Autor:
Huysmans wurde am 5. Februar 1848 in Paris geboren und starb in derselbe Stadt 1907. Er hatte einen holländischen Vater und eine französische Mutter. Nach dem Abitur arbeitete er jahrelang im Innenministerium, aufgrund schlechter Erfahrungen mit Frauen blieb er lebenslang ein (enttäuschter) Junggeselle. Seine schriftstellerische Betätigung erfolgte nebenberuflich, die ersten Veröffentlichungen waren Zeitschriftentexte und 1874 ein Gedichtband. 1876 lernte er Émile Zola kennen und schloss sich der um diesen versammelten Gruppe der Naturalisten an. Im selben Jahr brachte er seinen ersten Roman Marthe, histoire d’une fille heraus, das drastische Werk war für einige Zeit als sittenwidrig verboten. Viele seiner Werke waren in der Unterschicht angesiedelt. Im Alter wurde religiöser und verbrachte einige Zeit im Kloster.
Buch:
Dieses Werk wurde 1884 publiziert und sicherte Huysmans seinen Rang in der Literatur. Der Protagonist ist inspiriert von einem realen Dichter und Dandy, derselben Person wie später der Held in Prousts Romanzyklus 'Auf der Suche nach der verlorenen Zeit', auch Oscar Wilds Dorian Gray wurde durch dieses Buch beeinflusst. Es gilt als ein Brevier der Dekadenz.
Hauptfiguren:
- Jean Floressa des Esseintes, Herzog und letzter Vertreter seines Geschlechtes
Inhalt und Rezeption:
Jean wurde bereits mit 17 Vollwaise, er hatte eine lieb- und freudlose Kindheit, wie der Leser im Vorbericht erfährt. Als junger Mann wird er zum Misanthropen und schließlich entscheidet er sich, mit dem Rest seines ererbten Vermögens aufs Land zu ziehen, in ein kleines Haus außerhalb von Paris und hinreichend abgelegen.
Er richtet sich in seinem neuen Zuhause ein, stellt zwei Bedienstete ein und richtet es so ein, dass er diese so gut wie nie hören und sehen muss. Sein Leben ist artifiziell, er stellt die große, weite Welt nach, herrlich wie Huysmans beschreibt, wie er in seiner Badewanne das Empfinden eines Bades im Meer simuliert, bis hin zu künstlichen Wellen in der Wanne. Jean entwickelt eine Abscheu vor allem Äußeren und zieht sich nur mit seinen Büchern ins Private zurück.
Aber auch mit den Büchern hadert er, er seziert alles Langweilige aus den lateinischen Werken der römischen Dichter bis nach dem Ende des römischen Reiches, ein gutes Haar lässt er nur am ‚Satyricon‘ von Petronius, die Dekadenz der Geschichten scheint ihm zu gefallen. Die große Mehrheit der erwähnten Schriftsteller kenne ich nicht einmal dem Namen nach.
Sein neues Haus in der Einsamkeit richtet er ein, unter anderem mit erlesener Kunst. Seitenweise werden die Bilder, etwa von Moreau, beschrieben. Das lähmt den Lesespaß dann doch. In Ermangelung neuer Impulse von außen vertieft er sich in seine eigenen Erinnerungen, eigentlich ist er nicht gläubig, aber dabei kommen ihm dann Zweifel an seinen eigenen Zweifeln:
„Gewiß, wenn er die Summe zog, blieb er dabei, daß die Religion als herrliche Legende, als großartiger Betrug zu betrachten sei, und dennoch begann, trotz all dieser Erklärungen, sein Skeptizismus Risse zu bekommen.“
Genauso gelangweilt, wie der Protagonist in seinem einsamen Leben ist und sich immer mehr dort hineinsteigert, so langweilig wird es dem Leser, etwa als in aller Ausführlichkeit die seltenen Pflanzen oder selbst kreierte Düfte beschrieben werden, die sich Jean für sein Haus besorgt. Die Neurosen steigern sich. Eingebaut in die Gegenwart sind immer wieder Erinnerungen an sein früheres Leben, sprachlich manchmal sehr kunstvoll auf dennPunkt gebracht, etwa als er über eine seiner damaligen Mätresse sagt:
„Miss Urania war eine gewöhnliche Mätresse, die in keiner Weise die von ihr hervorgerufene zerebrale Neugier rechtfertigte.“
Einmal will er ausbrechen und nach England reisen, die Reise bricht er aber schon vor dem Besteigen des Zuges wieder ab. Wieder zu Hause widmet er sich seinen Büchern und der Autor palavert seitenweise über allerlei französische Schriftsteller, mit besonderer Bewunderung Baudelaires. Die meisten genannten Namen sind dem heutigen Leser unbekannt. Bei mir ist es dann anders, als Betrachtungen zur klassischen Musik, insbesondere der geistlichen Musik folgen.
Die Neurosen verschlimmern sich, dann geht es dem Protagonisten besser, so richtig wissen will man das als Leser aber eigentlich nicht. Nachdem sich sein Gesundheitszustand in der Einsamkeit erneut verschlimmert, empfehlen ihm die Ärzte eindringlich, er bräuchte Abwechslung und so zieht er nach Paris zurück, in den Schmelztiegel der Dekadenz. Ende.
Lesespaßfaktor:
Das Buch richtet sich eher an den vielwissenden, intellektuellen Leser, nur der kann vermutlich die Verrisse auf all die kulturellen Granden verstehen. Wer die gesamte französische Prosa kennte, dem mögen die Betrachtungen Huysmans Lesefreude bereiten, den anderen wohl eher nicht.
Aber solche Texte, die sich mit dem fin de siècle in Frankreich beschäftigen, sind aus der Zeit gefallen. Nicht, dass es heute nicht auch Langeweile und Dekadenz gibt, vielleicht gerade bei reichen Erben, aber doch eher in einem anderen Umfeld.
Für mich ein Werk, dass man nicht unbedingt gelesen haben muss.
♥♥♥♡♡
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