Mittwoch, 24. Juli 2024

Stefan Zweig - Joseph Fouché (Bildnis eines politischen Menschen)

 

Autor:

Dieser jüdisch-österreichische Schriftsteller gehörte im frühen 20. Jahrhundert zu den populärsten deutschsprachigen Schriftstellern. Er wurde geboren 1881 in Wien und schied 1942 freiwillig aus dem Leben in seinem brasilianischen Exil, nachdem er bereits 1934 seine Heimat verlassen in Richtung London verlassen hat. Zweig gehörte während des nationalsozialistischen Terrors zu den verbotenen Autoren. Er war ein glühender Pazifist, was sicherlich in den schlimmen Kriegszeiten seine Depressionen gefördert hat. Zu seinen bekanntesten Werken gehört sicherlich die Schachnovelle oder die verfilmte Novelle 'Brennendes Geheimnis' sowie sein einziger vollendeter Roman 'Ungeduld des Herzens. Er schrieb auch zahlreiche historische Miniaturen und einige romanhafte Biografien wie eben dieses Buch. In vielen seiner Werke geht es um Tragik, Drama, Melancholie und Resignation.

Buch:

1929 erschien dieses Werk über das Leben des französischen Politiker Joseph Fouché, der zur Zeit der französischen Revolution und in der Kaiserzeit danach ein überaus einflussreicher Mann war. Da andere Werke Zweigs viel bekannter sind oder aber mir geläufigere historische Personen porträtierten, habe ich bislang immer einen Bogen um die Lektüre gemacht. Da ich mir aber gerade die Geschichte der französischen Revolution wieder neu erschlossen habe, soll dieses Buch das Thema vertiefen.

Inhalt und Rezeption:

Bereits im Vorwort wird eine zeitgenössische Einschätzung über den Machiavellisten Fouché gegeben (Verräter, Intrigant, Reptiliennatur usw). aber bereits Balzac hat diesen Mann als den psychologisch interessantesten Charakter seines Jahrhunderts gesehen. 

Fouché wurde 1759 in Nantes geboren als Sohn einer Fischerfamilie, Bildung und damit nicht-handwerkliche Tätigkeiten schienen ihm damit zunächst verwehrt in der ständegeprägten Gesellschaft im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Bleibt die Kirche, in der er 10 Jahre ausgebildet wird und als Lehrer tätig ist (in Arras). Aber das Gelübde, Priester zu werden, das verweigert er. Was ihm für seine Zukunft bleibt ist erlernte Selbstdisziplin sowie ausgeprägte rhetorische Fähigkeiten. In einem Salon, in dem sich die so genannten 'Rosati' treffen, lernt er früh Robespierre kennen, der Ende der 1770er Jahre noch ein einfacher Anwalt war, und freundet sich mit ihm an. Aufgrund umtriebiger Vorschläge in seinem Kloster wird er zurück nach Nantes abgeschoben, gibt dort legt er aber schnell die Soutane ab und geht in die Politik. Er heiratet, um im Bürgertum mitmischen zu können. Und dann lässt er sich als Kandidat für den Konvent aufstellen, die gesetzgebende Versammlung Frankreichs.

Der erste Teil der Revolution war zu diesem Zeitpunkt (1791) schon geschehen, jetzt geht es um die künftige politische Ausrichtung der Republik. Auf der einen Seite die gemäßigten Girondisten, unter der Führung von Condorcet und Roland, auf der anderen Seite die Vertreter des Proletariats unter der Führung von Marat, Danton und Robespierre, die die Revolution weiter führen wollen. Fouché folgt wie immer der zu erwartenden Mehrheit und gesellt sich zu den ersteren. Damit endet die Freundschaft zu Robespierre endgültig. Auch wenn Fouché bei der Abstimmung über Leben oder Tod für den König Ludwig XVI sich auf die Seite der Aufrührer stellt. 

Als Vertreter des Konvents geht er zurück in seine Heimat, um dort die revolutionären Ziele durchzusetzen, was er mit eiserner Hand tut. Er schreibt ein Jahrhundert vor Marx quasi ein kommunistisches Manifest, enteignet die Kirche und alle Besitzenden. Aufgrund dieses Erfolges wird  er vom Konvent nach Lyon gesandt, um auch dort Aufstände zu unterdrücken. Diesmal allerdings auf blutigste Art und Weise lässt er bald 2.000 Gegner der Revolution erschießen und rechtfertigt sich mit den blumigsten Worten. Kurze Zeit später wird er aber vom "revolutionären Saulus" "zum humanen Paulus", er wittert wieder die Mehrheit woanders. Angeklagt wird er von Robespierre aber ausgerechnet wegen zu großer Menschlichkeit und damit dem Verrat an der Revolution, welch eine Farce. Es beginnt ein tödlicher Kampf der Protagonisten, an dessen Ende Robespierre guillotiniert wird. 

Zum Ende der Revolution hin taucht Fouché erst einmal unter. Er lebt 3 Jahre in bitterster Armut, bis er als Spion des neuen starken Mannes der neuen Republik, Barras, wieder ins Spiel kommt. Bei dubiosen Beschaffungsgeschäften für die Armee verdient er mit, beim Staatsstreich, der Abschaffung eben dieser Republik ist er auch wieder dabei. Er reist nach Italien und in die Niederlande im Namen der neuen, reaktionären Regierung, ist dort erfolgreich und wird 1799 zum Polizeiminister ernannt. Seine erste Tat ist das Verbot der Club der Jakobiner, der Herzkammer der Revolution, die damit auch beendet ist. Dann baut er ein stasi-ähnliches Informanten-Netzwerk auf, zu seinen Spionen gehört gar die spätere erste Ehefrau Napoleons. Er lernt Napoleon persönlich kennen, unterstützt seinen Umsturz in gewohnt subtiler Art und bleibt als Polizeiminister an der Seite des Heroen beim Wiederaufbau der französischen Nation.

Einen ersten Riss in diese eher berufliche Verbindung bringt ein Attentat auf Napoleon, der dieses den Jakobinern vorwirft und Fouché anklagt, diese Verschwörung nicht rechtzeitig aufgedeckt zu haben. Dieser wiederum kann ermitteln, dass Royalisten hinter dem Anschlag standen, seine Position ist wieder einmal gerettet. Aber Napoleons Familie will ihn loswerden, da Fouché sich auf die Seite Napoleons verschwenderischer und kinderlosen Gattin gestellt, die damit der Kaiserkrone im Wege steht, und schließlich lobt Napoleon ihn weg in den Senat, vergoldet mit Geld und einem Fürstentum. Er wird sehr reich, bleibt aber ungeduldig, wieder an der Macht teilzuhaben, was zwei Jahre später schon der Fall ist, denn Napoleon braucht jetzt die Senatoren, zu denen Fouché inzwischen als Teil seiner Belohnung gehört, um Kaiser einer Erbdynastie zu werden.

Während des Kaiserreichs entwickelt sich dann eine weitere Feindschaft, die zum Außenminister Talleyrand, der ebenso wichtig für Napoleon ist wie Fouché selbst; beide vereint aber auch die Ablehnung der immer größer werdenden Macht des Kaisers und insbesondere die Sinnlosigkeit des Krieges gegen Spanien 1808. Aber es kommt wie immer. Napoleon zürnt über die vermeintliche Konspiration, die nur aus einem öffentlichen Treffen der beiden bestand, aber nur Talleyrand wird entlassen, Fouché zusätzlich Innenminister. In der Funktion mobilisiert er in Abwesenheit Napoleons, der wieder Krieg gegen Österreich führt, selbstständig die Nationalgarde, als die Engländer in Frankreich einfallen und gewinnt. Dafür wird er zum Herzog von Otranto (im Südosten Italiens) ernannt. 

Aber wie Napoleon selbst wird auch Fouché größenwahnsinnig, er will einen Separatfrieden mit England einfädeln, ohne das Wissen des Kaisers. Als dieser Komplott auffliegt, wird er (mal wieder) entlassen, aber erneut mit weiteren Pfründen bedacht, er soll Staatsrat und Botschafter in Rom werden, Napoleon erkennt immer die Widerstandskraft und die Macht Fouchés an. Dazu kommt es aber nicht, denn Fouché vernichtet oder entwendet vor seiner Demission als Polizeiminister alle wichtigen Papiere. Diese Freveltat erzürnt Napoleon so sehr, dass er ihn 1809 nach Aix auf sein dortiges Gut verbannt. Fouché erleidet einen Nervenzusammenbruch. Dann stirbt noch seine geliebte Frau und er will nur noch seine Ruhe.

Erneut dreht sich die politische Welt, Napoleon verliert erstmals einen Krieg, 1912 in Russland, seine Macht bröckelt und er sucht in Sachsen eine Entscheidungsschlacht. Um Fouché, der inzwischen wieder näher an Paris wohnen darf, von dort wegzulocken, befiehlt er ihm Statthalter der Provinz Illyrien (ein Gebiet in und rund um das heutige Slowenien) zu werden, der dort aber nur noch den geordneten Rückzug organisieren kann, denn Napoleon verliert seine Weltmacht in der Völkerschlacht bei Leipzig. Als Fouché nah einer weiteren Mission in Italien endlich nach Paris zurückkehrt, kommt er zu spät, Napoleon ist bereits abgesetzt und Ludwig XVIII der König, die Regierung wird ausgerechnet von seinem einstigen Widersacher Talleyrand geführt. 

Aber Napoleon kehrt aus seinem Exil auf Elba zurück, um den unbeliebten neuen König wieder zu stürzen. Die berühmten 100 Tage bis Waterloo stehen bevor. Die meisten der ehemaligen Unterstützer haben sind indes abgewendet, nur der machtgierige Fouché ist sofort wieder zur Stelle und wird zum dritten Mal der Polizeiminister. Unterstützung für Napoleon gibt es nicht mehr, das Volk ist der Opfer an Soldaten überdrüssig, die anderen europäischen Mächte anerkennen ihn nicht mehr. Der Zweikampf der beiden Protagonisten beginnt erneut. Als sich die Niederlage gegen die Engländer in Waterloo in Paris herumspricht hat Fouché schon alle politischen Institutionen auf seine Seite gebracht. Napoleon wird zum Abdanken gezwungen, Fouché Vorsitzender der neuen Übergangsregierung. 

Dann unterstützt Fouché gegen ein schönes Ministeramt die Restauration und bringt den König Ludwig XVIII wieder an die Macht. Und wieder ist er Polizeiminister, diesmal des Königs, gegen dessen Bruder er noch das Todesurteil mit ausgesprochen hatte. Und ausgerechnet er soll nun eine Racheliste erstellen mit all denjenigen, die während der 100 Tage Napoleon gedient haben. Die nächste Farce, Fouché selbst müsste ganz oben stehen, tut es aber natürlich nicht. Aber er hat die Rechnung ohne die Tochter des seinerzeit ermordeten Königs gemacht, ohne die Herzogin von Angouleme, die als einzige der Königsfamilie das Massaker überlebt hat. Sie fordert nun vehement die Absetzung Fouchés und als der neue König seine Macht hinreichend gesichert hat, geschieht dies auch, aus der Hand des zweiten Überläufers, von Talleyrand, formell wird er jedoch einfach als Gesandter nach Dresden geschickt, was er auch annimmt, anstatt seinen luxuriösen Ruhestand zu genießen. Aber nach nur wenigen ereilt ihn die Nachricht, dass das französische Parlament ihn mit überwältigender Mehrheit für den Rest seines Lebens aus Frankreich verbannt hat, den unbedeutenden Posten ist er also sehr schnell wieder los. Seine letzten Jahre verbringt er unter Hohn und Spott mit seiner jungen, zweiten, adeligen Frau, in Prag, Linz und Triest, wo er 1820 vereinsamt verstirbt.

Lesespaßfaktor:

Zweig hat eine Fülle despektierliche Begriffe für Fouchés Charakter bereit, etwa "Charakterchamäleon" oder " absoluter Amoralist". Diese Bewertung Fouchés zieht sich durch den ganzen Roman. 
Der Leser erfährt viel über die französische Revolution, noch mehr über Herrschaft Napoleons, beides mal aus einer anderen Perspektive. 

Wie immer bei Stefan Zweig ist die Erzählweise psychologisch dicht, in süffigen Worten, in klaren Sätzen, d.h. die Geschichte Fouchés genauso wie die Zeitgeschichte wird oft durch inhaltliche Wiederholungen, die aber sprachlich schön diversifiziert sind, dem Leser quasi eingebläut.

Literarisch ist diese Geschichtsstunde nicht zu bewerten, daher habe ich auch eigentlich nur eine Inhaltsangebe verfasst und weniger eine inhaltliche Rezeption. Ich könnte mir auf jeden Fall eine schöne, schaurige Verfilmung dieses Buches gut vorstellen.



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