord verteufelt, Leopold denkt an seinen Vater, der Selbstmord begangen hat sowie an seinen bei der Geburt verstorbenen Sohn.

Das 7. Kapitel ist durch Überschriften im Stile von Zeitungsartikeln gegliedert, die zunehmend skurriler werden. Leopold ist in der Setzerei und lässt sich einen Platzhalter geben für eine Anzeige, die er noch zu verkaufen gedenkt. Kurz nachdem er sich auf den Weg zu seinem Kunden gemacht hat, taucht Stephen auf und übergibt der Redaktion den Leserbrief von Mr. Deasy. Die folgende Unterhaltung ist schwer nachzuvollziehen, zu viele Namen werden genannt, ohne das der Leser weiß, um wen es sich handelt. Stephen geht zusammen mit seinen Gesprächspartnern zur Nelsonsäule.

Leopold ist um die Mittagszeit wieder unterwegs, er sinniert über Vergangenes, Erlebnisse mit seiner Frau Molly und seiner Tochter Milly.  Alles dreht sich um Essen, überall nimmt er Gerüche auf und denkt ans Essen. Er geht in ein Restaurant, ist aber von den dort essenden Gästen angewidert, dass er gleich kehrtmacht und weiter ins 'Davy Byrne's' geht, wo er beim Essen mit einem Bekannten namens Nosey Flynn plaudert.

Im 9. Kapitel ist Leopold in der Bibliothek, wo auch Stephen mit einigen Bekannten ist und sich lang und breit über Literatur und Philosophie auslässt. Im Zentrum dabei das Stück 'Hamlet' von Shakespeare, aber auch griechische Philosophen und Goethe sowie irische Schriftsteller (Shaw, Yeats) tauchen auf. Wie immer wenn es um Stephen geht, lässt sich der Text nicht flüssig lesen, es ist eine Aneinanderreihung von losen Gedanken.

Dann werden auf 50 Seiten ein paar Alltagseindrücke von verschiedenen Personen geschildert, Leopold und Stephen tauchen nur kurz und indirekt auf. Danach wird es noch wirrer. In einem Kapitel, in dem man sich in einem Restaurant über Musik unterhält, werden viele Anspielungen auf irische und klassische Musik verwoben, in lauter Halbsätzen oder gleich nur halben Wörtern. Selbst man wie ich viele klassische Werke und Komponisten kennt, ist dieser Text unlesbar, wie immer wissenschaftlich die Technik auch benannt ist.

Im 12. Kapitel ist die Sprache in der Unterhaltung Slang, zu einzelnen Themen wird dann wie im gehobenen Zeitungsstil  in sehr langen Sätzen erzählt. Worum es geht? Einige Männer treffen sich in einer Kneipe und reden über zahlreiche Leute, die der Leser nicht kennt und auch nicht kennenlernen soll. Ich entschließe mich an dieser Stelle, die Lektüre zu beenden.

Figuren:

  • Leopold Bloom, von seiner Frau auch Poldy genannt
  • Marion, gen. 'Molly', seine Frau
  • Milly, seine Tochter
  • Larry O'Rourke
  • Stephen Dedalus, Jesuit, von Buck auch Kinch genannt
  • Simon, sein Vater
  • Buck Mulligan
  • Haines, britischer Mitbewohner im Turm
  • Cyril Sargent, Schüler von Stephen
  • Garrett Deasy, Vorgesetzter von Stephen an der Schule
  • Blazes Boylan, Liebhaber von Leopolds Frau


Lesespaßfaktor:

Die reine Handlung der ersten Hälfte des Buches, die ich oben zusammengefasst habe, ist eigentlich eher banal. Sie ist aber in den 400 Seiten manchmal sogar richtig schwer überhaupt zu finden. Für den Leser, der endlose intellektuelle Anspielungen aller Art mag und der die dem zugrundliegenden Texte kennt, mag das interessant sein. Aber ich bin mir nicht sicher, ob man nicht dann lieber selbst Homer, Shakespeare und all die anderen zitierten Schriftsteller lesen sollte. Die Analogien aus der Odyssee sind ohne die Hinweise aus dem Gorman-Gilbert Schema eigentlich kaum zu entdecken und selbst wenn, was bringt das dem Leser- Lesevergnügen sicherlich nicht.

Es ist bewundernswert, wie man diesen Roman in eine andere Sprache überhaupt übertragen kann, ihn im Original zu lesen, das halte ich für einen 'Non-Native-Speaker' für nahezu ausgeschlossen. Mir persönlich gefallen die oft endlos langen Passagen an wirren Halbsätzen und Halbwörtern nicht, es kommt (soll auch sicherlich nicht) überhaupt keine Lesefluss auf. Da gehen denn die schönen Sätze und Gedanken, die es auch gibt, schlichtweg unter.

Für mich entsteht der Eindruck wie bei Zwölftonmusik. Für Strukturfans und aus mathematischer Sicht mag das interessant sein, emotional geht aber gar nichts. Und wer dann behauptet, er fände es interessant und toll, will sich abheben von der nicht verstehenden Mehrheit, vielleicht ohne aber selbst ein Verständnis zu gewinnen. Das ist natürlich nur die Vermutung eines literarischen Ignoranten. Ich hatte mir wirklich vorgenommen, mich durch das ganze Buch durchzukämpfen, aber bei meiner kleinen Reise durch die Literatur soll es dann doch eher um die Kür gehen und nicht nur um die Pflicht. In anderen Worten: Dieses Buch hat mir gar keinen Spaß gebracht und dann ist für mich persönlich die zu investierende Lebenszeit dafür zu schade.

♥♡

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