Montag, 21. Oktober 2024

Zadie Smith - Zähne Zeigen

 







Autor:

Zadie Smith ist eine britische Schriftstellerin, geboren 1975 als Tochter einer jamaikanischen Mutter und eines britischen Vaters. Bereits während ihres Studiums der englischen Literatur begann sie erste Kurzgeschichten zu veröffentlichen. Nach dem ersten Erfolg hatte Smith zunächst Probleme, weiter zu schreiben und bereits ihr zweiter Roman fiel bei den Kritikern durch. Aber danach kehrte der Erfolg zurück, so dass bis heute sechs Romane und zahlreiche Kurzgeschichten erschienen sind. Smith arbeitet auch als Hochschullehrerin.

Buch:

Dieses Werk war der Erstling von Smith und erschien im Jahr 2000. Das Buch wurde schnell ein großer internationaler Erfolg und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Interessanterweise ist der Roman das jüngste Werk auf der Leseliste der Universität Tübingen und hat daher meine Aufmerksamkeit bekommen.  


Hauptfiguren:

  • Alfred Archibald ‚Archie’ Jones, 
  • Samad ‚Sam’ Miah Iqbal, bengalischer Muslim, sein alter Freund
  • Alsana Begum, Sams jüngere Ehefrau
  • Millat, ihr Sohn
  • Magid, sein Zwillingsbruder, von den Eltern nach Indien zur Familie geschickt
  • Clara Iphigenia Bowden, Archies zweite Ehefrau
  • Irie Jones, ihre Tochter
  • Poppy Burt-Jones, Musiklehrerin von Samads Kindern
  • Joyce Chalfen, Mutter des Mitschülers von Irie und Millat
  • Marcus, ihr wissenschaftlich tätiger Ehemann
  • Joshua, ihr Sohn
  • Neena, Cousine von Millat
  • Hortense Bowden, jamaikanische Großmutter von Irie
  • Mo Hussein, pakistanischer Besitzer einer Fleischerei in Nord-London

Inhalt und Rezeption:

Starker Beginn: Der 47-jährige Archie sitzt am 1.1.1975 in seinem Auto und will sich mittels Abgasen umbringen. Aber das Schicksal hat etwas dagegen. „Eine hauchfeine Schicht Glück lag auf ihm wie frischer Tau.“. Der Fleischerei Besitzer Mo verhindert den Suizid. Warum wollte er nicht mehr leben? Weil er seit 1946 viel zu lange mit seiner ungeliebten italienischen Frau seine Lebenszeit verschwendet hatte. Auf Seine Freundschaft mit Sam, den er im letzten Kriegsjahr kennengelernt hatte. Noch am selben Tag lernt Archie in einer Kommune die junge Jamaikanerin und Zeugin Jehovas Clara Bowden kennen, der die oberen Zähne bei einem Unfall mit der Vespa ihres Exfreundes ausgeschlagen worden waren (daher der Titel) Nur 6 Wochen später heiratet er Clara, die froh ist, aus den religiösen Fängen der Mutter zu entkommen. 

Im Nachgang zu seiner Rettung blickt Archie auf sein Leben zurück. Rückblick in das Jahr 1945, als Archie und Samad zusammen in einem defekten Panzer in Bulgarien stranden und dort ihre Freundschaft begründen und das Ende des zweiten Weltkrieges verpassen. Da sie aber dennoch als Kriegshelden in die Geschichte eingehen wollen, bemächtigen sie sich beim Pokerspiel mit russischen Soldaten eines französischen, aber für die Nazi arbeitenden Euthanasie-Arztes namens Krank, den Archie dann erschießen soll, um seinem Kumpel zu beweisen, dass er ein echter britischer Soldat ist, der für etwas kämpft. Diese Szene ist sachlich betrachtet natürlich ziemlich wirr, aber süffig geschrieben und greift durchaus eine wichtige moralisches Frag es Krieges auf. Darf ich im Krieg den Feind töten, wenn ich weiß, was der Schlimmes angestellt hat? Hat er ihn erschossen? Das löst sich erst am Ende auf.

Nun werden Geschichten aus Samads Leben erzählt, etwa wie er sich als 57-jähriger in die viel jüngere Poppy verliebt ("Okay, keine Partnervermittlung hätte uns beiden zusammengeführt. Na und?") und mit seinen Gefühlen sowie seinem schlechten Gewissen kämpft, herrlich die Szene, als er zusammen mit Poppy die verrückte Mad Mary trifft und meint, sie könne in sein schlechtes Gewissen hineinsehen. 

Einzelne Geschichten wie die über den Urgroßvater Sams, Mangal Pande als Wegbereiter der indischen Befreiung von den Engländern sind aber auch weniger unterhaltend und etwas langatmig. 

Weiter geht es mit der mit ihrem Gewicht und ihrem Aussehen hadernden Irie, die die Gene ihrer jamaikanischen Mutter geerbt hat und als Pubertierende nun unbedingt abnehmen will. Die Geschichte aus der Schule, wo sie mit Millat, dem Sohn von Samad, in einer Klasse geht und in ihn verliebt ist, zeigt wieder einmal wunderbar die Themen und Probleme in einer jugendlichen Multi-Kulti Gesellschaft auf. Als es um Hautfarbe geht, heißt es zu derjenigen der Lehrerin lakonisch: " Sie hatte die Farbe von Erdbeermousse." Herrlich die Szene im Haarsalon, als sie unbedingt glatte Haare haben will mit dem Ergebnis: "Sie sah aus wie ein Kind der Liebe zwischen Diana Ross und Engelbert Humperdinck."

Irie und Millat sowie ihre Mitschüler Joshua werden in der Schule mit Marihuana erwischt und müssen als Strafe Nachhilfe nehmen bei Joshua, das Projekt des Schulleiters lautet, Unterschichtkinder sollen zu Mittelschichtfamilien kommen und können dort etwas lernen. Aber schon bald verbringen die beiden aus unterschiedlichen Gründen fast die ganze Zeit bei der vermeintlich ach so typischen englischen Familie Chalfen, die hiermit auch in die Geschichte eingeführt wird. Und ihre beiden Mütter haben Angst, dass die Familie Chalfen sie zu sehr englischisiert, daher schicken sie Neena, Millats Cousine zu der Familie, um zu klären, was da vor sich geht. Überhaupt ist die Familie Chalfen zunehmend im Mittelpunkt, wunderbar, wie Smith die pseudo-gestelzten Dialoge der Familie untereinander konstruiert.

Millat ist am meisten zwischen den Kulturen gefangen. Als Frauenheld schläft er mit unzähligen Frauen, die meisten weiße Engländerinnen, parallel wird er durch eine fiktive radikale islamische Organisation (HEINTZ) zum islamistischen Frauenbild hingeführt. Er ist innerlich zerrissen. Irie ist auch zerrissen, sie flieht zur Großmutter, die ziemlich verblendet ist von den Zeugen Jehovas. Dort taucht sie ein in die jamaikanische Vergangenheit ihrer Familie.

Im weiteren (zeitlichen) Verlauf wird Marcus Chalfen ein berühmter Genforscher und Professor, Irie bleibt seine Sekretärin und Magid kehrt endlich aus Indien zurück und wird auch über die bisherige Brieffreundschaft hinaus ein enger Vertrauter von Marcus. Aber die gentechnischen Forschungen an Mäusen erregen den Hass der Islamisten rund um die Gruppe HEINTZ, die bei einer öffentlichen Präsentation der Forschungsergebnisse von Marcus zuschlagen wollen, insbesondere Millat will dies auch gewalttätig tun. Und Joshua schließt sich der Tierschutzorganisation FAST an, eigentlich weil er in die verheiratete Leiterin verliebt ist, aber auch weil er gegen seine Familie revoltiert. Beide Gruppen schließen sich dann zusammen, um gegen die Genversuche zu agitieren. Und schließlich wollen auch die Zeugen Jehovas protestieren, Iries Großmutter will gar auf der zur Präsentation der Ergebnisse der Forschung angesetzten Veranstaltung am 31.12.1992 in den Hungerstreik treten.

Showdown: Der ist dann ganz anders als erwartet. Statt all der geplanten Störungen (nur die Zeugen Jehovas singen draußen) geht die Geschichte zurück zu Archie und Dr. Frank. Erst jetzt erfährt der Leser, dass er damals eine Münze geworfen hat, um über das Schicksal des Arztes zu entscheiden, aber das ging schief, der Arzt bemächtigte sich seiner Waffe und schoss Archie ins Bein. An diese Szene erinnert sich Archie genau an diesem Silvesterabend, als er  Millat davon abhalten will, auf Marcus zu schießen. Damit ist die Geschichte einfach zu Ende.


Lesespaßfaktor

Das Buch ist eine große, zeitgenössische Komödie, eine Geschichte dreier Familien im London der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, ihrer Neurosen, ihrer jeweiligen Familiengeschichten. Die Geschichte schwankt zwischen den Religionen (Christentum incl. besonders christlichen Zeugen Jehovas vs. Islam), zwischen den Hautfarben, zwischen der kulturellen Prägung, zwischen Arbeiter- und Bildungshaushalten. Und der Humor ist frech, aber keineswegs peinlich. Wunderbar gelungene Metaphern erwecken Archies Erinnerungen an sein bisher tristes Leben zum Leben („Als der Wagen sich allmählich mit Gas füllte, hatte er den obligatorischen Flashback auf sein Leben bis zu diesem Tag. Wie sich herausstellte, war es ein kurzes unerbauliches Seherlebnis mit niedrigem Unterhaltungswert, das metaphysische Äquivalent zu einer Rede der Königin.“). 

Das Werk ist durchzogen von humoristischen Anekdoten und dem subtilen Spiel mit Vorurteilen (Samads Kinder machen Kopfstände zur körperlichen Ertüchtigung, Schulsport sei nicht notwendig). Dabei kommen auch die religiösen Unterschiede nicht zu kurz. Der liberale Muslim Samad sagt sich dann, er habe "nicht die richtige Religion für Kompromisse, Abmachungen, Verträge, Schwächen und Mehr-kann-man-nicht-verlangen". Es geht um Einwanderer im modernen England, um jugendliche Gangs in den 80er und 90er. Zadie Smith schafft es, mit tollem lakonischen Humor die Gegensätze der verschiedenen Gruppen (Engländer, Inder, Jamaikaner und auch Unter- und Mittelschicht) aufzuzeigen. 
"So seltsam es auch klingt, es gibt viele Menschen, die nicht mit Afrokrause vor das Angesicht des Herrn treten wollen."
Die Metaphern sind durchgängig auf ganz hohem Niveau:
"Irie dachte an ihre eigenen Eltern, deren Berührungen virtuell waren, nur stellvertretend über Dinge stattfanden, die beide zuvor angefasst hatten; die Fernbedienung, ..."

Technisch sehr gut gelungen ist  Zadie Smith das Verknüpfen der einzelnen Figuren quer durch den Roman, wie etwa im letzten Drittel plötzlich wieder Mo auftaucht und sich in der islamistischen Organisation HEINTZ zusammen mit Millat radikalisiert. Und die Klammer zwischen der Geschichte in Bulgarien aus dem Jahr 1945 und dem Schluss 1992 kommt überraschend, das ist ist große Literatur einer beim Erscheinen des Buches noch sehr jungen, aufregenden Autorin.

Dienstag, 17. September 2024

Homer - Ilias

 

Autor:

Gab es Homer als Person überhaupt? Selbst das ist umstritten. Man weiß nichts Konkretes über diesen griechischen Autoren, der eventuell im 7./8. Jahrhundert v. Chr. gelebt haben könnte, zahlreiche Städte reklamieren den Geburtsort für sich. Der Legende nach wird Homer oft als blinder, armer Wandersänger dargestellt. 

Buch:

Unstrittig ist, dass dieses Epos zusammen mit dem 'Odysseus' als Beginn der europäischen Geistes- und Kulturgeschichte gilt.  Da der Text in der Übersetzung von Johann Heinrich Voß kostenfrei in der Gutenberg Bibliothek verfügbar ist, versuche ich es einmal mit der Lektüre am PC-Monitor. Ilias bedeutet übrigens dasselbe wie Troja oder zu Troja gehörig. Das Werk umfasst in 24 Gesängen knapp 16.000 Verse, mal sehen, ob ich die wirklich alle lesen mag.

Hauptfiguren:

Achaier:
  • Achilles, Urenkel Zeus, führt ein Kontingent von 50 Schiffen und die Myrmidonen als Kämpfer aus Phthia nach Troja
  • Agamemnon, Herrscher Argos und Mykene, Heerführer der Allianz
  • Ajax der Große, nach Achilles der größte Held der Achaier
  • Diomedes, der jüngste König der Alianz, ebenfalls ein gefürchteter Krieger
  • Odysseus, ein kluger Ratgeber
  • Idomeneus, König von Kreta
  • Kalchas, Seher und Vogeldeuter
  • Nestor, ein erfahrener Krieger
  • Melenaos, Ehemann Helenas
  • Patroklos, Freund und Wagenlenker von Achilles
Troer:
  • Aineias, Überlebender des Krieges, Gründer Roms
  • Andromache, Frau Hektors
  • Hektor, stärkster Krieger Trojas und Sohn des Priamos
  • Priamos, König von Troja
  • Dolon, ein Späher
  • Pandaros, Bogenschütze
Inhalt und Rezeption:

Ich muss gestehen, dass es mi sehr schwer gefallen ist, aus dem Originaltext eine logische Handlung herauszuarbeiten, denn überhaupt die Personen in ihren Doppelnamen und die verschiedenen Völker zuzuordnen, das finde ich recht komplex. Daher verwende ich hier erstmals und ausdrücklich als Ausnahme eine Zusammenfassung aus dem Internet (www.https://wortwuchs.net/werke/ilias/)

1. Gesang

In einem langjährigen Krieg wird die Stadt Troja (Ilios) von einer großen griechischen Armee belagert. Agamemnon ist der Anführer der Besatzer und Priamos der König der belagerten Troer. In dem Lager der Griechen bricht eine von dem Gott Apollon verursachte Pest aus, da dieser über die Zurückweisung seines Priesters Chryses nicht erfreut war. Agamemnon hatte zuvor die Tochter des Priesters Chryseis als Kriegsbeute geraubt. Alles Flehen des Chryses half nichts, Agamemnon wollte sie nicht zu ihrem Vater zurückkehren lassen und macht sich vor seinen Soldaten über den Priester lustig. Von Chryses um Hilfe gebeten, zürnt der Gott Apollon gegen die Belagerer und entsendet Pest und Tod. Der griechische Held Achilles ist über den Ausbruch der Pest verärgert und beruft unter Missachtung der Rechte des Oberbefehlshabers Agamemnon eine Heeresversammlung ein. In der Versammlung klagt Achilles Agamemnon an, den Zorn des Gottes auf die Angreifer gezogen zu haben. Dies ist eine Infragestellung des Herrschaftsanspruch des Agamemnon. Zusammen mit dem Heerespropheten Kalchas deckt Achilles diesen Zusammenhang auf. Achilles hatte Kalchas um Hilfe gebeten, da er sich nicht an Grund der Gottesstrafe erinnern konnte, aber von Agamemnons Schuld überzeugt war. Von der Erklärung Kalchas in die Enge getrieben, beschließt Agamemnon die Tochter des Priesters zu ihrem Vater zurückkehren zu lassen und auf seine Beute zu verzichten. Er entsendet den Helden Odysseus die Tochter zu ihrem Vater nach Chryse zurückzubringen. Über den Vorstoß Achilles ist Agamemnon verärgert und beabsichtigt daraufhin, den aufsässigen Krieger in seine Schranken zu weisen. Er fordert die Achilles bereits als Kriegsbeute zugeteilte Briseis als Ersatz für seine verlorene Chryseis, eine Cousine derselben. Achilles ist in keinster Weise mit der Forderung des Oberbefehlshabers einverstanden. Er droht Agamemnon mit der Auflösung seines Bündnisses mit dem Anführer und mit der Rückkehr in seine Heimat Phthia. Der Aussage des Achilles begegnet der Heeresführer mit Spott und Hohn, sodass Achilles in seinem Zorn nur von der Göttin Athene gebremst werden kann. Agamemnon möchte in dieser Szene seine Macht demonstrieren und zwingt Achilles, sich ihm unterzuordnen. Dieses missfällt Achilles, der in seinem Unmut lauthals wütet. Der Grieche Nestor versucht, einen objektiven Vermittlungsversuch zu unternehmen und macht Achilles darauf aufmerksam, dass er sich den Befehlshaber unterwerfen müsse. An einer Stelle sagt Achilles, dass ihm der Verlust „seines Mädchens“ nicht so sehr schmerze wie die Notwendigkeit, sich einem Anführer unterzuordnen. Letztendlich ist es eine Sucht nach Ruhm, die den Kämpfer in den Reihen der Angreifer bleiben lassen. Gleichzeitig stimmt ihn ein Urteil des Zeus gütig, dass von seiner Mutter Thetis auf dem Olymp erkämpft wurde. Dieses besagt, dass die Griechen solange in dem Krieg unterlegen sein sollen, bis Achilles volle Genugtuung geleistet ist. Die Göttin Hera sieht dadurch ihren Plan der Zerstörung Trojas gefährdet und und beginnt einen Streit mit Zeus.

2. Gesang

Der Gott Zeus sendet Agamemnon einen verheißenden Traum, der diesen zum Angriff auf die Troer verleiten soll. Die Griechische Allianz ist durch den Streit zwischen Achilles und ihrem Anführer geschwächt, weswegen ein Angriff in dieser Situation zunächst keine besonders gute Idee wäre. Aber in dem Traum überzeugt Zeus Agamemnon davon, dass er aus dem Angriff siegreich hervorgehen würde. Gleichzeitig ist Agamemnon von der Idee besessen, aller Welt zu zeigen, dass er auch ohne Achilles siegen kann. In einer Vollversammlung des Heeres ermutigt er seine Männer in die Schlacht zu ziehen. Nach langwierigen Diskussionen beschließen die Griechen begeistert den Angriff. Obwohl die Troer von der Göttin Isis über den Angriff der Achaier informiert worden sind, wissen sie nicht, dass Achilles nicht am Kampf teilnimmt. Zu Ende des Kapitels werden die Troer vorgestellt.

3. Gesang

Kaum hat der Kampf begonnen, konzentriert sich die Schlacht auf einen Einzelkampf zwischen dem trojanischen Königssohn Paris und Menelaos. In diesem Streit drückt sich der Krieg im Kleinen aus, da der Raub Helenas durch Paris Menelaos erst zum Angriff Trojas gebracht hat (siehe Infobox „Geschichte des Trojanischen Kriegs“). Dieser Zweikampf findet auf Vorschlag Paris statt, der zuvor von Hektor getadelt wurde, weil er bei dem Angriff der Achaier (der Griechischen Allianz) zurückgewichen ist. Laut Hektor, der den Zweikampf verkündet, sollen die Streitenden sich streiten, die Völker allerdings vertragen. Der Zweikampf wird unter den Stadtmauern Trojas ausgeführt. Bei dem Kampf sind sowohl der König Trojas Priamos als auch der Anführer der Griechen Agamemnon anwesend. Es wird ein Nichtangriffspakt vereinbart und entschieden, dass der Gewinner des Kampfes Helena erhält. Es scheint, als ob der langwierige Trojanische Krieg zu einem Ende gekommen ist. Obwohl Menelaos siegt und von Agamemnon zum Sieger erklärt wird, kann Paris nicht getötet werden. Stattdessen wurde dieser von der Göttin Aphrodite zurück in die Stadtmauern gerettet. Er überlebt, womit auch durch den Zweikampf keine Entscheidung des Krieges herbei geführt werden kann.

4. Gesang

Die Friedensverhandlungen zwischen Troja und den griechischen Angreifer scheitern endgültig, als der Troer Pandaros einen Pfeil auf Menelaos schießt. Dieses sowohl verräterische als auch törichte Attentat war ihm zuvor von Athene befohlen worden. Gleichzeitig verfehlte der Schuss aber auch durch Einwirkung Athenes sein Ziel. Diese widersprüchliche Handlung erfolgt deswegen, weil die Götter zu Beginn des Kapitels auf dem Olymp beschlossen hatten, den Krieg wieder aufleben zu lassen und die Zerstörung Trojas zu besiegeln. Dieser Umstand zeigt eindeutig die Einwirkungen der Götter auf die Menschen. Der zuvor geschlossene Nichtangriffspakt verlor durch das Attentat seine Bedeutung und alle Kriegshandlungen wurden wieder aufgenommen. Die Griechen ordnen ihre Truppen und ihrer Heerführer Agamemnon spricht den einzelnen Heerleitern der Reihe nach Mut zu.

5. Gesang
Im fünften Gesang treffen die beiden Armeen Trojas und der Griechen das erste Mal aufeinander. Eine dramatische Schlacht entbrennt, in dessen Verlauf immer wieder einzelne Heldentaten im Vordergrund stehen. So zum Beispiel die Bestrafung des Pandaros, der zuvor die Friedensverhandlungen durch seinen Bogenschuss vereitelt hatte. Er wird durch einen Lanzenstich von Diomedes unter brutalster Beschreibung des Kampfes getötet. Zuvor hatte dieser von Athene und Aineas ermutigt Diomedes angegriffen. Gleichzeitig wird Aphrodite durch die Verwundung des Ares durch Diomedes gestraft, der in der griechischen Mythologie der Krieg des Blutbades, des Krieges und des Massakers ist und auf Seiten der Troer kämpft. Dieser kann aber durch seinen Vater Zeus geheilt werden.

6. Gesang

Obwohl die die Griechen unterstützenden Göttinnen Athene und Hera auf den Olymp zurück gekehrt sind, bedrängen die Griechen die Troer so sehr, dass sich Hektor mit seinem Bruder Helenos in die Stadt zurückzieht. Sie veranlassen eine Prozession zum Tempel der Stadtgöttin Athene, um diese gütig zu stimmen. Nach dem Gebet trifft Hektor auf seine Frau Andromache, bevor er vor die Mauern der Stadt auf das Schlachtfeld zurückkehrt. Mit ihm zieht Paris erneut in den Krieg, der sich seit dem Zweikampf mit Melenaos im Palast aufgehalten hatte.

7. Gesang

Auf Geheiß Athene und Apollons, die die Schlacht beenden wollen, fordert Hektor den mutigsten unter den griechischen Fürsten zum Zweikampf auf. Zuerst zögern die Achaier und lassen ein Los entscheiden. Zuerst will sich Menelaos dem Zweikampf stellen, wird aber von seinem Bruder Agamemnon aufgehalten, weil dieser vermutet, dass Menelaos wahrscheinlich verlieren würde. Durch das Los tritt Aias in den Kampf und schlägt sich gut. Es gelingt ihm sogar Hektor auf den Boden zu werfen. Während des Kampfes kommt Apollon Hektor zur Hilfe. Allerdings bleibt auch dieser Kampf unentschieden, woraufhin beide Kriegsparteien sich zu Beratungen zurückziehen. Die Griechen beschließen, ihre Toten zu begraben. Diese rituelle Handlung ist allerdings nur als Ablenkung gedacht, da sie gleichzeitig an einer Befestigung ihres Heerlagers am Strand arbeiten. In der Folge bieten die Troer den Griechen einen Waffenstillstand an, um die Toten zu begraben. Dieser wird von den Griechen angenommen. In Troja hatte Antenor vorgeschlagen, Helena an die Griechen zurück zu geben, was Paris allerdings ablehnt.

8. Gesang

Durch die Bestattung der Toten hat die Darstellung der ersten Schlacht ein Ende genommen. Entgegen der Prophezeiung Zeus, haben sich immer wieder Götter zu allen Seiten der Schlachtparteien eingemischt, was diesem missfällt. Um seinen Ratschluss vollkommen durchzusetzen (die Griechen sollen solange unterlegen sein, bis Achilles Recht widerfährt), verbietet er allen anderen Göttern, sich in den Krieg einzumischen. Er begibt sich auf den Gipfel des Ida-Gebirges. Durch seine Blitz- und Donnerschläge, geraten die Troer rasch in eine vorteilhafte Situation, die wiederum durch die Götter Hera und Athene abgemildert und zu Gunsten der Griechen verändert wird. Die Göttinnen haben gegen Zeus ausdrücklichen Befehl in die Schlacht eingegriffen, werden aber bald von ihm zurückgedrängt. Diese Einmischung wird von Zeus nicht toleriert, der angibt, den Griechen noch weiter zu schaden. Auf einer nächtlichen Versammlung schlägt Hektor vor, am nächsten Tag die Schiffe der Achaier anzugreifen.

9. Gesang

Der griechische Anführer Agamemnon ist sich wie seine Männer bewusst, dass man den Troern unterlegen ist und schlägt auf einer Heeresversammlung den Abzug vor. Diomedes und Nestor teilen seine Meinung nicht und finden einen Abzug unrühmlich. Diesem Einwand wird von mehreren Männern zugestimmt. Agamemnon zeigt sich dazu bereit, sich mit Achilles zu versöhnen. Er hofft, dass das Eingreifen des Helden die Schlacht zu seinen Gunsten verändern kann. Odysseus und Aias sollen Achilles das Angebot des Heerführers verkünden: Rückgabe der Briseis, üppige Geschenke und die Aussicht, die Tochter Agamemnons zu hereitaten. Nestor weist daraufhin, dass man möglichst diplomatisch sein solle, was Odysseus in seiner Rede an Achilles auch versucht. Allerdings lehnt es Agamemnon ab, sich bei Achilles zu entschuldigen. Achilles ist am musizieren, als ihn die Gesandten Agamemnons erreichen. Er lehnt das Angebot grob ab, weil er sich nicht einem Befehl unterwerfen möchte und der Meinung ist, dass Agamemnon noch nicht ausreichend gedemütigt ist. Die Bitten des Phoinix und des Aias haben ebenfalls keine Wirkung auf Achilles. Er ist zornig auf Agamemnon und sieht keinen Grund gegen die Troer in den Krieg zu ziehen.

10. Gesang

In dieser nächtliche Szene werden die Schlaflager der Griechen und Troer auf dem Schlachtfeld beschrieben. Priamos entsenden Odysseus und Diomedes als Späher, die wiederum den troischen Späher Dolon fangen. Sie zwingen ihn Auskunft über das troische Lager zu geben und erfahren, dass thrakische Pferde angekommen sind. Entgegen dem Versprechen Dolon zu verschonen, töten Odysseus und Diomedes den Troer und überfallen das troische Lager. Sie töten den thrakischen König Rhesos und stehlen zwei Pferde, auf denen sie ins griechische Lager zurückreiten.

11. Gesang

Da Zeus Entschluss über die Wiedergutmachung an Achilles noch immer nicht berücksichtigt wurde, können die Griechen im Kampf keinen Vorteil erhalten. In Kampfhandlungen werden sowohl Agamemnon und Diomedes, als auch Odysseus verletzt. Ebenso flieht Aias vor den Troern, sodass alles den Anschein hat, als ob die Griechen den Krieg verloren hätten. Achilles wird sich bewusst, dass seine baldige Rache naht. Er entsendet Patroklos, um sich über das Kriegsgeschehen zu erkundigen. Dieser zeigt sich allerdings von den Erzählungen von Nestor und Euryplodes gerührt und zeigt Mitgefühl mit seinen unterlegenden Landsleuten.

12. Gesang

Nachdem die Troer das weite Feld vor ihrer Stadt erobert haben, wollen sie nun auch das Heerlager der Griechen erobern. Eine erste Erstürmung durch Asios scheitert. Allerdings hat eine von Hektor geführte Erstürmung erfolgt. Er kann ein Tor der Befestigung zerstören, sodass die Troer die Achaier zu ihren Schiffen zurückdrängen können.

13. Gesang

Die Troer haben den Landeplatz der Griechen angegriffen und sind bis zu den Schiffen vorgedrungen. Gerade als sich der Wille Zeus zu vollenden scheint und die Griechen vollkommen geschlagen sind, mischen sich die Götter Poseidon und Hera ein. Dieses ist möglich, weil sich Zeus im Glauben eines troischen Sieges von der Schlacht abwendet. Durch das Eingreifen der anderen Götter kann die Vernichtung der Griechen abgewendet werden. In dem Kampf wird ein Sohn Poseidons getötet, der daraufhin Idomeneus zum Kämpfen motiviert und ihm hilft, viele Troer zu töten.

14. Gesang

Um Poseidon in seiner Unterstützung der Griechen beizustehen, schläfert Hera ihren Gatten Zeus auf dem Ida Berg ein. Sie macht sich hübsch und verführt Zeus mit Hilfe Aphrodites. Nach dem Beischlaf gelingt es ihr Zeus mit der Hilfe Hypnos einzuschläfern. Zuvor hatte Zeus von seinem Hochposten noch das Kriegsgeschehen beobachtet. Durch die Hilfe des Meergotts Poseidon können die Griechen wieder die Oberhand über den Kampf gewinnen. Agamemnon wollte sich zuerst wieder zurückziehen, konnte aber von Odysseus zum Weiterkämpfen überredet werden. Durch die List Heras kann Poseidon die Angreifer direkt unterstützen. Dadurch gelingt es den Achaiern Hektor außer Gefecht zu setzen und Boden zu gewinnen.

15. Gesang

Dank der Hilfe Poseidons und Heras gelingt es den Griechen die Troer aus ihrem Heerlager zu vertreiben. Als Zeus allerdings aus dem durch Hera künstlich herbeigeführten Schlaf erwacht, greift er sofort wieder auf Seiten der Troer in das Kampf geschehen. Er befiehlt Hera in den Olymp zurückzukehren. Auch Poseidon muss sich aus der Schlacht zurückziehen. In seinem Zorn steigert Zeus die Bedrängnis der Griechen noch weiter. Die Griechen werden wieder zurück zu ihren Schiffen gedrängt.

16. Gesang

Achilles Vertrauter Patroklos war bereits im 11. Gesang von Mitleid gerührt, als er die Not der anderen Griechen sah. Er bittet Achilles zu Gunsten der Angreifer in die Schlacht einzugreifen. Obwohl Achilles Patroklos Bitte ablehnt, ist er bereit als Anführer der Myrmidonen in das Kampfgeschehen einzugreifen und den bedrängten Kriegern zur Seite zu stehen. Allerdings greift Achilles nur unter der Bedingung ein, den Bedrängten in ihrer bedrohlichen Lage zu helfen und das Lager zu verteidigen. Als dann sehr bald alle Troer aus dem Lager vertrieben worden sind, hat Patroklos den Befehl seines Herrn vergessen. Wagemutig und im Siegestaumel verfolgt er die nunmehr fliehenden Angreifer aus Troja bis vor ihre eigenen Stadtmauern. Entgegen Achilles Rat greift er vier Mal die Stadtmauern Trojas an, wird aber jedes Mal von Apollon zurückgewiesen. Als Hektor in den Kampf eingreift, fällt Patroklos bald. Vor seinem Tod prophezeit er noch den baldigen Tod Hektors.

17. Gesang

Die Leiche des Patroklos, einem sehr engen vertrauten Achilles, wird von Menelaos vor weiterer Schändung geschützt, wodurch er sich den Respekt Achilles erwirbt. Im weiteren Kampf verliert Achilles seine Rüstung an Hektor, da diese zuvor von Patroklos getragen wurde.

18. Gesang

Schwer gezeichnet durch den Tod seines Vertrauten, hat Achilles nun zum ersten Mal einen Grund, sich auch aus persönlichen Gründen gegen die Verteidiger Trojas zu wenden. Zuvor war der Krieg eine Angelegenheit zwischen den Atriden um Agamemnon und Menelaos, doch durch den Tod Patroklos ist Achilles bereit, alles für den Kampf zu geben. Er klagt wehmütig um den Verlust seines Vertrauten. Auf Bitten seiner Mutter Thetis schmiedet ihm Hephaistos eine neue Rüstung. In diesem Zusammenhang wird die berühmte Darstellung des Achillischen Schildes als Ekphrasis beschrieben. Auf dem Schild werden die Stadt und der Kosmos in Krieg und Frieden beschrieben. Patroklos Leiche wird von den Griechen gereinigt und gesalbt. Zu seiner Ehre werden zwölf Troer geopfert.

19. Gesang

In einer von Achilles (wie zu Beginn der Illias) einberufenen Heerversammlung ist Achilles dazu bereit an der Seite der anderen Griechen zu kämpfen. Einen Hinweis Nestors der besagt, dem Anführer Agamemnon Loyalität zu zollen, überhört Achilles einfach. Er möchte so bald wie möglich kämpfen und beklagt den Tod seines Freundes Patroklos. Während eines gemeinsamen Frühstücks wartet Achilles auf den Beginn der Kämpfe. Agamemnon überreicht ihm die versprochenen Gaben, die zu Achilles Schiff gebracht werden. Diese interessieren den Helden allerdings nicht. Sowohl er als auch Agamemnon erkennen, dass sie zuvor fehlerhaft gehandelt haben. Achilles bekennt sich zu seinem Zorn, der ihn fehl geleitet hatte und Agamemnon behauptet, von Zeus geblendet worden zu sein.

20. Gesang

Der Kampf zwischen den Kriegern Trojas und den Griechen entbrennt und die Götter werden von Zeus aufgefordert, in das Kriegsgeschehen einzugreifen. Der Gott Apollon veranlasst, dass sich Aieneas Achilles in den Weg stellt. Aus dem entbrennenden Kampf wird Aineais nur durch das Eingreifen Poseidons gerettet, der ansonsten eher auf der Seite der Griechen kämpft. Der Gott möchte den Troer als Halter des trojanischen Stammbaums bewahren. Dem Gott ist bereits klar, dass Troja fallen wird, weswegen er an der Bewahrung eines ehrenvollen Troers interessiert ist. Achilles tötet immer weitere Troer, darunter auch einen Sohn des Priamos. Als Hektor von dem Tod seines Bruders erfährt, greift er ungehindert in den Kampf gegen Achilles ein, kann aber von Apollon gerettet werden.

21. Gesang

Auf der Flucht vor Achilles überqueren einige Troer den Fluss Skamandros (oder auch Xanthos). Für die Feuerbestattung des Patroklos werden 12 Troer von Achilles gefangen, weitere Troer wie Lyakon werden brutal von Achilles getötet. Obwohl Lyakon, ein Sohn des Königs Priamos, um Gnade bittet, wird er von Achilles nach seiner Tötung in den Fluss geworfen. Dieses verärgert den Flussgott, doch Achilles tötet in seiner Raserei auch noch einen Sohn desselben. In dem entstehenden Kampf gerät Achilles in eine solch große Bedrängnis, dass er weder von Poseidon noch von Athene gerettet werden kann. Erst der durch Hera herbeigerufene Hephaistos kann Achilles vor dem Flussgott retten, indem er den Fluss durch ein großes Feuer bändigt. Die vielfache Verquickung der Götter untereinander und ihr gegenseitiger Kampf machen Zeus sehr glücklich. Während sich alle Götter auf den Olymp zurückziehen, ist Apollon der einzige der zur Verteidigung Trojas bleibt. Durch eine List gelingt es Apollon Achilles zu täuschen, sodass sich die überlebenden Troer in die Mauern der Stadt retten können.

22. Gesang

Als Achilles erkennt, dass er getäuscht wurde, ändert er sofort seine Richtung und greift Troja an. Vor den Toren der Stadt wird er von Hektor erwartet, der sich gegen den Willen seiner Eltern dazu entscheidet, gegen den Griechen zu kämpfen. Als er Achilles gegenüber steht, erkennt er, dass er ihm unterlegen ist und beschließt zu fliehen. Während die Götter in einer Beratung über den weiteren Verlauf diskutieren, umrunden die beiden Kämpfer in ihrer Verfolgung dreimal die Stadtmauern. Letztendlich entscheidet sich Apollon dazu, Hektor seinem Schicksal zu überlassen. Dieses geschieht auf Grund einer Entscheidung der Schicksalswaage, die von Zeus befragt den Tod Hektors verkündet. Im darauffolgenden Kampf wird Hektor von einer Lanze Achilles am Hals getroffen und stirbt. Achilles hatte sich zuvor geweigert, mit dem Unterlegenen Kämpfer über ein Bestattungsritual zu reden. Er bindet die Leiche an seinen Wagen und umrundet mehrmals die Stadt. Beim Anblick der Leiche fällt Hektors Frau Andromache in Ohnmacht.

23. Gesang

In der Nacht vor der Bestattung Patroklos besucht seine Seele (Psyche) Achilles und kündigt ihm an, dass er bald sterben wird. Er bittet Achilles ebenfalls um ein gemeinsames Grab und eine baldige Beerdigung. Alsbald wird dann für die Leiche von Patroklos ein großer Scheiterhaufen angezündet, der von den Winden Boreas und Zephyros angefacht wird. Zur Ehre des Toten werden an der Grabstätte sportliche Wettkämpfe abgehalten, die den olympischen Disziplinen sehr ähneln.

24. Gesang

Achilles schleift noch immer die Leiche des Königssohns Hektors um die Stadt. Auf den Befehl Zeus soll Achilles die Leiche an die Troer zurückgeben. Er trifft sich mit dem König Priamos und erhält Lösegeld für die Leiche. In der Unterhaltung beschließt man eine elftägige Waffenruhe, um eine Bestattung Hektors zu gewährleisten. Bei den Troern ist der Schmerz über den Verlust Hektors sehr groß. Die Ilias endet mit einem Totenmahl.

Lesespaßfaktor:

Ganz ehrlich: Ich mag Texte in Versform nicht besonders und da dieser Text ja schon ziemlich alt ist, ist er schwer zu lesen und schwer zu verstehen. Auch wenn sicherlich die Handlung bildungsbürgerliches Wissen darstellt, dieses aus den Originaltexten zu exzerpieren, ist doch eine hinreichende Qual. Insofern bleibt hier die Zusammenfassung stehen, um eine schnelle Quelle zu haben, etwas über die Geschichte zu lernen, auch wenn ich den Text selbst nicht wirklich selbst lesen mag. 

♡♡

Samstag, 14. September 2024

Giovanni di Boccaccio - Das Dekameron

 

Autor:

Boccaccio wurde im frühen 14. Jahrhundert in Certaldo bei Florenz geboren, wo er auch 62 Jahr später verstarb. Die Mutter verstarb früh, sein Vater war Bankangestellter. So wurde er auch nach Neapel geschickt, um in der dortigen Niederlassung der Bank eine kaufmännische Lehre zu machen. Aber bereits dort begann seine Leidenschaft für die Literatur und er lernte die höfische Lebensweise und verfasste dort eines der ersten Prosawerke überhaupt. Zurück in Florenz arbeitete er in verschiedenen Berufen im bürgerlichen Umfeld. Und dort schrieb er auch das hie zu besprechende Werk und er freundete sich mit dem Schriftsteller Petrarca an. Seine Biografie von Dante entfachte eine neue Begeisterung für den Autor der 'Göttlichen Komödie'. 

Mittwoch, 21. August 2024

Sophokles - Antigone



Autor:

Sophokles lebte im 5. Jahrhundert v. Chr. Er ist einer der drei großen Tragödiendichter der griechischen Klassik. Neben seinen schriftstellerischen Tätigkeiten hatte er auch zahlreiche politische Ämter inne. Er war sehr produktiv, so dass 123 Stücke noch namentlich bekannt sind, von denen aber nur noch 6 vollständig erhalten sind. Heute werden vor allem ‚König Ödipus‘ und ‚Antigone‘ noch oft gespielt. Er war der erste Schriftsteller, die in die Dialoge der Tragödien eine dritte Person eingeführt hat, was die Texte lebhafter machte.

Buch:

Dieses Werk entstand 442 v. Chr. und ist Teil der so genannten ‚Thebanischen’ Trilogie. Wenn man sich einen Überblick über die Literaturgeschichte verschaffen möchte, dann gehört es dazu, auch etwas der griechischen Dichter zu lesen. Dunkel meine ich mich zu erinnern, das Werk schon einmal in der Schule gelesen zu haben, hängen geblieben vom Inhalt ist aber nichts. 

Hauptfiguren:
  • Antigone, Tochter des Ödipus
  • Ismene, ihre Schwester 
  • Kreon, König von Theben
  • Eurydike, seine Frau
  • Haimon, sein Sohn
Inhalt und Rezeption:

Antigone und ihre Schwester klagen über den Tod ihrer beiden Brüder, der eine hat den anderen umgebracht und es ist auch nur einer in Ehren bestattet worden. Sie will nun verbotenerweise auch den anderen, vom König wegen Landesverrats verbannten, bestatten, bevor er von Vögeln aufgefressen wird, Ismene ist dagegen, will sich den Vorgaben des Königs beugen. Ihr Leid wird verstärkt durch den Selbstmord ihrer Großmutter und der Selbstverstümmelung ihres Vater Ödipus. 

Als ein Bote dem König berichtet, der Leichnam sei unbemerkt mit Erde bestreut und gesegnet worden, verlangt der König in seiner Wut, den Übertäter zu finden. So wird Antigone schnell festgenommen und dem König vorgeführt. Seine Frage, warum sie des Königs Gesetz ignoriert hat, antwortet sie lapidar,     für sie gelten nur die Gesetze der Götter, nicht die eines irdischen Königs. Sie wird zum Tode verurteilt, ihre Schwester will ihr folgen, obwohl sie in der Sache unschuldig ist. Aber Haimon, Verlobter Antigones, redet auf seinen Vater ein, doch Nachsicht zu üben, wofür er übel beschimpft wird („Weibshöriger! Geh mir mit dem Geschwätz!“) und sich folglich vom Vater lossagt.

Antigone wird in ein Felsengrab gesperrt. Nun erscheint auch ein Seher, um Kreon zu überzeugen, dass er auf dem falschen Weg ist, Antigone für ihre Tat sterben zu lassen. Dieser will das auch tun, aber es zu spät, Antigone hat sich in ihrem Felsengrab das Leben genommen und Haimon folgt ihr in den Tod, vor den Augen seines herbeigeeilten Vaters. Trauernd kommt er mit dem Leichnam seines Sohnes nach Hause, nur um zu erfahren, dass sich aus lauter Trauer und Verzweiflung auch seine Frau Eurydike umgebracht hat. Und ihn vorher verflucht hat. Kreon ist verzweifelt ob seiner Schuld. Ende.

Lesespaßfaktor:

Das Werk ist in Versform geschrieben, zumindest in der deutschen Übersetzung aber nicht in Reimform. Eine gewisse Kenntnis der griechischen Mythologie ist erforderlich, um die Anspielungen im Text zu verstehen, gerade in den Chorgesängen. Diese kommentieren die Handlung und enthalten einige er Lebensweisheiten. Herausragend ist es, wie Sophokles in den Dialogen ewige Wahrheiten in ganz kurzen, prägnanten Sätzen auszudrücken vermag. Zwei Beispiele dafür:
„Wir müssen einsehen, daß wir Frauen sind, mit Männern uns zu messen nicht bestimmt.“

„ Furchtbar, wenn einer glaubt und glaubt verkehrt!“ 

Das Rollenbild ist glasklar, die Frauen sind dem Manne Untertan genauso wie die Kinder dem Vater.

„Drum gilt‘s, das Ordnung -Schaffende zu schützen und ja nicht einem Weibe sich zu beugen“ 

Wie in jeder guten Tragödie führt eine durchaus gut gemeinte oder besser verständliche Handlung zu furchtbaren, tödlichen Folgen, Unschuldige sterben, meist durch die eigene Hand, der Verursacher des Leides bleibt verzweifelt zurück. Es ist eine kurze Lektüre, aber mit den in ihr enthaltenen Weisheiten auch heute noch überaus lesenswert. 



Mittwoch, 24. Juli 2024

Stefan Zweig - Joseph Fouché (Bildnis eines politischen Menschen)

 

Autor:

Dieser jüdisch-österreichische Schriftsteller gehörte im frühen 20. Jahrhundert zu den populärsten deutschsprachigen Schriftstellern. Er wurde geboren 1881 in Wien und schied 1942 freiwillig aus dem Leben in seinem brasilianischen Exil, nachdem er bereits 1934 seine Heimat verlassen in Richtung London verlassen hat. Zweig gehörte während des nationalsozialistischen Terrors zu den verbotenen Autoren. Er war ein glühender Pazifist, was sicherlich in den schlimmen Kriegszeiten seine Depressionen gefördert hat. Zu seinen bekanntesten Werken gehört sicherlich die Schachnovelle oder die verfilmte Novelle 'Brennendes Geheimnis' sowie sein einziger vollendeter Roman 'Ungeduld des Herzens. Er schrieb auch zahlreiche historische Miniaturen und einige romanhafte Biografien wie eben dieses Buch. In vielen seiner Werke geht es um Tragik, Drama, Melancholie und Resignation.

Buch:

1929 erschien dieses Werk über das Leben des französischen Politiker Joseph Fouché, der zur Zeit der französischen Revolution und in der Kaiserzeit danach ein überaus einflussreicher Mann war. Da andere Werke Zweigs viel bekannter sind oder aber mir geläufigere historische Personen porträtierten, habe ich bislang immer einen Bogen um die Lektüre gemacht. Da ich mir aber gerade die Geschichte der französischen Revolution wieder neu erschlossen habe, soll dieses Buch das Thema vertiefen.

Inhalt und Rezeption:

Bereits im Vorwort wird eine zeitgenössische Einschätzung über den Machiavellisten Fouché gegeben (Verräter, Intrigant, Reptiliennatur usw). aber bereits Balzac hat diesen Mann als den psychologisch interessantesten Charakter seines Jahrhunderts gesehen. 

Fouché wurde 1759 in Nantes geboren als Sohn einer Fischerfamilie, Bildung und damit nicht-handwerkliche Tätigkeiten schienen ihm damit zunächst verwehrt in der ständegeprägten Gesellschaft im Frankreich des 18. Jahrhunderts. Bleibt die Kirche, in der er 10 Jahre ausgebildet wird und als Lehrer tätig ist (in Arras). Aber das Gelübde, Priester zu werden, das verweigert er. Was ihm für seine Zukunft bleibt ist erlernte Selbstdisziplin sowie ausgeprägte rhetorische Fähigkeiten. In einem Salon, in dem sich die so genannten 'Rosati' treffen, lernt er früh Robespierre kennen, der Ende der 1770er Jahre noch ein einfacher Anwalt war, und freundet sich mit ihm an. Aufgrund umtriebiger Vorschläge in seinem Kloster wird er zurück nach Nantes abgeschoben, gibt dort legt er aber schnell die Soutane ab und geht in die Politik. Er heiratet, um im Bürgertum mitmischen zu können. Und dann lässt er sich als Kandidat für den Konvent aufstellen, die gesetzgebende Versammlung Frankreichs.

Der erste Teil der Revolution war zu diesem Zeitpunkt (1791) schon geschehen, jetzt geht es um die künftige politische Ausrichtung der Republik. Auf der einen Seite die gemäßigten Girondisten, unter der Führung von Condorcet und Roland, auf der anderen Seite die Vertreter des Proletariats unter der Führung von Marat, Danton und Robespierre, die die Revolution weiter führen wollen. Fouché folgt wie immer der zu erwartenden Mehrheit und gesellt sich zu den ersteren. Damit endet die Freundschaft zu Robespierre endgültig. Auch wenn Fouché bei der Abstimmung über Leben oder Tod für den König Ludwig XVI sich auf die Seite der Aufrührer stellt. 

Als Vertreter des Konvents geht er zurück in seine Heimat, um dort die revolutionären Ziele durchzusetzen, was er mit eiserner Hand tut. Er schreibt ein Jahrhundert vor Marx quasi ein kommunistisches Manifest, enteignet die Kirche und alle Besitzenden. Aufgrund dieses Erfolges wird  er vom Konvent nach Lyon gesandt, um auch dort Aufstände zu unterdrücken. Diesmal allerdings auf blutigste Art und Weise lässt er bald 2.000 Gegner der Revolution erschießen und rechtfertigt sich mit den blumigsten Worten. Kurze Zeit später wird er aber vom "revolutionären Saulus" "zum humanen Paulus", er wittert wieder die Mehrheit woanders. Angeklagt wird er von Robespierre aber ausgerechnet wegen zu großer Menschlichkeit und damit dem Verrat an der Revolution, welch eine Farce. Es beginnt ein tödlicher Kampf der Protagonisten, an dessen Ende Robespierre guillotiniert wird. 

Zum Ende der Revolution hin taucht Fouché erst einmal unter. Er lebt 3 Jahre in bitterster Armut, bis er als Spion des neuen starken Mannes der neuen Republik, Barras, wieder ins Spiel kommt. Bei dubiosen Beschaffungsgeschäften für die Armee verdient er mit, beim Staatsstreich, der Abschaffung eben dieser Republik ist er auch wieder dabei. Er reist nach Italien und in die Niederlande im Namen der neuen, reaktionären Regierung, ist dort erfolgreich und wird 1799 zum Polizeiminister ernannt. Seine erste Tat ist das Verbot der Club der Jakobiner, der Herzkammer der Revolution, die damit auch beendet ist. Dann baut er ein stasi-ähnliches Informanten-Netzwerk auf, zu seinen Spionen gehört gar die spätere erste Ehefrau Napoleons. Er lernt Napoleon persönlich kennen, unterstützt seinen Umsturz in gewohnt subtiler Art und bleibt als Polizeiminister an der Seite des Heroen beim Wiederaufbau der französischen Nation.

Einen ersten Riss in diese eher berufliche Verbindung bringt ein Attentat auf Napoleon, der dieses den Jakobinern vorwirft und Fouché anklagt, diese Verschwörung nicht rechtzeitig aufgedeckt zu haben. Dieser wiederum kann ermitteln, dass Royalisten hinter dem Anschlag standen, seine Position ist wieder einmal gerettet. Aber Napoleons Familie will ihn loswerden, da Fouché sich auf die Seite Napoleons verschwenderischer und kinderlosen Gattin gestellt, die damit der Kaiserkrone im Wege steht, und schließlich lobt Napoleon ihn weg in den Senat, vergoldet mit Geld und einem Fürstentum. Er wird sehr reich, bleibt aber ungeduldig, wieder an der Macht teilzuhaben, was zwei Jahre später schon der Fall ist, denn Napoleon braucht jetzt die Senatoren, zu denen Fouché inzwischen als Teil seiner Belohnung gehört, um Kaiser einer Erbdynastie zu werden.

Während des Kaiserreichs entwickelt sich dann eine weitere Feindschaft, die zum Außenminister Talleyrand, der ebenso wichtig für Napoleon ist wie Fouché selbst; beide vereint aber auch die Ablehnung der immer größer werdenden Macht des Kaisers und insbesondere die Sinnlosigkeit des Krieges gegen Spanien 1808. Aber es kommt wie immer. Napoleon zürnt über die vermeintliche Konspiration, die nur aus einem öffentlichen Treffen der beiden bestand, aber nur Talleyrand wird entlassen, Fouché zusätzlich Innenminister. In der Funktion mobilisiert er in Abwesenheit Napoleons, der wieder Krieg gegen Österreich führt, selbstständig die Nationalgarde, als die Engländer in Frankreich einfallen und gewinnt. Dafür wird er zum Herzog von Otranto (im Südosten Italiens) ernannt. 

Aber wie Napoleon selbst wird auch Fouché größenwahnsinnig, er will einen Separatfrieden mit England einfädeln, ohne das Wissen des Kaisers. Als dieser Komplott auffliegt, wird er (mal wieder) entlassen, aber erneut mit weiteren Pfründen bedacht, er soll Staatsrat und Botschafter in Rom werden, Napoleon erkennt immer die Widerstandskraft und die Macht Fouchés an. Dazu kommt es aber nicht, denn Fouché vernichtet oder entwendet vor seiner Demission als Polizeiminister alle wichtigen Papiere. Diese Freveltat erzürnt Napoleon so sehr, dass er ihn 1809 nach Aix auf sein dortiges Gut verbannt. Fouché erleidet einen Nervenzusammenbruch. Dann stirbt noch seine geliebte Frau und er will nur noch seine Ruhe.

Erneut dreht sich die politische Welt, Napoleon verliert erstmals einen Krieg, 1912 in Russland, seine Macht bröckelt und er sucht in Sachsen eine Entscheidungsschlacht. Um Fouché, der inzwischen wieder näher an Paris wohnen darf, von dort wegzulocken, befiehlt er ihm Statthalter der Provinz Illyrien (ein Gebiet in und rund um das heutige Slowenien) zu werden, der dort aber nur noch den geordneten Rückzug organisieren kann, denn Napoleon verliert seine Weltmacht in der Völkerschlacht bei Leipzig. Als Fouché nah einer weiteren Mission in Italien endlich nach Paris zurückkehrt, kommt er zu spät, Napoleon ist bereits abgesetzt und Ludwig XVIII der König, die Regierung wird ausgerechnet von seinem einstigen Widersacher Talleyrand geführt. 

Aber Napoleon kehrt aus seinem Exil auf Elba zurück, um den unbeliebten neuen König wieder zu stürzen. Die berühmten 100 Tage bis Waterloo stehen bevor. Die meisten der ehemaligen Unterstützer haben sind indes abgewendet, nur der machtgierige Fouché ist sofort wieder zur Stelle und wird zum dritten Mal der Polizeiminister. Unterstützung für Napoleon gibt es nicht mehr, das Volk ist der Opfer an Soldaten überdrüssig, die anderen europäischen Mächte anerkennen ihn nicht mehr. Der Zweikampf der beiden Protagonisten beginnt erneut. Als sich die Niederlage gegen die Engländer in Waterloo in Paris herumspricht hat Fouché schon alle politischen Institutionen auf seine Seite gebracht. Napoleon wird zum Abdanken gezwungen, Fouché Vorsitzender der neuen Übergangsregierung. 

Dann unterstützt Fouché gegen ein schönes Ministeramt die Restauration und bringt den König Ludwig XVIII wieder an die Macht. Und wieder ist er Polizeiminister, diesmal des Königs, gegen dessen Bruder er noch das Todesurteil mit ausgesprochen hatte. Und ausgerechnet er soll nun eine Racheliste erstellen mit all denjenigen, die während der 100 Tage Napoleon gedient haben. Die nächste Farce, Fouché selbst müsste ganz oben stehen, tut es aber natürlich nicht. Aber er hat die Rechnung ohne die Tochter des seinerzeit ermordeten Königs gemacht, ohne die Herzogin von Angouleme, die als einzige der Königsfamilie das Massaker überlebt hat. Sie fordert nun vehement die Absetzung Fouchés und als der neue König seine Macht hinreichend gesichert hat, geschieht dies auch, aus der Hand des zweiten Überläufers, von Talleyrand, formell wird er jedoch einfach als Gesandter nach Dresden geschickt, was er auch annimmt, anstatt seinen luxuriösen Ruhestand zu genießen. Aber nach nur wenigen ereilt ihn die Nachricht, dass das französische Parlament ihn mit überwältigender Mehrheit für den Rest seines Lebens aus Frankreich verbannt hat, den unbedeutenden Posten ist er also sehr schnell wieder los. Seine letzten Jahre verbringt er unter Hohn und Spott mit seiner jungen, zweiten, adeligen Frau, in Prag, Linz und Triest, wo er 1820 vereinsamt verstirbt.

Lesespaßfaktor:

Zweig hat eine Fülle despektierliche Begriffe für Fouchés Charakter bereit, etwa "Charakterchamäleon" oder " absoluter Amoralist". Diese Bewertung Fouchés zieht sich durch den ganzen Roman. 
Der Leser erfährt viel über die französische Revolution, noch mehr über Herrschaft Napoleons, beides mal aus einer anderen Perspektive. 

Wie immer bei Stefan Zweig ist die Erzählweise psychologisch dicht, in süffigen Worten, in klaren Sätzen, d.h. die Geschichte Fouchés genauso wie die Zeitgeschichte wird oft durch inhaltliche Wiederholungen, die aber sprachlich schön diversifiziert sind, dem Leser quasi eingebläut.

Literarisch ist diese Geschichtsstunde nicht zu bewerten, daher habe ich auch eigentlich nur eine Inhaltsangebe verfasst und weniger eine inhaltliche Rezeption. Ich könnte mir auf jeden Fall eine schöne, schaurige Verfilmung dieses Buches gut vorstellen.



Freitag, 19. Juli 2024

Johann Wolfgang von Goethe - Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand

 

Autor:

Goethe kennt wohl jeder. Geboren 1749 in Frankfurt am Main, gestorben 1832 in seinem Haus in Weimar. Er ist der bedeutendste Dichter deutscher Sprache und war nebenbei auch noch Naturforscher. Seine Eltern stammen aus einer angesehenen bürgerlichen Familie, zusammen mit seiner Schwester erhielt er früh eine umfassende Bildung. Er studierte Jura und arbeitete anschließend auch als Anwalt. Literarisch erzielte Goethe 1773 und 1774 seine ersten Erfolge mit dem Drama 'Götz von Berlichingen'  sowie dem Briefroman 'Die Leiden des jungen Werther'. 1775 wurde er an den Hof von Weimar geladen und nahm dort administrative Aufgaben wahr, was seine Kreativität belastete. Er befreite sich daraus erst 1786 durch eine zweijährige Reise nach Italien. Ab 1791 leitete er in Weimar als Freund des Herzogs viele Jahre das Hoftheater. Sein Drama 'Faust' von 1808 gilt als das bedeutendste Werk der deutschen Literatur überhaupt. 

Buch:

Hier handelt es sich um ein Schauspiel Goethes, das 1773 erschien und ein Jahr später erstmals aufgeführt wurde. Literaturgeschichtlich gehört es zur Gattung des Sturm und Drang, innerhalb von Goethes Werkverzeichnis zu den früheren Werken. Das Schauspiel spielt an über 50 Orten zu verschiedenen Zeiten, einzig der Charakter der Hauptfigur hält die Geschichte zusammen. Grundlage ist die echte Lebensgeschichte des Gottfried von Berlichingen aus dem 16. Jahrhundert. Dieses Werk machte Goethe seinerzeit berühmt. 

Hauptfiguren:
  • Götz von Berlichingen, Ritter
  • Georg, sein Sohn
  • Karl, sein anderer Sohn
  • Maria, seine Schwester
  • Elisabeth, seine Frau
  • Bruder Martin, ein Mönch aus Erfurt
  • Adelbert Weislingen, Jugendfreund von Götz, nun als Ritter Diener des Bischofs von Bamberg
  • Bischof von Bamberg
  • Olearius (eigentlich Öhlmann), Jurist
  • Liebetraut, Höfling beim Bischof
  • Adelheid von Walldorf, schöne Witwe am Hof des Bischofs
  • Kaiser
  • Hanns von Selbitz, einbeiniger Weggefährte von Götz
  • Franz von Sickingen, ebenfalls ein Gefährte von Götz
  • Franz Lerse, Reitersknecht
Inhalt und Rezeption:

Erster Aufzug:

Burgherr Götz von Berlichingen  - mit seiner rechten Eisenhand, da ihm einer Schlacht die eigene Hand abgeschlagen wurde- unterhält sich mit Bruder Martin über religiöse Dinge und erwartet einen Diener des Bischofs von Bamberg, mit dem er überkreuz liegt. Das ist sein Jugendfreund Weislingen, den er gefangen nimmt und auf seine Burg verbringt, weil dessen Dienstherr, der Bischof, wiederum seinen Sohn gefangen hält, um im Sinne des Kaisers gegen die Ritter vorgehen zu können. Und sie erinnern sich ihrer gemeinsamen Kindheit und Jugend. Obwohl der Bischof seinen Sohn nicht austauschen will, lässt Götz seinen Freund frei und stimmt einer Heirat mit seiner Schwester Maria zu. Dieser will sich fortan vom Bischof abwenden. 

Zweiter Aufzug:

Der Bischof sendet seinen Höfling Liebetraut zu Weislingen, um ihn von der Rückkehr nach Bamberg zu überzeugen, was auch gelingt. Götz fürchtet um die Loyalität seines Freundes und sendet seinen Sohn Georg zum Hof, um zu spionieren. Weislingen verliebt sich in die schöne Adelheid und Götz erfährt von dem Verrat von seinem Sohn. 

Dritter Aufzug:

Nürnberger Kaufleute beschweren sich beim durchreisenden Kaiser, dass sie von Götz ausgeraubt wurden. Daraufhin will der Kaiser Berlichingen festsetzen, verhängt über ihn die Acht, d.h. entzieht ihm alle bürgerlichen Rechte und gibt ihn damit zur Tötung frei. Dieser gibt seine Schwester Sickingen, einem seiner Vertrauten, zur Frau und schützt sie damit auch vor einem drohenden Überfall auf seine Burg. Es kommt zu einigen Scharmützeln mit den Truppen des Kaisers, er verschanzt sich in seiner Burg, wird belagert, will zunächst nicht aufgeben, wird dann aber dennoch gefangen genommen.

Vierter Aufzug:

Der Kaiser hält Götz in Heilbronn fest, im Rathaus muss er sich vor Gericht einer Untersuchung stellen. Falls er dem Kaiser ewige Treue schwöre würde, würde er freigelassen und die Acht würde aufgehoben. Das lehnt Götz ab, man will ihn ins Gefängnis stecken als sein Schwager Sickingen mit 200 Mann vor der Stadt steht und droht, sie anzuzünden. Er kehrt auf seine Burg zurück. Weislingen zürnt der Schwäche der Heilbronner und hat Angst vor der Vergeltung von Götz. Seine Geliebte Adelheid intrigiert weiter und hofft auf einen ihr gewogenen Nachfolger des Kaisers, um ihren politischen Einfluss weiter zu vergrößern, auf Weislingen nimmt sie dabei keine Rücksicht, im Gegenteil missbraucht sie sogar seinen Sohn für ihre Ränkespiele.

Fünfter Aufzug:

Ein Bauernaufstand beginnt, mit viel Mord und Totschlag. Um dem zu begegnen wollen einige der Anführer Götz zu ihrem Hauptmann machen, der für 4 Wochen diese Aufgabe annimmt, Aber er wird von den Bauern verraten, eine Stadt wird niedergebrannt, aber die kaiserlichen Truppen unter Weislingen nehmen die Aufständischen gefangen oder töten sie. Auch Götz wird wieder inhaftiert. Adelheid ist Weislingens überdrüssig geworden und bringt seinen Knappen dazu, ihn zu vergiften, sie wird anschließend wegen Ehebruchs und Mordes zum Tode verurteilt. Vorher hat er aber noch auf Marias inständige Bitte hin das Todesurteil gegen Götz aufgehoben. Dennoch stirbt Götz an seinen Verletzungen, an seiner Trauer, dass ihm alles genommen wurde und vor allem über den Tod seines Sohnes. 

Lesespaßfaktor:

Es ist ein klassisches Theaterstück, spielt im Mittelalter und ehrt das Rittertum. Im relativ kurzen Text übt Goethe aber auch durchaus Kritik an der Kirche und am Zölibat in Person des Bruder Martin ("Ich kenne keine Weiber, und doch war die Frau die Krone der Schöpfung!"). Er parliert über die Juristerei, mit einem kleinen Augenzwinkern ("...; der Pöbel hätte mich fast gesteinigt, wie er hörte, ich sei ein Jurist."), aber auch über die damalige Politik, etwa dass der Kaiser unzufrieden ist mit der Macht der zahlreichen Fürsten.

Im Sturm und Drang geht es verstärkt um die Erfüllung persönlicher Träume ("So gewiß ist der allein glücklich und groß, der weder zu herrschen noch zu gehorchen braucht, um etwas zu sein!"). Persönliche Beziehungen, Freundschaft und Liebe spielen neben der eigentlichen Handlung eine große Rolle. Es gibt in diesem Stück sehr viele Szenenwechsel, wodurch viel und schnelle Handlung geschaffen wird und anders als in späteren Werke lange Betrachtungen über das Leben fehlen. 

Ich finde, der 'Götz' ist ein kurzweiliges Stück, daher auch verständlicherweise seit der Veröffentlichung ein großer Publikumserfolg, aber hat noch nicht ganz die Tiefe der Spätwerke Goethes.

Sonntag, 14. Juli 2024

Ocean Vuong - Auf Erden sind wir kurz grandios

 

Autor:

Ocean Vuong ist ein Schriftsteller mit vietnamesischen Wurzeln. Geboren in Saigon, kam er bereits im Alter von zwei Jahren mit Teilen seiner Familie in die USA. Dort studierte er englische Literatur mit Schwerpunkt Lyrik, seine Gedichte haben in den USA bereits mehrere Preise gewonnen. Neben seiner eigenen schriftstellerischen Tätigkeit hat er eine Hilfsprofessur für Literatur in Amhurst. Er lebt offen schwul und gibt als Religionszugehörigkeit den Buddhismus an.

Buch:

Dieses Buch ist Vuongs erster Roman, der 2019 erschien und im selben Jahr auch ins Deutsche übersetzt wurde. 

Hauptfiguren:
  • ein Sohn, aka 'Kleiner Hund', 28 Jahre alt
  • Rose, seine halb-vietnamesische Mutter, Adressatin des Briefes
  • Lan, seine vietnamesische Großmutter
  • Paul, ihr amerikanischer Mann aus Virginia
  • Mai, die 12 Jahre ältere Halbschwester seiner Mutter
  • Trevor, sein Freund von der Plantage
Inhalt und Rezeption:

Der Ich -Erzähler gedenkt im Alter von 28 Jahren in Briefform -der Brief ist an seine nicht des Lesens fähige Mutter gerichtet- seines Lebens als Einwandererkind, als ein von seiner Mutter sowie seiner Großmutter, die beide schwer vom Vietnamkrieg traumatisiert wurden, aufgezogener junger Mensch, sein Vater ist unbekannt, wird nicht erwähnt. Die Mutter schlägt ihn bis zu seinem 13. Lebensjahr regelmäßig, er ist ein Außenseiter in der Schule, wird überall gemobbt. 

Vor allem von seiner Großmutter Lan erfährt er vieles über die Zeit des Krieges in Vietnam und über die Umstände seiner Geburt. Sie hat sich prostituiert, nachdem sie aus ihrer ersten Ehe mit einem kleinen Kind geflüchtet war. um zu überleben. Seinen vermeintlichen Großvater Paul hat sie jedoch in einer Bar kennengelernt und ihn geheiratet, ein Jahr nach der Geburt seiner Mutter. Erst später erfährt er, dass seine Mutter in Wahrheit doch das Kind eines namenslosen amerikanischen Freiers ist.

Das Außenseitertum ist immer präsent, als kleiner Junge hat er schon zu Paul gesagt, dass "andere Kinder mehr leben als" er selbst. Die Mutter arbeitet in einem Nagelstudio, kontinuierlich den giftigen Chemikalien ausgesetzt, die Hoffnungslosigkeit einer Einwandererexistenz. 
"Ein neuer Einwanderer wird innerhalb von zwei Jahren begreifen, dass das Nagelstudio letztlich ein Ort ist, wo Träume zu dem Wissen verkalken, was es bedeutet, in amerikanischen Leibern -mit oder ohne Staatsbürgerschaft- wach zu sein: schmerzhaft, toxisch, unterbezahlt."
Die Erinnerungen beziehen sich intensiv auf seinen ersten Job auf einer Tabakplantage, wo er Trevor kennen und lieben lernt, später auf ihre Freundschaft oder wie seine Mutter im Nagelstudio einen amputierten Fuß einer Kundin phantomartig massiert. Eines Tages outet er sich seiner Mutter gegenüber über sein Schwulsein, die aber nicht sehr positiv darauf reagiert, gleich das Thema wechselt und ihm im selben Gespräch offenbart, er habe einen älteren Bruder, der aber nach einer vergeblichen Abtreibung bei der Geburt starb. Unappetitlich eine Szene, in der amerikanische Soldaten das Hirn eines Makaken Affen verspeisen, genauso wie der erste richtige schwule Sex mit Trevor.

Er trennt sich eines Tages von Trevor, geht nach New York und kehrt erst dann nach Hartford zurück, als er vom Drogentod seines ehemaligen Freundes erfährt. Einige Monate später stirbt seine Großmutter an Krebs, wieder werden Erlebnisse der Großmutter erzählt, die er selbst nur aus ihren Erzählungen kennt und zusammen mit seiner Mutter begraben sie die Urne in Saigon. die letzten Erinnerungen diffundieren ins Nichts.

Lesespaßfaktor:

Die Geschichte wird in Fragmenten und in Briefform erzählt, nicht als eine Sammlung vieler Briefe, sondern als ein ganz langer Brief. Die 'Handlung' ist die Rückschau auf das Leben des Sohnes, ein Leben mit einer prügelnden, traumatisierten Mutter, die sich in den USA immer fremd fühlt, zumal sie nicht einmal die Sprache erlernt hat. Das ist nicht immer rein sequenziell geschrieben, sondern im Fortlauf des Lebens von Little Dog gibt es auch zwischendurch immer wieder neue Rückblicke, quasi Rückblicke im Rückblick.

Man merkt, dass Vuong auch ein Dichter ist, die Sprache ist in einzelnen Aspekten virtuos, fast lyrisch. Gleich auf der ersten Seite etwa heißt es über die Freiheit: "Freiheit ist nur der Abstand zwischen dem Raubtier und seiner Beute." Auch eine gute Prise Humor ist vorhanden: "Ich sehe von genau drei Seiten gut aus und ätzend von überall sonst." Aber manchmal ist mir die Sprache auch zu blumig, zu metaphorisch ("..., ihr Gesicht ein herabfallender Pfirsich."). Dennoch sind die vielen detailreichen Beobachtungen des jungen Erzählers über seine kleinen Umwelt im Hartford  seiner Jugend sehr schön zu lesen. 

Es geht auch immer wieder darum, wie das Leben als Einwanderer in den USA ist, am Rande der Gesellschaft, Rassismus ausgesetzt und oft sprachlos, weil die Einwanderer die englische Sprache nicht oder kaum erlernen. Die recht detailliert und lang beschriebene homosexuelle Erweckung gefällt mir nicht, bin ich deswegen womöglich homophob?

Zum Ende des zweiten Teils löst sich die Sprache auf in einzelne Gedankenfetzen, es sind quasi Spiegelstriche statt zusammenhängender Gedanken, so wie sich das Leben seines Freundes Trevor auflöst. Man muss als Leser aufpassen, immer den richtigen zeitlichen Bezug zu haben, die zeitlichen Ebenen wechseln ständig, manchmal von Absatz zu Absatz. Sehr Schöne Sätze stehen oft allein dar im Text, ohne inhaltliche Bindung. ("Du und ich, wir waren amerikanisch, bis wir unsere Augen öffneten."). Mit der Lesezeit wird das aber etwas ermüdend, nicht alle Gedanken kann ich nachvollziehen, etwa: "Wo waren wir, bevor wir waren? Wir müssen am Rand eines Feldweges gestanden haben, als die Stadt brannte. Wir waren bestimmt im Begriff zu verschwinden, wie jetzt.".

Am Ende ein Briefroman, der stark beginnt und dann aber ebenso stark nachlässt, nämlich zu dem Zeitpunkt, als ich den Gedankenfragmenten nicht mehr folgen kann, als es egal wird, ob ich diese Sätze lese oder nicht. Daher eine nur durchschnittliche Bewertung, die Begeisterung der vielen Rezensenten kann ich nur sehr bedingt teilen.

♥♡♡